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Coulthard: "Maßnahmen in F1 wirken merkwürdig"

David Coulthard ortet im LAOLA1-Interview auch eine Diskriminierung durch Interviews mit Maske:

Coulthard: Foto: © getty

David Coulthard fiel beim ersten Saison-(Geister-)Rennen eine neue Diskriminierung auf. Er traut Alex Albon eine erfolgreiche Zukunft und Fernando Alonso ein tolles Comeback 2021 zu, würde ihn gern schon früher im F1-Cockpit sehen.

Wie viele andere ehemalige Formel-1-Piloten wurde auch Coulthard TV-Kommentator (Channel 4 UK). Der Vizeweltmeister von 2001 und 13-fache GP-Sieger versteht die aktuellen Corona-Maßnahmen aber nicht ganz.

Warum, sagt er im LAOLA1-Interview vor dem Grand Prix der Steiermark am Sonntag in Spielberg, wo der 49-jährige Schotte 2001 für McLaren-Mercedes siegte.

LAOLA1: Was sagst Du zum ersten „Geisterrennen“ der Formel 1 und der Umsetzung des Corona-Protokolls?

Coulthard: Ich war nicht in Spielberg, aber – Pardon - der ganze Auftritt erschien mir aus der Perspektive des TV-Kommentators doch ein wenig merkwürdig. Distanzhalten ist schon gut, aber die Fahrer mit Masken im Freien zu interviewen, wenn der Fragende ohnedies genügend Abstand von mehr als zwei Metern hält, fand ich übertrieben. Aber ich will die Maßnahme nicht kritisieren, die Entscheidung trafen die Behörden, die FIA und das F1-Management. Wenn jedermann in der Öffentlichkeit sich ohne Maske näher an den Mitmenschen bewegen kann, dann wäre das wohl auch bei den Fahrern möglich gewesen. Jeder Politiker, der im Fernsehen interviewt wird, trägt keinen Mund-Nasen-Schutz. Aber ich halte die Maßnahme auch in dieser Zeit, in der es so gegen Diskriminierung geht, für bedenklich…

LAOLA1: Warum?

Coulthard: Weil gehörlose Mitmenschen beeinträchtigt werden. Sie verstehen, wenn sie von den Lippen anderer ablesen. Das wird ihnen durch die Maske der Fahrer verwehrt. Da hätte es schriftliche Einblendungen geben müssen, was aber bei Live-Interviews natürlich nicht funktioniert. Aber es war insgesamt eine Diskriminierung tauber Menschen.

LAOLA1: Was hat Dich im ersten Rennen überrascht?

Coulthard: Die Leistung von Ferrari, die schlechter als von vielen erwartet war. Da gewinnt zum Beispiel Racing Point 0,9 Sekunden pro Runde im Vergleich zu 2019, und Ferrari verliert fast genau so viel. Und dann muss man sich noch den Budgetunterschied zwischen diesen Teams vor Augen halten! Es erinnert mich an Toro Rosso 2008 im Regen von Monza, als Vettel mit einem Ferrari-Motor einen Sensationssieg landen konnte. Das wollen die Fans sehen. Aber wir müssen auch einsehen: Die Formel 1 war nie perfekt. Es geht auf und ab.

LAOLA1: Wie siehst Du, der enge Beziehungen sowohl zu Mercedes als auch zu Red Bull hat, den Zwischenfall zwischen Hamilton und Albon am vergangenen Wochenende? Und die Rivalität Mercedes-Red Bull allgemein?

Coulthard: Rivalität ist immer gut. Mercedes war ist das dominierende Team der vergangenen Jahre, aber Red Bull hat sich konstant verbessert und liefert Leistungen auf gleichem Niveau. Meine Beurteilung des Zwischenfalls: Es war ein normaler Rennunfall. Weil ich diese schwierige Kurve aus der Sicht des Piloten kenne. Die Analyse von außen ergibt, dass Lewis Alex, der schon vorn war, nicht genug Platz ließ. Als Fahrer weißt du, dass du in dieser Kurve nach außen gezogen wirst, du kannst nicht zum Apex nach innen lenken, weil sie abfällt. Ich hätte auf „racing incident“ entschieden, aber ich verstehe auch Alex‘ Position, dass er sich benachteiligt fühlte. Am Ende zählt aber, was die Kommissäre entscheiden. Man muss die Fünfsekundenstrafe der „Schiedsrichter“ akzeptieren.

LAOLA1: Wäre Albon vorbeigekommen, wäre es wohl das Überholmanöver der Saison geworden – außen gegen den Weltmeister?

Coulthard: Absolut, ein unglaublich brillanter Move. Was ich sehe, ist, dass Alex die Fähigkeiten von Lewis und Max (Verstappen) schon zeitweise erreicht. Obwohl Alex in seiner kurzen F1-Zeit noch immer ein Lernender ist, Max aber ist schon etabliert, man erwartet viel von ihm. Aber Alex‘ Leistungen in Brasilien 2019 und jetzt zeigen klar, dass er die Grundlagen hat, ein konstanter Spitzenfahrer in der Formel 1 zu werden.

LAOLA1: Renault gab diese Woche Fernando Alonsos Rückkehr in die Formel 1 2021 bekannt. Was traust Du ihm zu?

Coulthard: Ich kann nicht sagen, wie konkurrenzfähig Renault sein wird, aber ich kann sagen, wenn ein Fahrer die Fähigkeiten hat, Topleistung nach einigen Jahren Absenz zu bieten, dann ist es wohl Fernando. Er war immer unglaublich schnell, er hat nichts von seinem Speed verloren, er gibt nie klein bei. Er ist kompromisslos. Es gab zwar immer, wenn er ein Team verließ, eine Art Kontroverse, aber er spürt immer noch das Verlangen nach Erfolg, und er hat die Rückkehr aus finanziellen Gründen nicht nötig! Er ist hungrig, deshalb kommt er zurück. Und er wird einen riesigen Effekt auf die Motivation des ganzen Renault-Teams haben. Ich weiß nicht, ob das aus Vertragsgründen mit Ricciardo und Ocon möglich wäre, aber ich würde wie viele Fernando gern schon heuer in Freitag-Trainings sehen. Das wäre sehr interessant.

LAOLA1: Was meinst Du zur Entwicklung Deines Ex-Teams McLaren und Lando Norris‘ Überraschungspodium?

Coulthard: Es ist gut, dieses Team wieder auf dem Vormarsch zu sehen. Klar haben Norris und McLaren von den Umständen – das Aus der Red Bulls, Ferraris Schwäche – profitiert. Aber es ist immer wieder überraschend, wie schnell man plötzlich auf dem Podium landen kann. McLaren hat sich nach der schwierigen Zeit diesen Erfolg durch harte Arbeit verdient. So etwas ist immer immens wichtig.

LAOLA1: Wie und wo siehst Du die Zukunft von Sebastian Vettel?

Coulthard: Es gibt keinen freien Platz für ihn in einem der Topteams. Ich hätte ihn mir bei Aston Martin (derzeit Racing Point, Anm.) vorstellen können. Er könnte dort Aufbauarbeit leisten. Aber wenn Racing Point heuer die erwartet starken Leistungen zeigt, gibt es keinen Grund, die Fahrer zu wechseln.

LAOLA1: Die ja beide, Stroll und Pérez, langfristige Verträge haben…

Coulthard (schmunzelt): Ja, ja, Verträge… sind Verträge. Die einzig realistische Option für Sebastian ist wohl, 2021 auszusitzen oder einfach nach einer brillanten Karriere mit vier WM-Titeln zu akzeptierten, dass das Leben nach der Formel 1 weitergeht…

LAOLA1: Glaubst Du, dass wir heuer noch Rennen mit Zuschauern erleben werden?

Coulthard: Ich möchte glauben: Ja. Mit den gleichen Schutzmaßnahmen wie im Fahrerlager kann man auch Menschen auf den Tribünen haben. In Flugzeugen oder Zügen geht es viel enger zu als auf einer Tribüne im Freien, wo man Abstand halten kann.

LAOLA1: Ist die Zukunft der Formel 1 nach Einführung des Budgetlimits der Teams gesichert?

Coulthard: Ich mache mir da keine Sorgen. Aber jeder weiß, dass es einmal ein Ende gibt. Davor soll man das Beste daraus machen. Das Leben ist eine Reise, und für manche war die Formel 1 in den vergangenen 70 Jahren ein Teil der Reise. Die Formel 1 wird sich weiterentwickeln, wird die schnellste Rennserie bleiben und wird weiter ein Massenpublikum genauso wie Techniker anziehen. Die Menschen lieben jede Form von Wettbewerb, deshalb mache ich mir keine Sorgen um die Formel 1, auch wenn sie sich ständig verändert wird. Teams kommen und gehen. Und Menschen werden dafür zahlen, die Besten zu erleben. Aber niemand ist gezwungen, ein F1-Team zu führen.

LAOLA1: Ab 2021 wird ServusTV erstmals (gemeinsam mit dem ORF) die Formel 1 in Österreich übertragen. Hast Du einen Exklusivvertrag mit Channel 4 oder könntest Du für den Sender aus dem Haus Red Bull tätig werden?

Coulthard: Mein Kommentatorvertrag ist exklusiv mit Channel 4, aber ich kann Interviews für jede andere Station geben. Man muss es so sehen: Alles, was der Bewerbung des Sports hilft, ist gut für den Sport.

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