Maximilian Günther hat ein turbulentes Jahr hinter sich. Es gibt wohl kaum einen Rennfahrer, der 2017 mehr unterschiedliche Boliden gesteuert hat, als der 20-jährige Allgäuer.
Nach drei erfolgreichen Jahren in der europäischen Formel 3 und dem fünften Platz beim legendären Grand Prix von Macau, drehte er zum Abschluss der Saison auf dem Hockenheimring hunderte Runden im Mercedes-DTM-Wagen.
Lucas Auer, der wie Günther früher in der europäischen Formel 3 für das Prema Powerteam unterwegs war, fungierte in Hockenheim als Referenzfahrer und erkennt Parallelen. "Es ist schon witzig. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich bei so einem Test meine ersten Erfahrungen gesammelt habe und jetzt bin ich der Referenzfahrer für die nächste Generation."
Im Anschluss gelang ihm bei Formel-2-Testfahrten in Abu Dhabi auf Anhieb der Sprung in die Top 10, bevor er nach Japan reiste, um die dortigen Super-Formula-Boliden zu testen. Am 14. Jänner zählt er zum erstmals erlesenen Kreis von zehn Nachwuchs-Piloten, die sich den Formel-E-Teams präsentieren dürfen.
Im LAOLA1-Interview spricht das größte deutsche Fahrertalent über sein ereignisreiches Jahr, seine Ziele und die Zukunft des Motorsports.
LAOLA1: Max, Du besitzt neben der deutschen auch die österreichische Staatsbürgerschaft. Wie ist Deine Beziehung zu Österreich?
Günther: Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen, aber meine Mutter ist Österreicherin. Ich verbringe viel Zeit am Bodensee in der Gegend Bregenz, Lochau, da habe ich Familie. Mein Leben spielt sich aktuell hauptsächlich in Deutschland ab, aber Österreich ist ein schönes Land, in dem ich mich immer wohlfühle, und ich kann mir durchaus vorstellen, in Zukunft mal dort zu leben.
LAOLA1: Nun hast Du Deine letzte Formel-3-Saison absolviert, wie sieht Dein Fazit aus?
Maximilian Günther: Es war ein sehr gutes Jahr, aber von den Ergebnissen her unter Wert. Natürlich war das Ziel der Titel, das haben wir nicht erreicht, dennoch war ich bester Mercedes- und Prema-Fahrer. Platz drei war das Maximum, weil wir technisch nicht immer die besten Karten hatten. Dennoch habe ich die Meisterschaft lange angeführt, einige Rennen gewonnen und oft auf dem Podest gestanden. Daher bin ich mit der Saison absolut im Reinen.
LAOLA1: Nach der Saison hast Du noch einmal ein Wahnsinns-Programm abgespult. Hat sich die viele Arbeit gelohnt?
Günther: In Macau hat ein bisschen das Glück gefehlt. Ein paar Runden vor Schluss war ich noch auf Platz zwei, im Kampf um den Sieg, dann hatte ich einen Materialfehler am Reifen, von dem auch andere Fahrer betroffen waren. Aber so ist nun mal der Sport, es hängt von vielen Faktoren ab.
Anschließend bin ich für Mercedes im DTM-Wagen sehr, sehr viele Runden gefahren, konnte mich gut steigern – eine super Sache. Danach kamen der Formel-2-Test in Abu Dhabi sowie der Super-Formula-Test in Suzuka. Die Autos sind natürlich deutlich schneller als in der Formel 3. Viel mehr Leistung, nochmal mehr Abtrieb, ganz anderes Reifenmanagement. Aber auch da bin ich super klargekommen, habe mich sehr schnell auf die Autos einstellen können und die Teams überzeugt. In welcher Serie ich dieses Jahr fahren werde, wird sich in den kommenden Wochen entscheiden.
LAOLA1: Gibt es eine Tendenz?
Günther: Ich habe einige Optionen, entschieden ist jedoch noch nichts. Bis zur offiziellen Verkündung wird es wie gesagt noch ein paar Wochen dauern, aber ich freue mich schon auf das Jahr. Wohin auch immer es mich verschlägt - es wird eine tolle Herausforderung.
LAOLA1: Fabio Leimer hat die Formel 2 kürzlich als "Zeitverschwendung" deklariert. Ist das nachvollziehbar?
Günther: Um in die Formel 1 zu kommen, benötigst du heutzutage einfach sehr, sehr viel Geld – über die reine Leistung ist es enorm schwer geworden. Jeder Fahrer geht jedoch seinen eigenen Karriereweg. Für mich ist die Formel 2 eine weitere Option, um den Sprung in die Formel 1 zu schaffen, auch wenn es natürlich eine nochmal teurere Serie ist. Ich will mich den Hürden stellen und mit Leistung überzeugen.
LAOLA1: Am 14. Jänner wirst Du am Rande des ePrix in Marrakesch an den ersten Testfahren der Formel E teilnehmen. Wie ist es dazu gekommen?
Günther: Das Team hat mich kontaktiert, ob ich das machen möchte. Das habe ich natürlich sehr gerne angenommen und sehe das als tolle Chance, mich zu präsentieren.
LAOLA1: Was macht für Dich den Reiz an der Formel E aus?
Günther: Es ist auf jeden Fall eine Rennserie mit viel Zukunft. Im Automobil-Bereich geht der Trend dahin, mit Hybrid- oder rein elektrischen Fahrzeugen zu fahren. Daher macht es absolut Sinn, eine rein elektrische Rennserie zu haben. Es ist ein wirklich cooles, neues Konzept und hat enorm viel Potenzial. Die Rennen sind jetzt schon sehr spannend und die Locations super.
LAOLA1: Sebastian Vettel oder auch Gerhard Berger sehen die Formel E nicht als den wahren Rennsport. Verstehst Du, was sie damit meinen?
Günther: Natürlich verbindet man mit Motorsport erstmal Benzingeruch und laute Motoren. Aber man muss auch die Automobilhersteller verstehen - die steigen da ein, wo es etwas Seriennahes zu ihren PKWs gibt. Klar, als Rennfahrer hat man am liebsten leistungsstarke Motoren, die ordentlich Lärm machen. Ich weiß selbst nicht, was sich in der Zukunft durchsetzen wird. Es kann sein, dass die Formel E enorm Fahrt aufnimmt - oder vielleicht auch nicht. Ich bin da total offen für alles, aber kann auch die Meinungen der anderen verstehen.
LAOLA1: Nun ist bei Dragon Motorsport, dem Formel-E-Team, für das Du testest, ein Platz freigeworden. Sollten die Tests perfekt laufen, könntest Du schon nächsten Monat in Chile an den Start gehen?
Günther: Jetzt geht es erstmal Step-by-Step. Ich freue mich auf die Tests in Marrakesch, will dort eine super Performance abliefern und das Team überzeugen. Alles, was darüber hinaus passiert, wird man dann sehen.
"Mein Traum und meine Vision, die ich bis heute verfolge."
LAOLA1: Gab es bei Dir diesen Moment, in dem Du wusstest: 'Ich will Profi werden'?
Günther: Ja, sehr früh sogar. Ich habe mit sechs Jahren angefangen Go-Kart zu fahren. Ich komme auch nicht aus einer Rennfahrer-Familie. Mein Vater war aber an Motorsport interessiert und wir haben zusammen Formel 1 geschaut. Ich habe also nur aus Spaß daran angefangen, wollte schnell meine ersten Rennen fahren und war in denen auch gleich sehr erfolgreich. Dann hat es mich extrem schnell gepackt, mit sechs, sieben Jahren war mein Traum dann, Formel-1-Fahrer zu werden. Natürlich war das damals utopisch, aber es war und ist mein Traum und meine Vision, die ich bis heute verfolge. Das hat mich dahin gebracht wo ich heute bin und jetzt will ich den Weg weitergehen.