Was haben die Formel-1-Teamchefs Otmar Szafnauer (Alpine), Fred Vasseur (Alfa Romeo Sauber), Günther Steiner (Haas) und Jost Capito (Williams) gemeinsam? Die Möglichkeit, noch einen Stammfahrer für 2023 zu verpflichten.
Theoretisch zumindest. Bei Alfa wird wohl Zhou Guanyu neben Valtteri Bottas ein zweites Jahr bekommen, auch wenn dies noch nicht offiziell gemacht wurde. Für die drei restlichen Plätze umfasst die Kandidaten- bzw. Spekulationsliste Pierre Gasly (wird an Alpine von AlphaTauri nur freigegeben, wenn das zweite Red-Bull-Team interessanten und attraktiven Ersatz findet), Daniel Ricciardo, Mick Schumacher, Nyck de Vries, Jack Doohan (der in der F2 erfolgreiche Sohn von Motorrad-Champ Mick Doohan), Antonio Giovinazzi und auch Edelreservist Nico Hülkenberg.
Monza-Sensationsdebütant de Vries – der bewies, dass Formel-E-Stars doch auch F1 können – hat eine eindrucksvolle Bewerbung bei Williams abgegeben, aber auch das Interesse von Alpine (wenn man Gasly nicht bekommt) geweckt.
Nicholas Latifi wird trotz der Millionenmitgift seines Vaters wohl out sein. Und mittlerweile hat sogar Helmut Marko beim Niederländer, dem F2-Meister 2019 und Formel E-Champion 2021, „vorgefühlt“, wie de Vries selbst bestätigte. Der von Red Bull forcierte 22-jährige US-Amerikaner Colton Herta wird vom Indycar-Team Michael Andrettis nicht zu AlphaTauri wechseln, weil er keine Chance auf eine Superlizenz der FIA hat.
Schlecht sieht es für den achtfachen GP-Sieger Ricciardo wegen seiner derzeitigen Form aus, wie auch Haas-Boss Steiner im LAOLA1-Interview bestätigt. Der 57-jährige Meraner war Technikchef bei Ford in der Rallye-WM, bei Jaguar in der F1, bei Opel in der DTM und bei Red Bull im neuen NASCAR-Team tätig.
Nach Jahren als Selbständiger in der NASCAR-„Hauptstadt“ Mooresville/North Carolina kam Steiner (mittlerweile auch US-Staatsbürger) zum Team von Maschinenfabrikanten Gene Haas, für den er ab 2014 das Formel-1-Team in Zusammenarbeit mit Ferrari aufbaute und es seither leitet.
LAOLA1: 2021 null Punkte, heuer bisher 34 und Platz sieben unter den Konstrukteuren statt Letzter - was ist seit dem Vorjahr passiert?
Günther Steiner: Da muss man weiter zurück gehen, bis 2020, als die Pandemie ausbrach und wir alles stoppten. Wir entwickelten nichts mehr, und das kannst du nicht mehr aufholen. Es kam zur weiteren Verpflichtung des Teams, für fünf Jahre in der Formel 1 zu bleiben. Wir entschieden, dass wir das Auto für 2021 den Regeln anpassen, aber nicht entwickeln und so bald wie möglich alles auf das 2022er-Auto ausrichten. Das war schwierig, weil wir durch Covid 80 Leute aus den Verträgen entließen. 2021 konnten wir mit 30 Ferrari-Mitarbeitern aufstocken, die dort wegen des Budgetlimits gefährdet waren. Damit war eine Basisgruppe wieder da. Jetzt haben wir rund 100 Mitarbeiter, die in Maranello werken. Den Aufbau mit dem neuen Auto für 2022 haben wir teilweise gut bewältigt.
LAOLA1: Welche Ziele hat Haas F1 für den Rest der Saison, was ist noch möglich?
Steiner: Das Halten des siebenten Platzes in der Konstrukteurs-WM. Im hinteren Mittelfeld geht es ziemlich eng zu zwischen uns, AlphaTauri, Alfa Romeo, Aston Martin. Großartiges Neues kommt bei uns nicht mehr, wir arbeiten schon am Auto für 2023.
LAOLA1: Das führt zur Fahrerfrage für die nächste Saison. Wer wird Teamkollege des bestätigten Kevin Magnussen?
"Der Budgetdeckel wird erst in drei bis fünf Jahren richtig wirksam, da kommen die Teams einander näher. Auf wirklich gleichem Niveau wären die Großen dann anfechtbar. Mit einem guten Job ist der eine oder andere der Großen einholbar."
Steiner: Der ist noch nicht entschieden. Wir sind am überlegen, was das Beste für die Entwicklung des Teams ist. Schauen wir nur auf die Technik oder auch das fahrerische Element? Ich sage ehrlich, wir wissen nicht, ob Mick (Schumacher) bleiben wird oder nicht. Er hat in Kanada, England und Österreich sehr gute Rennen geliefert. Ihm fehlt aber die Konstanz, er müsste öfters starke Leistungen bringen. Wir haben es in der Fahrerfrage nicht eilig, und Mick hat noch Chancen zu zeigen, was er kann.
LAOLA1: In Deutschland wird auch über ein Comeback von Nico Hülkenberg spekuliert. Ist er ein Thema?
Steiner: Ich habe mit den meisten in Frage kommenden Fahrern gesprochen, das ist ja auch mein Job. Es gibt noch nichts Konkretes. Wir möchten jedenfalls nur das kleinste Risiko für die Entwicklung des Teams eingehen. Man kann großes Risiko nehmen, was super ist, wenn es aufgeht, aber schlecht, wenn es nicht passt.
LAOLA1: Das würde für einen erfahrenen Piloten mit gutem technischen Feedback sprechen?
Steiner: Das würde es. Aber es gibt ja niemanden von denen, die heuer fahren, auf dem Markt. Außer Danny (Ricciardo) vielleicht. Seine Form ist nicht großartig derzeit, und wir wissen nicht, was er vorhat. Vielleicht setzt er ein Jahr aus. Ich spreche wie gesagt mit allen.
LAOLA1: Für wie lang ist die Kooperation mit Ferrari fixiert?
Steiner: Üblich sind Verträge über drei Jahre. Nächstes Jahr steht wieder eine Verlängerung an.
LAOLA1: Wie viele Mitarbeiter beschäftigt ihr aktuell?
Steiner: In Banbury etwa 80, 100 in Maranello, und etwa 25 in den USA in Kannapolis. Ich bin der Einzige, der öfters hin- und herfliegt...
LAOLA1: Wo siehst Du das Team mittel- bis langfristig?
Steiner: Wir machen Fortschritte, die könnten 2023 eine Verbesserung um ein, zwei Positionen bringen. Der Budgetdeckel wird erst in drei bis fünf Jahren richtig wirksam, da kommen die Teams einander näher. Auf wirklich gleichem Niveau wären die Großen dann anfechtbar. Mit einem guten Job ist der eine oder andere der Großen einholbar. Es wird jedenfalls enger.
LAOLA1: Ist das neue Antriebsreglement ab 2026 für Haas F1 gut?
Steiner: Was Antrieb betrifft, entscheidet Ferrari allein. Da haben wir kein Wahlrecht.
LAOLA1: Die Zusammenarbeit mit Ferrari ist einzementiert?
Steiner: Im Moment ja, die ist alternativlos.
LAOLA1: Welche Bedeutung gewann Haas F1 in den USA? Wird das Team dort wahrgenommen?
Steiner: Ich meine, wenn man von Haas im Motorsport in den USA spricht, meint man die Formel 1 und nicht NASCAR. Der US-Markt wächst für die Formel 1 durch die Kombination von Netflix und mehr Rennen. Die Amerikaner haben nicht nur die Formel 1, sondern auch ein amerikanisches Team dort "entdeckt".
LAOLA1: Wie sieht ein Budgetvergleich zwischen den Haas-Teams aus? Gut, im NASCAR-Cup setzt Stewart-Haas ja vier Autos ein...
Steiner: Das NASCAR-Budget ist deutlich niedriger als das der F1-Mannschaft.
LAOLA1: Wie ist die aktuelle Lage in Sachen der Klage der Mazepin-Familie gegen Haas F1?
Steiner: Die ist eingebracht und wird von unseren Anwälten behandelt. Das Schiedsgericht sitzt in der Schweiz.
LAOLA1: Den Entfall der Sponsorgelder von Uralkali kann Haas F1 verkraften?
Steiner: Ja, kein Problem.
LAOLA1: Hat Dich das Scheitern der Pläne von Porsche und Red Bull überrascht?
Steiner: Meine persönliche Meinung ist, dass hier zwei Alpha-Firmen aufeinandertrafen. Und das ist immer schwierig. Bei 50:50 muss einer der Chef sein... Es hätte eine Pattstellung gegeben, die Probleme gemacht hätte. Es ist ja noch nicht gesagt, dass Porsche nicht doch in die F1 kommt. Aber da muss man eine neue Idee finden.