Eigentlich sollte das Ernst Happel-Stadion ja an jedem 14. November bis auf den letzten Platz gefüllt sein. Dieser Tag muss einfach ganz im Zeichen der Fußball-Legende stehen - ein Happel-Feiertag quasi. Ein nationaler Tag für den Jahrhundert-Kicker und -Trainer aus Wien.
Am 14. November 1956 schoss der charismatische Rapid-Verteidiger im Europapokal der Landesmeister die "Weltauswahl" von Real Madrid mit drei Toren beim 3:1 aus dem Prater.
Am 14. November 1992 verstarb Österreichs größte Trainer-Persönlichkeit aller Zeiten. Auch 25 Jahre danach lebt der Geist des Genies von Rotterdam über Hamburg bis nach Wien.
Vier Tage nach Happels Tod spielte Österreich ein freundschaftliches Länderspiel gegen Deutschland. Das 0:0 in Nürnberg stand unter dem Motto "Für den Wödmasta gegen den Weltmeister"!
Morgen - an Happels 25. Todestag - trifft Österreich im Ernst Happel-Stadion beim Teamchef-Debüt von Franco Foda in aller Freundschaft auf Uruguay. Die Devise für alle Fans muss lauten: "Kommt für Happel alle ins Happel!"
51 Länderspiele für Österreich, 18 Titel als Trainer
Unglaubliche 27 Titel in vier verschiedenen Ländern hat Happel als Spieler und als Trainer eingeheimst. "Aschyl", wie ihn seine Teamkollegen riefen, nachdem sie Happel den Spitznamen während einer Rapid-Tournee Anfang der 1950er-Jahre in Istanbul verpasst hatten. Die Wiener sahen damals in der Türkei einen Film, in dem ein Haremswächter namens "Aschyl" auftauchte und dem Rapid-Verteidiger zum Verwechseln ähnlich sah.
Happel war ein Unikat, ein Fußball-Guru, ein Besessener, ein G'frast, ein Grantler und ein Genie. Ein Ur-Wiener, der mit allen Wassern gewaschen war und dem kein Mätzchen fremd war. Happel war ein Visionär, der seiner (Fußball)-Zeit weit voraus war. Er spielte Pressing, als es den Ausdruck noch nicht gab. Er liebte das Offensiv-Spektakel und schaltete als Trainer, wenn seine Team mit dem Rücken zur Wand stand, auf "Hollywood". "All in bzw. do or die", würde das heute heißen.
Happel war Lebemann und Bruder Leichtfuß
Happels Credo als Trainer waren Disziplin und Konstanz. Als Spieler war Happel ein G'frast. Ein Bruder Leichtfuß. Ein schlampiges, aber äußerst kreatives Genie. Einer, der sich bei einem Länderspiel am eigenen Sechzehner schon einmal umdrehte und den Ball seinem eigenen Goalie ins Kreuzeck haute, um ihn dann zu beschimpfen, warum er die Kugel nicht aus der Ecke gefischt hätte...
Happel war ein Lebemann. Starke belgische Zigaretten ("Belga") und ein guter Cognac gehörten zur Grundnahrung. Das Kartenspiel war sein liebstes Hobby. Der Fußball bedeutete ihm alles. Aber auch die Casinos und Cafes waren seine Wohnzimmer.
Heute hätte es ein Happel schwer. Sehr schwer sogar. TV-Experten, die vom In-Game-Coaching, von der Box oder über die falsche Neun philosophieren, hätte Happel in der Luft zerrissen. Die Selfie-Generation und die sozialen Netzwerke wären für den "Wödmasta" ein Graus. Ihnen hätte Happel wohl ebenfalls ein "Haut's eich in den Koks!" oder im Winter ein "Haut's eich in Schnee!" entgegengefaucht wie Generationen von Berichterstattern in Holland, Deutschland und Österreich.
Gespanntes Verhältnis zur "Journaille"
Zu den Journalisten hatte der am 29. November in Wien geborene Ernst Franz Hermann Happel stets eine gespannte Beziehung.
Ich hatte das Privileg zwischen 1987 und 1991 als Redakteur der Tiroler Tageszeitung, quasi als Haus- und Hof-Berichterstatter für Happel, viele Spiele seiner Zeit beim FC Tirol zu begleiten. Auch wenn Happel meinen Namen kannte, rief er mich immmer nur "Zauberer" oder "Indianer". Happel sprach nicht viel und hatte dennoch jede Menge zu sagen. Er machte sich einen Spaß daraus, renommierte Journalisten links liegen zu lassen und auch Teamchefs großer Nationen zu narren.
Als Argentiniens Carlos Bilardo vor der WM 1990 in Italien extra auf die Hohe Warte nach Wien eilte, um Nestor "Pipo" Gorosito im Spiel der Vienna gegen den FC Tirol zu beobachten, strich Happel den Legionär kurzerhand aus dem Kader. Bilardo zog enttäuscht von dannen und Happel meinte nachher - auf die eher eigenwillige Aktion angesprochen - zynisch: "Was brauch i den Zauberer. Wenn der den Gorosito sieht, nimmt er ihn mit zur WM nach Italien und ich seh ihn nie wieder in Tirol."
Happel wußte wie der Hase läuft. Und da konnte es schon passieren, dass er mich nach einem verlorenen Spiel des FC Tirol zu sich rief und überraschend liebevoll meinte: "Schreib was G'scheites. Die Mannschaft war heute schlecht, aber am Mittwoch ist Europacup, da müssen wir den Tivoli füllen. Was willst wissen?"
Happel war witzig, unnachahmlich wienerisch und zugleich weltoffen und charmant. Und er sorgte für zahllose Anekdoten.
Auch Facebook-Seite hält Ernst Happel am Leben
Einige davon werden wohl heute Abend bei einer Diskussion zum Besten gegeben werden. Auf der von der Familie Happel zu Ehren der Wiener Fußball-Legende ins Leben gerufenen Ernst Happel in memoriam Facebook-Seite https://www.facebook.com/happel.ernst/ gibt es ab 19:45 Uhr einen Livestream.
Moderiert wird der Talk von "Aschyls" Enkelin, der gelernten TV-Journalistin Christina Happel. Zugesagt haben unter anderem ÖFB-Rekord-Teamspieler Andreas Herzog und Günter Netzer. Deutschlands Weltmeister von 1974 hat Ernst Happel in den 80er Jahren als Trainer nach Hamburg geholt und als HSV-Manager mit dem Wiener die größten Erfolge der Vereinsgeschichte gefeiert.
Als Kulisse der Sendung dient das Café Ritter in Ottakring, das Wohnzimmer von Ernst Happel. Hier traf Happel seine Freunde, spielte Karten und philosophierte übers Leben und den Fußball.
Unkonventionell, originell, kontroversiell – so wie Ernst Happel soll auch der Ernst Happel-Kaffeehaus-Talk sein. Die Sendung ist als eine kultivierte, witzige Diskussion über Fußball-Themen abseits des Tagesgeschäfts konzipiert. Angedacht ist, dass die Sendung in Zukunft vier Mal jährlich stattfindet.
Möge die Übung gelingen. Happel hat sich ein breit angelgtes Gedenken verdient. Zumindest der 14. November sollte alljährlich zum Happel-Tag werden. Frei nach dem Motto: Weinen wir nicht, dass er gestorben ist - freuen wir uns, dass er gelebt hat!"