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Wolff: "Red Bull wird doppelte Herausforderung"

Interview - wie Motivation bei Mercedes oben bleibt. Wer wie stark sein wird:

Wolff: Foto: © GEPA

Rund einen Monat vor dem Saisonstart der Formel 1 am 28. März in Bahrain ist bei Weltmeister-Chef Toto Wolff auch Psychologie und Motivationskunst gefragt.

Denn nach sieben Fahrer- und Konstrukteurs-Titeln in Folge könnte ein "Ausruhen" der erfolgsverwöhnten Mercedes-Mannschaft aus Brackley wohl höchst unangenehme Folgen haben.

Im Interview mit LAOLA1 spricht der 49-jährige Wiener über die Lage in seinem Team, die Rivalen und seine persönliche Zukunft auch als 30-Prozent-Miteigentümer des Rennstalls:

LAOLA1: Wie motiviert man eine Mannschaft nach sieben Mal zwei WM-Titeln wieder neu? Wie verhindert man, dass in einer solchen Serie alles als gegeben angesehen wird?

Toto Wolff: Das ist einer der schwierigsten Aspekte. Den Anspruch auf einen Titel zu stellen wäre der völlig falsche Ansatz. Die Einstellung, dass man als Sieger gesetzt ist, ist ganz gefährlich. Darum muss man dagegen steuern, muss sich neu motivieren, Ziele setzen, die jeder versteht und für sich als neue Motivation sieht. Du kannst das schnell mit Powerpoint präsentieren und erklären, aber es muss sich jeder verinnerlichen.

LAOLA1: Was hat Mercedes am nahezu perfekten Auto von 2020 verbessert? Das vor einem Jahr so diskutierte System "DAS" zur Sturzveränderung ist ja nicht mehr erlaubt.

Wolff: Einschneidend in der Technik ist die Veränderung am Unterboden, von dem ein Teil herausgeschnitten wird. Das erzwang ein Umdenken im gesamten Konzept. Deshalb können wir nicht ausschließen, dass Red Bull oder Aston Martin mit einer besseren Lösung auftauchen wird.

LAOLA1: Der Vertrag mit Rekordchampion Lewis Hamilton wurde nur um ein Jahr verlängert. Wessen Wunsch war das? Bedeutet das, dass Lewis im Fall eines achten Titels 2021 danach die Karriere beendet?

Wolff: Der Grund war schlicht Zeitmangel. Wir verhandelten erstmals erst knapp vor Weihnachten. Ein Mehrjahresvertrag ist komplexer als einer für eine Saison. Deshalb sagten wir, wir unterschreiben jetzt diesen Zettel für ein Jahr und sehen später weiter. Für nach 2021 ist derzeit für beide Seiten alles offen.

LAOLA1: Wie steht es um Deinen zweiten Fahrer Valtteri Bottas und um George Russell und Esteban Ocon, die von Mercedes verliehen sind?

Wolff: Ocon ist heuer im zweiten Jahr eines Zweijahresvertrags mit Renault bzw. Alpine, Russell hat noch dieses Jahr bei Williams. Deshalb gibt es einige Variationsmöglichkeiten für 2022, aber bis dahin gilt unsere volle Unterstützung Valtteri und Lewis. Ob es für 2022 zu einer Veränderung kommt, werden wir Mitte des Jahres evaluieren. Jetzt ist es sicher zu früh, über Szenarien für 2022 zu reden.

LAOLA1: Wie schätzt Du die Konkurrenz heuer ein? Beginnen wir einmal mit dem vielleicht interessantesten Kontrahenten Racing Point, aus dem Aston Martin wurde.

Wolff: Wenn man den Namen eines Automobilherstellers mit dieser großen Tradition trägt, muss man schon Ansprüche auf das Mitfahren ganz vorn haben. Das ist auch für die Formel 1 eine Aufwertung durch eine tolle Marke. Und für Sebastian Vettel und Partner Lance Stroll wird das ein erster Realitätscheck. Das wird spannend, Aston Martin zu beobachten.

Ferrari wird stärker sein als 2020, die Scuderia muss es einfach. Sie litt im Vorjahr unter einem schwachen Chassis. Ich gehe davon aus, dass dieser Fehler ausgebessert wird.

Wolff rechnet wieder mit Ferrari

LAOLA1: Red Bull mit Max Verstappen und Neuzugang Sergio Pérez?

Wolff: Eine ganz starke Kombination. Der Red Bull war Ende des vergangenen Jahres eigentlich das schnellste Auto, deshalb ist das Team heuer weit vorn im Favoritenkreis, gerade in der Konstrukteurswertung mit Fahrern dieses Kalibers. Red Bull wird so zur doppelten Herausforderung, also in beiden WM-Kategorien.

LAOLA1: McLaren hat jetzt Daniel Ricciardo, einen der besten Überholer, und ist seit Längerem im Aufwärtstrend. Ein Außenseiter mit Potenzial?

Wolff: McLaren wird für große Überraschungen gut sein. Ricciardo ist eine bekannte Größe. Von Lando Norris halte ich persönlich sehr viel.

LAOLA1: Und Ferrari?

Wolff: Da wird spannend sein, wie sich Carlos Sainz gegen Charles Leclerc schlägt. Ferrari wird stärker sein als 2020, die Scuderia muss es einfach. Sie litt im Vorjahr unter einem schwachen Chassis. Ich gehe davon aus, dass dieser Fehler ausgebessert wird.

LAOLA1: Was traust Du Rookie Mick Schumacher bei Haas zu?

Wolff: Mick muss man in Ruhe lassen, er hat ein Lernjahr vor sich. Er ist sicher eine Bereicherung für die Formel 1, aber man muss ihm Zeit geben, in diesem Umfeld Fuß zu fassen.

LAOLA1: Dann gibt es noch den Rückkehrer Fernando Alonso bei Alpine...

Wolff: Das interessante wird der Vergleich der ganz Jungen, Fast-noch-Teenager, mit den 40-Jährigen. Fernando ist einer der begabtesten Fahrer und einer der stärksten Kämpfer, der wird konkurrenzfähig sein. Der will zeigen, dass er es noch kann!

Ich bin ja Gesellschafter des Teams und das bleibe ich für immer, meine eigene Rolle darin macht mir viel Spaß, aber die ist nicht für ewig. Irgendwann werden jüngere und hungrigere Manager zum Zug kommen. Ich beobachte diese Situation und will das Team in eine optimale Position bringen.

Wolff über seine Zukunft

LAOLA1: Wie wird die zweite Saison unter Pandemieregeln ablaufen? Können alle Rennen durchgezogen werden, wird das Reisen funktionieren, dürfen die britischen Teams überhaupt aus dem Land und wieder zurück?

Wolff: Im Endeffekt ist das alles ein Schauen in die Glaskugel. Ich denke aber, dass sich dank des Durchimpfens in den meisten europäischen Ländern die Lage entspannen wird. Deshalb halte ich die Situation in zwei, drei Monaten für wesentlich besser als im vorigen Jahr. Dass alle Rennen an den geplanten Strecken stattfinden können, ist aber noch nicht sicher, Portugal und Brasilien sind aktuell auf der "roten Liste". Aber je mehr wir in der Saison sind, desto mehr rechne ich mit einer Entspannung der Situation. Für die britischen Teams gilt weiterhin die Ausnahme für Spitzensport mit einem strengen Protokoll, das wir auf Punkt und Beistrich erfüllen müssen, was wir auch tun. Und getestet wird der ganze Formel-1-Tross ohnehin alle drei Tage.

LAOLA1: Apropos impfen, wo wirst Du geimpft, in der Heimat Österreich, in der zweiten Heimat Schweiz oder im Arbeitsland UK?

Wolff: Ich komme vorerst nicht dran, weil ich mit Corona schon infiziert war und mich hinter so vielen anstellen muss, die es nötiger brauchen.

LAOLA1: Hast Du schon Klarheit über Deine persönliche Zukunft, wie lange wirst Du Mercedes-Motorsportchef und F1-Teamboss bleiben?

Wolff: Ich bin ja Gesellschafter des Teams und das bleibe ich für immer, meine eigene Rolle darin macht mir viel Spaß, aber die ist nicht für ewig. Irgendwann werden jüngere und hungrigere Manager zum Zug kommen. Ich beobachte diese Situation und will das Team in eine optimale Position bringen.

LAOLA1: Noch kurz zu Serien abseits der Formel 1. Mercedes-Privatteams scheinen in der neuen DTM von Gerhard Berger dabei zu sein?

Wolff: Man muss die Marke DTM unterstützen, denn wir haben da auch eine große Historie. Die Kombination Kundenteams mit professionellen Fahrern in einer professionellen Serie finde ich sehr gut. Ich gebe diesem neuen Format durchaus Chancen. Ich erwarte zwei Mercedes-Teams am Start, vielleicht auch drei, aber ich kann dazu nichts Offizielles sagen.

LAOLA1: Die Formel E startet am kommenden Wochenende in die Saison sieben, was erwartet sich Mercedes?

Wolff: Ian James und seine Truppe haben am Ende der vergangenen Saison in den Berlin-Rennen ein bis dahin mittelmäßig ausschauendes Jahr in ein erfolgreiches gedreht. Platz zwei in der Endwertung für Stoffel Vandoorne und drei für das Team waren ein toller Erfolg, der aber die Erwartungshaltung natürlich höherschraubt. Aber man darf daran nicht zerbrechen. Es war im ersten Jahr nicht zu erwarten, dass wir so weit vorn sind. In der Formel E kann an einem Wochenende von Totalausfall bis Triumph alles und schnell passieren. Wichtig ist, regelmäßig zu punkten, vor allem auch, wenn man in der "langsamen" Quali-Gruppe ist. Am Ende gewinnt der Konstanteste.

LAOLA1: Hat sich Mercedes längerfristig, auch für den Gen3-Autos, verpflichtet?

Wolff: Das wird Jahr für Jahr entschieden.

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