Für Grasser Racing, beheimatet in Knittelfeld, und Lamborghini-Werkfahrer Mirko Bortolotti, aufgewachsen in Wien und dort auch zuhause, sind der 13. und 14. Lauf der DTM am Wochenende auf dem Red Bull Ring ein Heimspiel.
In dem der Meisterschafts-Vierte nach den enttäuschenden Rennen auf dem Nürburgring (zwei Ausfälle) und Spa-Francorchamps (Achter bzw. Zehnter) wieder Podestplätze einfahren will und damit seine kleine Chance im Titelkampf wahren will.
Der Formel-2-Meister (2011), der schon für drei F1-Teams testen durfte, kommt mit 94 Punkten nach Spielberg. Vor dem zweifachen Sieger der 24 Stunden von Daytona rangieren Sheldon van der Linde (BMW, 130), Lucas Auer (Mercedes, 98) und René Rast (Audi, 96).
Im Interview mit LAOLA1 zieht der gebürtige Italiener Bortolotti Bilanz über seine bisherige DTM-Saison und warum das Heimspiel auf dem Red Bull Ring das Ruder im Schlussspurt der DTM-Saison 2022 herumreißen könnte.
LAOLA1: Wie siehst du den bisherigen Saisonverlauf mit Höhen und Tiefen?
Mirko Bortolotti: Es war alles in allem bisher eine sehr positive Saison. Wir hatten als Team und als Marke keine DTM-Erfahrung wie die anderen "Großmächte". Wir sind immer noch Rookies. Natürlich gibt es sehr viel Positives wie unsere Konstanz in der ersten Hälfte. Es passierten aber auch Fehler, die wir uns gern erspart hätten, aber die gehören dazu.
LAOLA1: Wie beurteilst du das misslungene Nürburgring-Wochenende mit Abstand?
Bortolotti: Es war natürlich kein gutes für uns. Wir kämpften im ersten Lauf um den Sieg, es kostete uns schließlich 19 Punkte. Im zweiten habe ich alles gemacht, wie man es machen muss, es kam aber zum Kontakt, der weitere Zähler kostete. Gut, zum ersten muss ich sagen "mea culpa" für die Kollision mit Felipe Fraga, beim zweiten war ich schon gleichauf mit Kelvin van der Linde und hatte ein Recht auf meinen Platz, das Einlenken von Kelvin war nicht nötig. Ich würde sagen, in der ersten Saisonhälfte holten wir durch herausragende Leistungen viele unerwartete Punkte, die so nicht zu planen waren. Wie die 15 Punkte in Imola nach einer Strafversetzung wegen falscher Reifenmarkierung. Von Platz 16 auf drei, das war schon gut, eines meiner besten Rennen überhaupt. Oder die verlorenen zehn Punkte in Portimao wegen eines technischen Defekts. Wir hatten Glück und Pech. Es wäre falsch, nur wegen des Nürburgrings mit dem Finger auf uns zu zeigen. Wir könnten besser dastehen, aber wir können dennoch zufrieden sein.
LAOLA1: Ist das Heimrennen in Spielberg mehr Druck und Belastung oder mehr Motivationsschub?
Bortolotti: Wir freuen uns sehr auf das Heimrennen für das Grasser-Team, das um die Ecke zuhause ist. Die Motivation ist sehr hoch. Ich sehe das pragmatisch, es ist egal, wo man an den Start geht, es gibt überall die gleichen Punkte zu holen. Wir müssen uns nur auf die Arbeit konzentrieren. Der Heimvorteil ist im Motorsport geringer als im Fußball.
LAOLA1: Wie stehen eure Chancen auf dem Red Bull Ring?
Bortolotti: In der Vergangenheit waren unsere Auftritte hier sehr gut. Wir schafften 2015 den ersten Sieg im GT Masters im Huracan, im Vorjahr holte ich die Pole und wurde Zweiter. Ich habe auch aus meinen Singleseater-Zeiten gute Erinnerungen an den Ring. Die DTM hat eigene Regeln, wir haben am Wochenende das zweitschwerste Auto, und die Geraden sind auch nicht unsere Stärke. Wir sind also auf dem Papier keine Favoriten, aber wir glauben an unsere Chance und werden kämpfen.
"Rufen wir unser Potenzial ab, können wir jeden schlagen"
"Ich konzentriere mich auf mich selbst und unsere Teamarbeit. Wenn wir unser Potenzial abrufen, können wir jeden schlagen. Das ist mein Ziel."
LAOLA1: Grasser ist neu in der Serie und stellt gleich vier Autos. Ist das ein Vorteil beim Datenabgleich oder zu viel Aufwand, der zu Verzettelung führen kann?
Bortolotti: Ich denke, das hat bisher recht gut funktioniert. Es hat Vorteile, weil wir bei wenig Trainingszeit mehr lernen können. Rolf (Ineichen) und Clemens (Schmid) sind erfahrene Lambo-Piloten, Alessio (Deledda) muss sich erst im GT-Sport zurechtfinden, entwickelt sich aber gut. Ich sehe uns gut aufgestellt und vier Autos daher als Vorteil.
LAOLA1: Was erwartest du vom Rest der Saison? Wer ist Favorit?
Bortolotti: Ich konzentriere mich auf mich selbst und unsere Teamarbeit. Wenn wir unser Potenzial abrufen könne, können wir jeden schlagen. Das ist mein Ziel.
LAOLA1: Ist schon fix, dass Grasser auch 2023 DTM fährt?
Bortolotti: Das ist noch nicht fixiert. Ich rechne persönlich mit allem und gar nichts….
"Bin zu 100 Prozent im LMDh-Projekt verwickelt"
LAOLA1: Inwieweit bist du in die Entwicklung des neuen Prototypen für die Langstrecke bei Lamborghini eingebunden?
Bortolotti: Zu 100 Prozent. Mehr kann ich noch nicht sagen. Das Auto ist ja noch nicht fertig. Ich freue mich auf die physische Arbeit mit dem Auto.
LAOLA1: Wann wird es fertig sein für erste Tests?
Bortolotti: Die werden sich heuer nicht mehr ausgehen. Anfang 2023 sollte es soweit sein. Das Renndebüt wird 2024 sein.
LAOLA1: In IMSA und WEC?
Bortolotti: Derzeit ist das Ziel schon, in beiden großen Serien anzutreten.
LAOLA1: Wie kann man sich deine Mitarbeit vorstellen? Musst du laufend nach Sant'Agata kommen oder geht das online von zuhause?
Bortolotti: Meine Rennsaison läuft ja noch und ist das Hauptaugenmerk. Neben der Entwicklung des LMDh haben wir ja auch noch den Aufbau des neuen GT3-Autos zu bewältigen, das schon nonstop in der Entwicklung läuft. Da war ich auch stark involviert. Ich bin sowohl vor Ort als auch online dabei.
LAOLA1: Du hattest eine starke Singleseater-Karriere und konntest Formel-1-Tests mit Ferrari, Toro Rosso und Williams absolvieren. Was war der Knackpunkt, dass es mit der Formel 1 nicht klappte?
Bortolotti: Ich würde nicht sagen, dass etwas schiefgelaufen ist, im Gegenteil, es lief verdammt gut. Denn sonst wäre ich jetzt nicht Lamborghini-Werkfahrer und könnte nicht auf diesem Niveau im GT-Sport fahren. Wir haben viel aufgebaut. Die Erfahrungen daraus machten mich zu dem, der ich jetzt bin. Eine Karriere in der Formel 1 ist eine Sache, eine Karriere als solche eine andere. Die Bezeichnung "Profi" ist leicht verwendet, aber es bedeutet etwas, Profi zu sein. Ich freue mich über das, was ich jetzt habe.