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Formel E zur Halbzeit: Energiesparen wird zum Problem

Die Berlin-Rennen zeigten die Problematik schonungslos auf. Jaguar präsentiert sich weiter stark, WM-Leader Pascal Wehrlein bekommt Druck:

Formel E zur Halbzeit: Energiesparen wird zum Problem Foto: © GEPA

Was am letzten Schauplatz in Sao Paulo noch als Besonderheit der Strecke mit langen Geraden abgetan wurde, hat sich auch beim Berliner Doppel der Formel E-WM bestätigt: Windschattenfahren ist praktisch auf jedem Kurs (vielleicht außer dem nächsten in Monaco) möglich und wird zum Energiesparen genutzt.

Keiner will mehr der Führende sein, der mehr Energie verbraucht als die Verfolger. Damit gibt es zwar zahlreiche Führungswechsel (in Tempelhof im ersten Rennen 23 unter acht Fahrern und im zweiten nicht weniger!), aber überwiegend taktisches Verhalten. Erst in den letzten drei, vier Runden werden die Karten aufgedeckt und Angriffe gestartet, wenn es "echt" um Positionen an der Spitze geht.

Und wenn es mehrmals Safety Car gibt - in Berlin am Samstag der Fall, Sonntag überraschend nicht und daher keine Rundenaddition -, dann schiebt sich ohnedies alles wieder zusammen. Also Stau auf den Stadtkursen wie im normalen Verkehr nebenan.

Dass das Fahrerfeld Qualitäten hat und manchmal auch (nicht immer!) Disziplin zeigt, sah man im zweiten Qualifying in Berlin auf nasser Piste: kein einziger Dreher, kein einziger Einschlag in den Mauern. Das war eher unerwartet.

Sollten die Rennen "echte" werden, müsste so viel Energie zur Verfügung stehen, dass auf Angriff gefahren werden kann. Schließlich wollen die Fans - auch jene, die sich für elektrischen Motorsport erwärmen können und ihn nicht aus "ideologischen" Gründen von vornherein ablehnen - immer noch Rennsport sehen und keinen Economy Run.

Alles Jaguar oder was?

Während Porsche die ersten Saisonrennen dominierte (Auftaktsieg in Mexiko von Jake Dennis im Auto des Porsche-Kunden Andretti, zwei Siege Wehrleins in Saudi-Arabien, da-Costa-Erfolg in Kapstadt) schlug das Pendel zuletzt in Richtung Jaguar um.

Vizeweltmeister Mitch Evans siegte in Sao Paulo und in Berlin I, Berlin II ging an Nick Cassidy im Envision Virgin mit Jaguar-Antrieb. Die vier Jaguar-angetriebenen Piloten schafften in der ersten Saisonhälfte elf Podestplätze (drei Siege), die vier Porsche-Fahrer kamen ebenfalls elf Mal aufs Podium (mit vier Siegen).

Vor allem die beiden Neuseeländer Evans, der am Saisonanfang unverschuldet viele Punkte verlor, und Cassidy scheinen in der Kombiwertung aus Speed und Effizienz sehr gut aufgestellt zu sein - natürlich mit entsprechender strategischer Unterstützung ihrer Teams.          

Wehrlein behauptet WM-Führung mit Mühe

Es wird vor seinem Heimrennen in Monaco (6. Mai) eng für Formel-E-Spitzenreiter Pascal Wehrlein.

Obwohl der Porsche-Pilot am Wochenende in Tempelhof zwei Mal punktete (Sechster bzw. Siebter), hieß der Sieger des Wochenendes Nick Cassidy, der als Virgin-Pilot vom derzeit dominierenden Jaguar-Antrieb profitierte, aber auch mit souveräner eigener Leistung Sonntag zu seinem zweiten Sieg in der Elektroformel fuhr.

Nach Platz fünf am Samstag hat der Neuseeländer nun bei Saisonhalbzeit nur noch vier Punkte Rückstand auf Wehrlein (96:100).

Dabei war der 28-Jährige nach der Streichung seiner Rundenzeit im gewonnenen Quali-Duell mit Teamkollegen Sébastien Buemi noch höchst frustriert (er hatte die 350-kW-Leistung zu spät abgerufen).

"Aber jetzt bin ich wirklich zufrieden, vor allem, weil ich in Berlin bisher nie Glück hatte. Das Rennen konnte ich mir gut einteilen und am Ende kontrollieren. An die WM denke ich nicht, schließlich haben wir noch acht Rennen vor uns", sagte Cassidy.

Mit Jake Dennis (Andretti-Porsche), Jean-Éric Vergne (DS Penske), Samstag-Sieger Mitch Evans (Jaguar) und Wehrleins Teamkollegen Antonio Felix da Costa auf den Plätzen hinter Cassidy punkteten alle Verfolger des Deutschen mehr als er.

Endlich Punkte für Günther und Abt-Cupra

Strahlende Gesichter sah man erstmals in dieser Saison beim Team Abt-Cupra und bei Max Günther.

Die bisher punktlosen Fahrer der Allgäuer, Robin Frijns und Nico Müller, bewiesen Sonntag ihre Qualitäten als Regenspezialisten und eroberten die erste Startreihe (mit den ersten drei Saisonpunkten durch den Pole-Sitter aus den Niederlanden), im Rennen kämpfte der Thuner Müller verbissen und schaffte als Neunter zwei weitere Zähler im unterlegenen Auto mit Mahindra-Antrieb.

"Schon die Qualifikation mit unserer ersten Startreihe war ein Traum. Dass wir im trockenen Rennen auch Punkte schafften, war ein großer Wunsch, der sich erfüllte", erklärte Teamchef Thomas Biermaier.

Das beste Saisonwochenende erlebte der Deutsch-Österreicher Max Günther, der Samstag als Dritter im Maserati hinter den beiden Jaguar (erster Doppelsieg seit Einstieg der Briten in Saison drei) aufs Podest gefahren war und Sonntag nach Quali-Enttäuschung sogar vom 21. Startplatz bis auf Rang sechs vorfuhr - samt schnellster Rennrunde.

"Das war heute recht gut. Ich blieb am Anfang geduldig und hatte dann eine gute Pace, attackierte zum richtigen Zeitpunkt. Über Platz sechs kann ich mich nicht beschweren", meinte der 25-Jährige, der nun für sein eigenes Heimrennen (und dem seines Maserati-MSG-Teams) in Monaco top motiviert ist.

Für McLaren-Pilot René Rast war das Doppel "eines zum Vergessen". Der Wahl-Bregenzer blieb nach Platz 17 am Samstag mit fünf Strafsekunden für die Kollision mit Sergio Sette Camara auch Sonntag als 13. ohne Punkte.

Das Sonntag-Rennen wurde mit einigen Minuten Verspätung gestartet, da es Klima-"Aktivisten" über die Zäune auf die Startaufstellung geschafft hatten. Sie wurden wenig später in Handschellen abgeführt.

Eine solche Aktion bei einem Elektrorennen zeigt, dass es wohl nicht um ein Anliegen in Sachen Klimaschutz geht, sondern nur um Aufmerksamkeit bei 25.000 vor Ort und Millionen vor TV-Geräten.


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