Älteren Fans ist vielleicht der GP von Long Beach 1983, der letzte F1-WM-Lauf in Südkalifornien, noch in Erinnerung: John Watson gewann von Startplatz 22 vor seinem McLaren-Kollegen Niki Lauda, der von Position 23 gestartet war.
Dasselbe Kunststück gelang Samstag in Sao Paulo beim ersten Lauf der Saison elf der Formel E dem Neuseeländer Mitch Evans. Er siegte vom 22. und letzten Startplatz nach einem chaotischen Rennen, in dem Polesitter und Mitfavorit Pascal Wehrlein Glück im Unglück hatte.
Zwei Abbrüche nach Unfällen - fünf verschiedene Führende
Im Sambadrome von Anhembi musste das erste Rennen mit den Gen3 Evo-Autos zwei Mal abgebrochen werden, um die Strecke nach Unfällen wieder frei zu bekommen. Das Katz-und-Maus-Spiel um die Führungsarbeit, die wegen des höheren Energieverbrauchs keiner länger leisten wollte, führte genauso zu ständigen Positionswechseln wie der Attack Mode mit 50 kW Zusatzleistung, was auf den beiden Geraden auch gründlich genutzt wurde.
111 Überholmanöver wurden erfasst, es gab fünf verschiedene Führende. Pech für die Nissan-Fahrer, die offenbar wegen eines Softwareproblems (oder -fehler) zu viel Energie nutzten und Durchfahrtsstrafen kassierten. Denn Oliver Rowland, der aus der ersten Reihe die Führung übernommen hatte und absolut siegfähig war, und Norman Nato vergaben damit ihre Chancen auf Topplatzierungen.
Jaguar-Star Evans war im Qualifying schon in der ersten Runde mehrmals mit Problemen am Antrieb liegengeblieben und kam auf keine gezeitete Runde – letzter Startplatz. „Ich hatte für das Rennen keine großen Hoffnungen, dachte, dass sich ein paar Punkte ausgehen könnten. In der ersten Runde machte ich schon einige Plätze gut, auf einmal war ich mitten im Geschehen und dachte langsam an ein Podium. Es war ein verrücktes Rennen. Danke ans Team für die tolle Arbeit“, erklärte der Vizeweltmeister.
Schock für Porsche - Barnard liefert einen Rekord
Wehrleins Ausfall, der nach einer Kettenreaktion mit Max Günther und Nick Cassidy vom Jaguar ausgehoben wurde und gekippt dahinschlitterte, war ein Schock für Porsche. Gemildert wurde das Pech des Titelverteidigers durch Platz zwei von Antonio Felix da Costa, der in den letzten Runden nach dem Neustart Evans attackierte, aber nicht vorbeikam – Evans hatte wohl das letzte Rennen in Sao Paulo im Gedächtnis, als ihm Sam Bird drei Kurven vor dem Ziel den Sieg entriss.
"Zunächst einmal bin ich erleichtert, zu hören, dass es Pascal gut geht. Das war ein fieser Unfall. Ich bin froh, dass unsere Autos sicher sind, und ich wünsche ihm gute Besserung. Was mich betrifft, bin ich glücklich über das Ergebnis und darüber, die Saison mit einem Podium zu beginnen. Wir haben uns in der Vergangenheit schwergetan, eine Saison stark anzufangen. Das war also diesmal mein Ziel – mit einer guten Handvoll Punkte im Gepäck nach Hause zu fahren", analysierte da Costa, der auch den Zusatzpunkt für die schnellste Rennrunde erhielt.
Die Sensation des Rennens aber lieferte McLarens Taylor Barnard, der vor seinem routinierten Teamkollegen Sam Bird als Dritter zur Siegerehrung durfte. Mit 20 Jahren und 198 Tagen ist er der bisher jüngste Fahrer auf einem Podestrang der Formel E.
"Das war eine verrückte Sache. Sam und ich waren einmal ganz hinten, und plötzlich sind wir vorn dabei. Das ist ein fantastisches Ergebnis in meinem ersten Rennen als Stammfahrer. Ich bin sprachlos", erklärte der Engländer.
Günther mit dem Ergebnis enttäuscht
Weitaus stärker als vergangene Saison präsentierte sich das Mahindra-Duo: Der Italo-Schweizer Edo Mortara wurde vor Nyck de Vries Fünfter. Sébastien Buemi hielt die Envision-Fahnen nach dem Ausfall von Robin Frijns (Defekt in der Startaufstellung) mit Platz sieben hoch.
Die restlichen Punkte gingen an Dan Ticktum bei der Premiere des Kiro-Porsche, Jean-Éric Vergne (DS Penske) und Stoffel Vandoorne (Maserati). Der Deutsch-Österreicher Günther kam nach Reparatur seines DS Penske in der Unterbrechung doch noch zum Fahren und wurde Elfter – enttäuschend angesichts der starken Form, in der er ein Podiumskandidat war, wie er auch bestätigte: "Ich bin mit unserer Pace sehr zufrieden. Deshalb ist das Ergebnis heute nur schwer zu akzeptieren."
Der nächste E-Prix folgt am 11. Jänner auf dem Rodriguez-Kurs in Mexiko-Stadt