Nach dem Rennen in der arabischen Welt ist vor dem Grand Prix in dieser Region. Bahrain lieferte zum Auftakt der Neuheiten-Saison viele Schlagzeilen, stellte aber auch viele Fragen. Nun folgt Runde zwei in Jeddah (alle Sessions im LIVE-Ticker >>>).
Die vergangenen Stunden brachten einige bemerkenswerte Stellungnahmen von Insidern und jenen, die sich dafürhalten, zutage. Wir hörten uns um, mit Interesse und manchmal durchaus mit Erstaunen.
Ferrari mit bestem Fahrer-Duo
Das glaubt natürlich weder Mercedes-Boss Toto Wolff noch seine ewigen Freunde bei Red Bull, Christian Horner und Helmut Marko. Aber es meint einer, der Ferrari fünf Jahre als Fahrer erlebte: Jean Alesi (57, ein Sieg/Montréal 1995 in 201 Rennen).
"Die Besetzung von Ferrari ist besser ausbalanciert als bei allen anderen Teams." Alesi – dessen Sohn Giulio von 2016 bis 2021 in der Nachwuchsakademie der Scuderia gefördert wurde und jetzt in Japan fährt – sagte dem Mailänder "Corriere della Sera" auch: "Es ist eine Tatsache, dass Pérez nicht ständig in der Spitze mithalten kann."
Und zu Mercedes: "Hamilton will beweisen, dass er weiter der Beste ist, und Russell will beweisen, dass er ihn schlagen kann." Aber: Verstappen/Pérez bilden bei Red Bull eines von zwei Teams, in dem beide Fahrer schon Siege einfuhren – das andere? Alpine (Alonso/Ocon). Bei Ferrari steht es drei Siege für Leclerc zu null für Sainz. Vielleicht nicht mehr lang.
Überholen weiter schwierig
Das meint Fernando Alonso, der sein F1-Comeback nach den Abstechern ins WEC und zum Indy 500 auf den Aussichten mit den aerodynamisch neu gedachten 2022er-Boliden aufgebaut hat.
"Es ist jetzt leichter, hinter einem anderen Auto herzufahren. Aber überholen ist nicht so einfach, wie es im Fernsehen rüberkommt." Der zweifache F1-Champion will geduldig sein: "Ein Rennen ist für eine sichere Analyse zu wenig. Mit den 60 Kilogramm schwereren Autos schaut das manchmal wie Zeitlupe aus."
Magnussen völlig verrückt?
Platz fünf für den Dänen wenige Tage nach seinem Überraschungscomeback war das beste Ergebnis für Haas seit Spielberg 2018 (Vierter Grosjean, Fünfter Magnussen). Und die Leistung des 29-Jährigen nach einem Jahr F1-Abstinenz ließ den im zweiten Jahr in der Topklasse fahrenden Mick Schumacher (23) schon "alt" aussehen.
Im Qualifying lag der deutsche Hoffnungsträger 0,43 Sekunden oder fünf Plätze hinter dem Teamkollegen. "Kevin konnte verrückte Rundenzeiten fahren, die ich nicht schaffte", gab Mick zerknirscht zu.
Den Teamchef Günther Steiner in Schutz nahm: "Mick war näher dran als es schien. Mick wird daraus lernen und dann ebenfalls punkten." Immerhin: für den Meraner waren die Interviews in Bahrain die ersten seit über zwei Jahren, in denen er stolz resümieren konnte und keine neuerliche Pleite erklären musste.
Red Bulls Japaner
Das Team des Weltmeisters Max Verstappen heißt dank neuem Hauptsponsor Oracle Red Bull Racing und die Antriebseinheit nicht mehr Honda, sondern Red Bull Powertrains. Dass die Premiere des Honda-V6 in Verkleidung so peinlich endete, hatte wohl niemand auch nur annähernd erwartet.
Dabei waren viele japanische Techniker wie bisher am Werken, nur halt in RB-Outfits, wie der bisherige F1-Projektleiter Masashi Yamamoto, der nun "Konsulent" neben seinem zweiten Job als Chef eines Teams in der japanischen Superformula (das in Red-Bull-Farben antritt) ist.
Laut Yamamoto schloss Honda seine F1-Entwicklungsabetilung Ende Februar, doch die wichtigsten Mitarbeiter wechselten nahtlos zu RBPT.
Mercedes vor langer Durststrecke?
Während Teamchef Toto Wolff die Fortschritte Ferraris anerkennt, glaubt er nicht an große Leistungsunterschiede zwischen den Antrieben. Teamneuling George Russell ist aber skeptisch, dass Mercedes rasch die Probleme – das Senken und Anheben des Autos wegen des Ground Effects und den Rückstand an Topspeed – lösen kann.
"Wir sahen dieselben Probleme bei anderen Teams, und manche fanden Lösungen, also gibt es welche. Es wäre schön, würden wir auch eine finden. Aber ich fürchte, das dauert noch." Und dann mit Zuversicht: "Es gibt keine Gründe, warum das die ganze Saison andauern soll."
2022 wie 1934?
Kaum zu glauben, aber trotz der Anhebung des Minimumgewichts auf 798 Kilogramm haben fast alle Teams Probleme, mit den neuen Autos ans Limit zu kommen.
Um Ballast abzubauen, verfielen manche (McLaren und Aston Martin) auf die Idee, Lack abzukratzen (natürlich, wo keine Sponsoren aufscheinen), sodass die schwarze Kohlefaserstruktur sichtbar wurde.
Ein Déja-vu: 1934 verhalf dieselbe Methode Hermann Neubauer und dem Mercedes-Team, von Übergewicht (751 kg) auf maximal zulässige 750 kg "abzuspecken" – was als Geburtsstunde der nackten, lacklosen "Silberpfeile" in die Motorsporthistorie eingehen sollte.
Tags darauf landete Manfred von Brauchitsch im Mercedes W25 im Eifelrennen einen Sieg. Der gelang den 2022er-"Nackten" nicht.