Lange konnte gerätselt werden, wohin es Lucas Auer nach vier Jahren DTM wohl ziehen würde.
Der Ausstieg seines - nun ehemaligen - Arbeitgebers Mercedes aus der Serie deutete schon vor zwei Jahren an, dass den Tiroler nach vier Saisonen in der Tourenwagen-Serie eine Umorientierung erwarten dürfte.
Wohin es den Neffen von Gerhard Berger nun wirklich zieht, dürfte aber von wenigen erwartet worden sein. Die japanische Super Formula, abseits von Motorsport-Insidern eine in Europa völlig unbekannte Destination, wird 2019 Arbeitsumfeld des 24-Jährigen sein.
Mit im Gepäck: Red Bull. Denn Auer hat einen völligen Seitenwechsel vollzogen und ist vom Mercedes-Lager in jenes des Getränkeherstellers übersiedelt.
Mateschitz und Marko gaben die Chance
Nach dem Mercedes-Ausstieg wurden die Optionen, weiterhin unter dem Stern zu fahren, rar. Das neue Formel-E-Projekt? Mercedes entschied sich für andere Fahrer. Die GT Masters? Nett, aber kein Fortschritt. Ein Umstieg zu DTM-Neuling Aston Martin? Es wurde spekuliert, aber mit Ferdinand Habsburg fährt nun ein anderer Österreicher für die Briten.
Das langfristige Ziel jedes Rennfahrers ist die Formel 1. Nach der erfolgreichen DTM-Zeit, in der Auer bei 73 Starts vier Siege einfuhr und 2017 zu den Titelkandidaten zählte, musste der nächste Schritt nach "oben" gemacht werden.
Und die Tür zu Red Bull ging auf.
"Didi (Mateschitz) und Helmut (Marko, Anm.) haben mir die Chance gegeben, und ich habe sie dankend angenommen. Red Bull mit Honda in Japan, wieder zurück in die Formel-Schiene", so Auer.
Vor der DTM war der Kufsteiner in diversen Formel-Serien unterwegs, der pazifischen Formel BMW und der Formel 3 etwa. Dazu kommt das bisherige Karriere-Highlight, ein Formel-1-Test für Force India im Sommer 2017. Die Open-Wheeler also kein neues Gefilde, aber eines, das wieder Umgewöhnung benötigt und einen erneuten Kurswechsel in der Karriere darstellt.
Nicht weit weg von der Formel 1
Aber was lässt sich von der Super Formula erwarten? Von einer Rennserie, die in unseren Breitengraden fast gänzlich unbekannt ist? Viel, sagt Auer, der sich nach den ersten Testfahrten schwer beeindruckt zeigt.
"Wir haben 550 PS, das Auto hat mit Fahrer 670 Kilogramm. Wir waren in Suzuka bei den ersten Tests nur fünf bis sechs Sekunden langsamer als die letzte Pole-Position-Zeit der Formel 1. Da sieht man, was wir an Power und Abtrieb zur Verfügung haben."
Und die Rennserie, früher als Formula Nippon bekannt und mit Ausnahme einiger europäischer Starter rein japanisch, hat sich in der Vergangenheit durchaus als Sprungbrett für viele namhafte Karrieren erwiesen. Ein paar Beispiele? Ralf Schumacher, Pedro de la Rosa, Ralph Firman oder die Le-Mans-Sieger Loic Duval und Andre Lotterer zählten in der Vergangenheit zu den Titelträgern.
Jüngstes Beispiel ist Pierre Gasly, der 2017 sogar volley aus der Super Formula in die Formel 1 wechselte, obwohl er "nur" Zweiter der Rennserie wurde. Mangelnde Bekanntheit in Europa ist also nicht gleichbedeutend mit mangelndem Niveau. "Es ist nur eine Nummer unter der Formel 1", ist sich Auer sicher.
Verrückte Gestalten in Japan
Den 24-Jährigen erwartet aber nicht nur eine neue Rennserie. Sein Lebensmittelpunkt wird sich bis zum Ende der Saison im Oktober komplett nach Japan, genauer gesagt nach Tokio, verschieben.
Für den Tiroler eine menschliche Herausforderung, die er gleich neben die sportliche Challenge stellt: "Jeder hat eine andere Arbeitsweise, das zu verstehen und schnellstmöglich Dinge umzusetzen wird die größte Sache sein. Wie schnell werden wir die Unterschiede überwinden und auf ein hohes Level kommen? Auch bei Honda sind alle mit Herz dabei. Wenn man das schafft, kann man Großes bewirken."
Sorgen macht er sich deswegen aber keine: "Die sind alle super freundlich, helfen dir bei allem. Sie sprechen alle ein bisschen Englisch, zur Not packen sie das Handy mit dem Übersetzer aus."
Und die Motorsport-Passion passt im fernen Osten auch: "Ich habe noch nie in meinem Leben so viele Autogrammkarten unterschrieben - an einem Testtag! Ein Fan ist in kompletter Ayrton-Senna-Montur gekommen, ein anderer im Yoshi-Kostüm. Die haben ihre Spezialitäten, fahren auch mit Super-Mario-Anzügen im Kart durch die Straßen von Tokio, das geht dort."
Wichtig für die menschliche Entwicklung
Es wird somit alles neu für Auer: Das Land, die Leute, die Serie, sein Team B-MAX/Motopark und die Strecken, von denen er noch auf keiner einzigen Rennen gefahren ist.
Aber was kann Österreichs Motorsport-Hoffnung in Japan überhaupt gewinnen? "Erstens, dass ich mich als Mensch irrsinnig weiterentwickle und mich fernab von Europa durchschlagen muss. Und dann denke ich, dass die Super Formula ein echter Härtetest wird. Wenn du dich dort durchsetzt, hast du gute Karten."
Und dann wäre da noch die attraktive Verbindung zu Red Bull und Honda, die bekanntlich gleich bei zwei Teams eine Partnerschaft in der Formel 1 fahren. Vorerst ist diesbezüglich aber nichts im Kopf von Auer, auch die Vereinbarung lautet vorerst: Voll und ganz auf die Super Formula konzentrieren.
Wo dieser Schritt im Gesamtplan der Karriere einzuordnen ist? "Gute Frage. So habe ich das noch nie gesehen. So richtig und wichtig der Schritt in die DTM war, so richtig und wichtig fühlt sich jetzt dieser an. Da geht es in meinem Kopf nicht um Schachzüge. Nur um das, was für mich als Rennfahrer und Mensch gerade richtig erscheint. Außerdem ist die Zusammenarbeit mit Red Bull als Österreicher mega. Aber das sich Dinge langfristig planen lassen, das geht nicht. Das habe ich jetzt schon gelernt."
Darum lautet der Plan einfach: Schnellstmöglich in der Super Formula Fuß fassen. "So oder so komme ich nicht nur erfahrener, sondern auch stärker - wofür das auch immer gut sein wird - zurück. Das ist daher für mich goldrichtig, für mich als Person."