Als Teamchef eines Rennstalls abseits der Siegchancen ist es ungewöhnlich, Popularität als Person aufzubauen. Günther Steiner ist das eher ungewollt passiert.
Als eines der Gesichter der Netflix-Serie "Drive to Survive" rund um die Formel 1 hat es der charaktervolle Südtiroler zu hoher Beliebtheit geschafft, manch ein Sager - und so manche Schimpftirade im Fall des Misserfolgs - hat bei den Fans Kultstatus. Dass sich der 58-Jährige kein Blatt vor den Mund nimmt, trägt auch dazu bei.
Spaß macht der Job als Boss des kleinsten Teams bestimmt nicht immer, umgekehrt werden auch kleine Erfolge zur großen Sache.
Im LAOLA1-Interview in Spielberg spricht Steiner auch über die Entscheidung, Mick Schumacher zu ersetzen, Chancen für die Zukunft und persönliche Pläne.
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LAOLA1: Österreich war in den letzten Jahren immer wieder ein Ort, an dem Haas gute Ergebnisse einfahren konnte. Gibt es bestimmte Gründe dafür?
Günther Steiner: Wenn wir die wüssten, würden wir es bei allen Rennen installieren. Nein, das Auto war hier eben manchmal sehr gut. 2018 sind wir Vierter und Fünfter geworden. Letztes Jahr Sechster und Achter. Aber wir waren auch schon schlecht hier. Ich weiß es nicht, vielleicht gefällt dem Auto die Steirerluft (lacht).
LAOLA1: Das Aus von Mick Schumacher zugunsten von Nico Hülkenberg wurde vor der Saison heiß diskutiert. Mit einem Zwischenfazit nach acht Rennen war es wohl keine völlig falsche Enscheidung.
Steiner: Ja! Wir wachsen als Team einfach schneller. Es ging nicht nur um das fahrerische Können, sondern auch um diese Erfahrung, die das Team weiterbringt. Nico hat die Erfahrung, die man nur mit Zeit machen kann. Und Mick hatte einfach nur zwei Jahre, und die waren mit uns. Nico ist hingegen für mehrere Teams in seiner Karriere gefahren, hat die Erfahrung auch in den Teams im Mittelfeld. Die Resultate sind noch nicht das, was wir wollen, aber wir gehen die Probleme sehr gut an. Nico ist ein großer Teil der Problemlösung.
LAOLA1: Das erste Halbjahr 2022 war ein sehr gutes. Nach der Sommerpause ist es bergab gegangen. Auch das erste Halbjahr 2023 war nicht berauschend. Der "Cost Cap" sollte eigentlich dafür sorgen, dass die Kräfteverhältnisse zusammenrücken, aber die Formel 1 ist schnelllebig geblieben. Warum ist das trotzdem der Fall, obwohl die Teams weniger entwickeln können?
"Schätzen wir nur die alten Rennfans? Ich schätze sie, absolut. Aber für die ist immer noch das Rennen da, das wie früher das Rennen ist. Wenn einem etwas nicht gefällt, kann man dazu eine Meinung haben, aber muss es ja nicht anschauen. Millionen anderen gefällt es so."
Steiner: Es geht nicht um regelmäßige Entwicklungen. Es gibt mehr Punkte, die hineinspielen. Der Cost Cap braucht ein bisschen Zeit, bis er greift. Aber er wirkt schon jetzt, wenn man sieht, wie eng es unter den Teams vom fünften zum zehnten Platz ist. Kein Team ist noch ein Hinterbänkler. Alle können Punkte holen, alle haben schon Punkte geholt. Das ist dank des Cost Caps so. Red Bull Racing hat im Moment einen Vorsprung. Ich glaube, selbst der wird durch die Budgetgrenze wieder kleiner werden. Wenn wir uns erwarten, dass wir in die Situation kommen, dass im Rennen jedes der zehn Teams gewinnen kann… das wird in der Formel 1 nie passieren. Das passiert in wenigen Motorsportarten. Was ich glaube, dass sich ändern kann: Wie sich das Feld jedes Jahr aufteilt. Wenn du probierst, die Weltmeisterschaft zu gewinnen, investierst du alles in das Jahr und konzentrierst dich nicht so viel auf das nächste. Wenn der Cost Cap erst richtig gegriffen hat und es einem Team egal ist, Fünfter oder Siebter zu werden und es sich stattdessen auf die Zukunft konzentiert, kann sich alles schnell ändern. Deswegen glaube ich schon, dass die Budgetgrenze greift. Und dass sie eine gute Sache ist. Unsere jetzigen Auf und Abs sind nicht auf ihn zurückzuführen.
LAOLA1: Gefühlt die Hälfte des Feldes hat einen Fünfjahresplan, an dessen Ende der Weltmeistertitel stehen soll. Bei Haas ist es jedes Jahr ein Überlebenskampf. Gibt es einen Fünfjahresplan? Falls ja, wo soll er hinführen?
Steiner: Auch das stimmt nicht mehr ganz. Wir kämpfen nicht mehr jedes Jahr ums Überleben. Man muss bedenken: Wir sind immer noch das jüngste Team und haben andere, die schon sehr lange da sind, hinter uns gelassen. Ums Überleben haben wir vielleicht 2020, 2021 gekämpft, aber jetzt sind wir in einer guten Position. Überlebt haben wir. Wir müssen einfach aufbauen. Dafür haben wir auch Nico geholt. Um stärker zu werden. Logisch wären auch wir in fünf Jahren gerne Weltmeister. Aber wenn das jeder sagt, haben wir zehn Weltmeister. Und neun werden es nicht. Deswegen wären solche Ansagen sinnlos. Man muss realistische Ziele setzen, wir wollen zuerst einmal auf das Podium kommen.
LAOLA1: Marken möchten in der Formel 1 ihre Bekanntheit steigern. Was möchte Gene Haas mit seinem Engagement erreichen?
Steiner: Auch er will natürlich seine Marke in die Welt bringen. "Haas Automation" war früher global wenig bekannt, obwohl in den USA 50 Prozent des Maschinentool-Marktes beherrscht werden. Aber Gene ist auch einfach ein riesiger Rennfan. Ihm gefällt das. Er hat eines von nur zehn Teams und ist der einzige, der übriggeblieben ist, dem es allein gehört. Keinem Konzern, keiner Investmentfirma, sondern einer Person. Ist doch auch ganz schön, wenn man sich im Leben einfach so etwas leisten kann.
"Jeder kennt dich, man ist nicht mehr so frei wie früher, ist ein bisschen vorsichtiger. Ich sage den Fans auch ungern "Nein". Daher gehe ich vielleicht ein bisschen weniger aus."
LAOLA1: Kann Haas als einziges US-Team vom Boom in den USA überproportional profitieren?
Steiner: Wir können ein bisschen mehr als die anderen profitieren. Aber nicht großartig. Die Formel 1 ist ein globaler Sport. Die Nationalität eines Teams zählt hier weniger als in anderen Sportarten. Das Team mit dem größten Nationalstolz ist Ferrari. Sie haben einen Teamchef aus Frankreich, einen Fahrer aus Monaco und einen aus Spanien. Logisch: Wir haben in den USA schon eine gewisse Menge an Fans, weil wir amerikanisch sind. Aber von dem allein könnten wir in der Formel 1 nicht leben.
LAOLA1: Es drängen immer mehr große Werke in die "zukünftige" Formel 1 ab 2026. Ist es als Privatteam die größte Chance, sich einen gewichtigen Partner zu angeln?
Steiner: Es hat alles Vor- und Nachteile. Man darf die Vergangenheit nicht vergessen. In den 2000er-Jahren hatten wir alle großen Hersteller da, BMW, Honda, Toyota. Wo waren die, als die Wirtschaftskrise kam? Daher ist es manchmal besser, unabhängig zu bleiben. Alle Hersteller wollen fünf Jahre nach ihrem Einstieg Weltmeister sein. Nicht alle werden es. Wenn die weggehen und du hast zu viele Verbindungen, bist abhängig, dann stehst du im Regen. Manchmal wäre es schön, würden viele unserer Probleme weggehen, aber es kommen andere. Eine ideale Situation gibt es in der Formel 1 nie.
LAOLA1: Als kleinerer "Player" hat man aber definitiv weniger Einfluss auf zukünftige Ausrichtungen des Sports.
Steiner: Es geht ja nicht nur darum, wie groß man ist, sondern wie viel man zur Formel 1 beiträgt. Und da tun wir als kleine Teams auch genug. Unsere Leute sind ja nicht blöder als jene in den großen Teams. Deswegen wird da schon demokratisch gearbeitet. Das Reglement ist jetzt schon ziemlich fair.
LAOLA1: Durch Liberty Media hat ein höherer Showfaktor Einzug gehalten, wie sich in Österreich durch das nächste Sprint-Wochenende veranschaulichen lässt. Eine gute Entwicklung?
Steiner: Der Show-Faktor ist gut. Wir müssen darüber nachdenken: Warum haben wir das nicht schon früher gemacht? Wo wären wir dann jetzt schon? Wir haben nächstes Jahr 24 Rennen. Angenommen, jedes wäre wie das andere. Wo wäre der Sport? Nirgendwo. Man muss sich den Zeiten anpassen. Wir konsumieren mehr an News, an Entertainment, es gibt mehr Inhalte. Jedes Rennen hat einen anderen "Effekt", sonst wäre das Interesse nicht so groß. Niemand würde sonst 24 Grand Prix ansehen. Sechs Sprintrennen, Miami, Las Vegas, Monaco – immer ist etwas anders. Das ist einfaches Marketing. Man sieht ja, wo der Zuschauerzuwachs kommt: Bei den jungen Leuten. Wenn wir einfach weiter nur die immer gleichen Autorennen fahren, würden die nicht kommen. Letztes Jahr hatten wir an allen Strecken zusammen fast sechs Millionen Zuschauer. Das ist ja eine Wahnsinnszahl. Aber die kommt nur durch diese Verschiedenheiten, das Mischen der Kulturen und Schauplätze zustande. Das Intro in Miami, die Show, die Vorstellung der Fahrer, das hat bestimmt nicht jedem gefallen. Aber wir können nicht verlangen, dass immer alles allen gefällt. Schätzen wir nur die alten Rennfans? Ich schätze sie, absolut. Aber für die ist immer noch das Rennen da, das wie früher das Rennen ist. Wenn einem etwas nicht gefällt, kann man dazu eine Meinung haben, aber muss es ja nicht anschauen. Millionen anderen gefällt es so, darum kann ich denen doch nicht den Tag versauen.
LAOLA1: Als Teamchef steht man normalerweise eher im Hintergrund, um ihre Person gibt es dank "Drive to Survive" einen Rummel. Wie gehen Sie privat damit um? Was können Sie daran genießen, was ist doch lästig?
Steiner: Ich habe mich privat nicht geändert. Ich mache immer noch, was ich immer gemacht habe, bin als Mensch immer noch, wie ich immer war. Klar: Am Rennwochenende muss man jetzt manchmal überlegen, ob ich ins Restaurant gehe, denn es ist schwierig. Jeder kennt dich, man ist nicht mehr so frei wie früher, ist ein bisschen vorsichtiger. Ich sage den Fans auch ungern "Nein". Daher gehe ich vielleicht ein bisschen weniger aus. Aber es gibt positive Seiten. Für das Team war es gut. Wir sind das jüngste und kleinste Team, haben aber eine gute Fanbasis. Viele Leute lieben einen Underdog. Das hat sich gut entwickelt.
LAOLA1: Sie sind schon lange im Business. Wie hat sich das Umfeld in den letzten 20 Jahren geändert? Ist der Druck größer geworden?
Steiner: Eigentlich ist der Druck für mich persönlich sogar weniger geworden. Man gewöhnt sich an Druck, er ist normal geworden. Ich bin jetzt auch schon in einem Alter, in dem ich das alles nicht mehr unbedingt brauchen würde. Als Junger will man mehr beweisen. Ich will immer noch etwas beweisen, aber es ist keine Überlebensfrage mehr. Ich will ein erfolgreiches Team leiten, aber um den Rest mache ich mir weniger Sorgen als früher.
LAOLA1: Sie sind jetzt 58 Jahre alt. Ein Helmut Marko ist mit 80 noch voll im Geschäft. Hält die Formel 1 jung? Wie lange haben Sie vor, dabeizubleiben?
Steiner: Bis 80 bleibe ich nicht, glaube ich. Die Umstände müssen passen, die Gesundheit etwa. Ich habe nicht auf alles Einfluss, da gibt es höhere Kräfte. Ich setze mir kein Ziel, a la: ich muss bis 70 oder 80 in der Formel 1 bleiben. Ich für mich muss eigentlich überhaupt nichts mehr. Wenn es mir gefällt, bleibe ich. An jenem Tag, an dem ich die Motivation, an die Rennstrecke zu kommen, nicht mehr spüre, höre ich auf.
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