Man kann es niemandem verübeln, die Meinung zu vertreten, dass die Kapitäns-Debatte rund um Marko Arnautovic eine der sinnloseren der jüngeren ÖFB-Vergangenheit ist.

Spätestens nachdem sich jedoch Marc Janko kein Blatt vor den Mund nahm, gilt es sie dennoch zu führen, und zwar quasi als Spin-Off – also weiterhin nicht wegen Arnautovic. Ob er die Schleife aushilfsweise trägt oder nicht, ist zwar interessant, ist und bleibt jedoch auch überbewertet und ändert nichts an seiner Wertigkeit für das Nationalteam.

Führen sollte man sie wegen des ÖFB an sich, seiner Struktur und mancher handelnder Personen.

Und man sollte die Debatte jetzt führen, das Timing ist günstig. Denn nach einem wichtigen Sieg wie jenem gegen Nordirland lässt es sich tendenziell unaufgeregter diskutieren, zumindest sollte es der Debatte die Emotion einer etwaigen Niederlage oder den sportlichen Krisen-Touch nehmen.

Ein Urteil gilt es leider zu fällen: Auch wenn das Eskalations-Level weit, sogar sehr weit unter den denkwürdigen Ereignissen des Oktober-Lehrgangs 2017 liegt (Stichwort: Demontage von Willi Ruttensteiner) und ein sportlicher Schaden durch diese unnötige Ablenkung verhindert werden konnte, ist es durchaus erstaunlich, wie leicht im Hause ÖFB nach wie vor Unruhe entsteht.

Und dies ist durchaus bedenklich.

Folgende Feststellung ist wichtig: Es soll hier nicht vordergründig darum gehen, ob ein Mitglied des ÖFB-Präsidiums oder gar mehrere Mitglieder dieses Gremiums bezüglich Kapitän oder Arnautovic „Wünsche“ bei Teamchef Franco Foda deponiert haben.

Hier kann man es mit Janko halten. Offiziell steht Aussage gegen Aussage und jeder möge selbst für sich entscheiden, wem er Glauben schenkt.

Die entscheidendere Frage: Ist auszuschließen, dass es vorgekommen sein kann?

Verfügt der ÖFB über eine zeitgemäße Struktur? Über eine Struktur, die es denkbar unwahrscheinlich macht, dass nicht ausreichend kompetente Herrschaften wichtige Fragen rund um das Nationalteam entscheiden oder zumindest beeinflussen (wollen)?

Und ja, damit meine ich wesentlich wichtigere Fragen und Personalien als das Kapitäns-Amt. Denn den Spielführer zu bestimmen, ist Teamchef-Sache.

Und sollte sich tatsächlich auch nur ein Präsidiumsmitglied erdreistet haben, diesbezüglich bei Foda zu intervenieren oder intervenieren zu lassen und somit vor einem wichtigen Spiel nicht nur für Unruhe zu sorgen, sondern sich selbst (wieder einmal) zu wichtig zu nehmen, wäre dies in der Tat eine „Frechheit“ – da hat Janko vollinhaltlich recht.

Zum Beispiel entscheidet dieses Gremium über die Besetzung von Sportdirektor und Teamchef. Wir erinnern uns, da war ja mal was.

Der Herbst 2017 hat gezeigt, wie fragwürdig der ÖFB aufgestellt ist – etwas salopp formuliert: Trotz gerade vergeigter WM-Qualifikation erschien die Abteilung Sport noch das geringste Problem zu sein und heute wissen wir, dass auch angesichts des zur Verfügung stehenden Spielermaterials die Hoffnung auf Besserung eine berechtigte war.

Aber sonst?

Eine breite Öffentlichkeit konnte erste Reihe fußfrei beobachten, wie „professionell“ dieses Präsidium Personalentscheidungen trifft. Stichwort Konzept und so.

Und vom Krisenmanagement ganz zu schweigen. Denn wie öffentlich diverse Beteiligte ihre Differenzen und Grabenkämpfe austrugen, hätte ja eigentlich eh etwas Komödiantisches an sich, wenn es nicht um eine Materie ginge, die wir alle mögen und deren Wohlergehen uns wichtig ist.

Was seither geschah?

Naja.

Also außer dem öffentlichen Commitment rund um die Bestellung von Foda zum Teamchef, dass jetzt innerhalb des Präsidiums eh alle wieder gut miteinander sind und an einem Strang ziehen?

Ja eh.

Wer andere kritisiert, sollte immer auch überprüfen, ob er selbst alles richtig gemacht hat – und dies ist an dieser Stelle klar zu verneinen, weshalb eine große Portion Selbstkritik angebracht ist.

Ich denke, medial ist es vergangenen Herbst recht eindrücklich gelungen, die bestehenden Probleme aufzuzeigen. Vielleicht hatte ich auch einen kleinen Anteil daran.

Die Überprüfung, ob daraus die nötigen Lehren gezogen wurden, ist jedoch viel geringer ausgefallen, als es dieses unsägliche Theater verdient hätte, wenn sie denn überhaupt stattgefunden hat.

Die aktuelle Causa zeigt, wie fragil dieses ÖFB-Gebilde nach wie vor sein kann – und man denkt besser nicht darüber nach, was passiert, wenn es wieder einmal ein echtes Problem geben sollte.

Das hätten wir besser wissen müssen, das hätte auch ich besser wissen müssen.

Gerade die Siegesserie unter Foda wäre eine gute Gelegenheit gewesen,  bei sportlichem „Schönwetter“ und ohne Pflichtspiel-Druck einen Diskurs über die Inhalte eines notwendigen Reformprozesses zu führen.

Und wie notwendig selbiger ist, zeigte 2017 unabhängig anderer Personalien ja alleine schon der Umstand, wie weit Leo Windtner intern gehen musste, um weiter Präsident sein zu können – was, ohne resignativ wirken zu wollen, wiederum die Frage aufwirft, ob er sich nicht in eine Position gebracht hat, die echte Reformen während seiner Amtszeit beinahe unmöglich macht.

Noch entscheidender: Janko hinterfragt die Fachkompetenz des Präsidiums, und natürlich muss man weiterhin die Frage stellen, warum denn bitteschön alle neun Landespräsidenten in diesem Gremium sitzen müssen? Noch dazu alle stimmberechtigt, und es gibt nur 13 Stimmberechtigte.

Weil‘s immer so war? Geh bitte!

Es ist nach wie vor falsch, alle Landespräsidenten pauschal in einen Topf zu werfen – auch hier gibt es solche und solche.

Aber würden nicht drei Präsidiumsmitglieder aus den Ländern reichen – aus jeder Region einer? Nur so als Beispiel.

Vielleicht ist es ja auch nicht schlecht, dass wir dieser Tage daran erinnert wurden, dass da im Verlauf der vergangenen zwölf Monate etwas „liegengeblieben“ ist.

Nämlich eine unaufgeregte, seriöse und vor allem ernsthafte Debatte darüber, welche Funktionärs-Struktur das Nationalteam, Österreichs ranghöchste Fußball-Mannschaft, braucht – und ich kopple hier durchaus absichtlich den Profi-Sport von anderen wichtigen Agenden wie dem Amateur-Fußball ab.

Okay, die Hoffnung, dass tatsächlich ein Reformprozess eingeleitet wird, der diese Bezeichnung auch verdient, ist überschaubar groß. Aber wer weiß.

Hoffentlich erhöht sich zumindest ein wenig der Druck, dass etwas passiert.

Denn die Befürchtung, dass diese Herrschaften nicht von selbst auf die Idee kommen, etwas zu ändern und sich dabei gar selbst abzuschaffen, ist wohl berechtigt.

Es braucht einen konstanteren Anstoß von außen.

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