Saisonstart in die Formel 1!
Die "neue" Formel 1.
Neue Autos mit völlig veränderter Aerodynamik, "ground effect" wie in den 1980ern, neue 18-Zöller, insgesamt schwerere Boliden.
"Kein Fahrer mag diese Autos. Auf den Geraden hast du das Gefühl, sehr schnell zu sein. In langsamen Kurven sind sie schwierig zu manövrieren", lautete das ziemlich unterkühlte Resümee von Fernando Alonso nach den letzten drei Testtagen auf dem Bahrain International Circuit.
Dort, wo Sonntag (16:00 Uhr MEZ) das erste der 22 Rennen (so alle wie geplant stattfinden, es ist noch immer Pandemie – und Krieg) stattfinden wird.
War Red Bulls "wahres Gesicht" schon zu sehen?
Selten waren Tests so wenig aufschlussreich wie diesmal – wegen unterschiedlicher Konstruktionskonzepte, verschiedener Testprogramme und Reifen.
Gleich geblieben ist die alte Rivalität der WM-Favoriten, die dieselben sind wie bisher. Mercedes gegen Red Bull, das wird auch 2022 im Mittelpunkt stehen.
Die ersten Diskussionen löste das radikale Seitenkästen-Design (samt sonderbarer Rückspiegel) der Wieder-Silberpfeile aus. Red Bulls Teamchef Christian Horner dementierte umgehend ihm zugeschriebene Äußerungen, die die Legalität des Konzepts anzweifelten.
Bei Mercedes wurde spekuliert, Red Bull werde den RB18 für das erste Rennen noch massiv verändern – man habe also am letzten Testtag nicht das "wahre Gesicht" der Bullen gesehen, obwohl Weltmeister Max Verstappen in den Schlussminuten mit superweichen Pneus eine klare Bestzeit auf die Piste knallte – mit Reifen, die zuvor einen Dreher überstanden hatten.
Genauso wenig aufschlussreich war die Zeit von Lewis Hamilton – ebenfalls auf C5, also den superweichen – mit Platz 17 unter 18 Fahrern...
Während man bei Red Bull Sergio Pérez noch stärker erwartet (bzw. "Checo" noch schneller werden muss, vor allem im Quali), wird Mercedes-Aufsteiger George Russell auch viel beweisen müssen. Ob er Hamilton fordern kann oder an ihm zerbricht, darüber gehen die Meinungen weit auseinander.
Bisher wurde geblufft wie immer, wenigstens eine Konstante.
Ferrari stark - wird Ricciardo noch fit?
Es wird aber mit Sicherheit Spannungselemente neben der Dauerrivalität der Protagonisten geben.
Ferrari machte einen starken Eindruck. Wie immer in Vorsaisontests. Doch die Ära der "Vorstandszeiten" zur Beruhigung von Bossen und Sponsoren ist vorbei.
Für McLaren musste Lando Norris ein Mammutprogramm solo abspulen, weil Daniel Ricciardo in Covid-Quarantäne musste. Ob er länger ausfällt oder für das Auftaktrennen fit wird, ist derzeit noch offen. Interessant: Als Reserve steht in Bahrain für Mercedes und McLaren (mit Mercedes-Antrieb) Formel-E-Champion Nyck de Vries bereit.
Und Teamchef Andreas Seidl einigte sich mit Alpine-Neuchef Otmar Szafnauer, dass die Briten auch auf Rookie Oscar Piastri zugreifen können. Der F2-Meister, gemanagt von Landsmann Mark Webber, ist dritter Mann bei Alpine. "Wir wären froh, könnte Oscar Rennerfahrung sammeln", ließ Szafnauer aus dem nun pinken Team (mit neuem Hauptsponsor BWT) wissen.
Viele Fragezeichen im Mittelfeld
Interessant wird die Performance im Mittelfeld und bei bisherigen Hinterbänklern. Da ist F1-Rückkehrer Alex Albon, von Red Bull an Williams verliehen.
Im imaginären Duell mit Pérez muss er bei Williams (und nicht nur gegen Teamkollegen Nicholas Latifi) stark aufzeigen, um für eine Rückkehr in Betracht zu kommen.
Gleichzeitig will aber auch Pierre Gasly von AlphaTauri zurück ins Einserteam der Bullen, der immerhin schon einen Sensationssieg in der Vita stehen hat.
Bei Yuki Tsunoda ist es wohl die Make-it-or-break-it-Saison: Weniger Fehler und bessere/konstantere Leistung oder Abgang. Auf seinen Platz spekuliert eine ganze Meute aus dem Red-Bull-Juniorprogramm.
Für Aston Martin und vor allem Sebastian Vettel wird die Saison richtungsweisend. Nur mit eigenwilligen Aussagen zu Klima- und sonstiger Politik wird der Wahl-Schweizer nicht noch viele Jahre Formel 1 bewältigen.
Der einzige Neuling, Guanyu Zhou, hat im Alfa Romeo-Sauber mit Mercedes-Aussteiger Valtteri Bottas eine echte Messlatte. Genauso wie Mick Schumacher bei Haas, wo Kevin Magnussen nach dem Rausschmiss von Nikita Mazepin zurückgeholt wurde.
"Ich bin Peugeot und Chip Ganassi für ihr Entgegenkommen dankbar", ließ der Däne verlauten, der heuer für Peugeot im neuen Hypercar im WEC und für den Amerikaner in der IMSA hätte antreten sollen.
Schumacher jun. ist bekannt dafür, immer erst im zweiten Jahr in einer Serie wirklich überzeugt zu haben. Magnussen (119 Grands Prix) wird heuer ein anderer Maßstab als Mazepin.
Um die Russen bleibt es unruhig
Und ja, das Problem mit den Russen. Nicht nur ein Fahrer (Mazepin), Sponsoren (Uralkali bei Haas, Kaspersky bei Ferrari) und der russische GP (Sotschi) sind out, es ist auch der Vertrag mit Match-TV für die Livebilder in Russland gekündigt. Der in der Formel 1 bekannte und beliebte Kommentator Alex Popov ist ratlos (und vermutlich joblos): "Keine Ahnung, wie es für uns weitergehen soll."
Ähnliches gilt für den Chef der russischen Ausgabe von "motorsport.com", Oleg Karpov. Allerdings leben die beiden in Monaco bzw. Berlin.
Mazepin, sein Vater Dmitri (als Miteigner von Uralkali) und die Sotschi-Veranstalter haben Klagen gegen die einseitigen Vertragsauflösungen angekündigt. Uralkali fordert bereits geleistete Zahlungen für 2022 zurück. Die Frage ist, welche Gerichte zuständig sind – und wie Urteile vollzogen werden.
Formel 1 ohne Politik, das geht doch nicht.