Seit 17 Jahren unterhält Red Bull mit AlphaTauri bzw. zuvor Toro Rosso ein Schwesterteam zum "großen" Rennstall in der Formel 1, seit 17 Jahren steht an dessen Spitze Franz Tost.
Ende des Jahres endet diese Ära, wird der Tiroler seine Tätigkeit beenden und an eine Doppelspitze aus Laurent Mekies und dem Vorarlberger Peter Bayer übergeben.
Eine Ära, in die nicht nur zwei sensationelle Grand-Prix-Siege durch Sebastian Vettel 2008 und Pierre Gasly 2020 fielen.
Sondern mit eben jenem Vettel und Max Verstappen zwei Allzeit-Größen des Sports ihren Einstieg in die "Königsklasse" ebenso fanden wie weitere namhafte (Ex-)Mitglieder des Red-Bull-Kaders, wie Daniel Ricciardo, Carlos Sainz oder Pierre Gasly.
Mateschitz' Wunsch erfüllen
In den letzten Monaten war die Zukunft der Scuderia AlphaTauri aber ungewiss, und auch jetzt stehen noch viele Fragezeichen über dem, was künftig sein wird.
Ein Verkauf des Teams ist vom Tisch, im Gegenteil sollen Red Bull Racing und (Noch-)AlphaTauri näher zusammenrücken. Fix ist aber, dass es einen neuen Namen geben wird.
"Wir sollen der bisherigen Philosophie und den Prinzipien einfach treu bleiben. Und wie es sich Didi Mateschitz von Anfang an gewünscht hat: Synergien mit Red Bull Technology nutzen", erklärt Tost im Gespräch mit LAOLA1 die Vorgabe der neuen Red-Bull-Bosse.
Der Name wird noch gesucht
Dafür wird das Team seinen Fokus stärker von Italien nach England verlagern. Künftig werden im Schwesterteam mehr Teile zur Anwendung kommen, die bei und für Red Bull Racing entwickelt wurden. Soweit das Reglement das zulässt, denn etwa in Sachen Aerodynamik müssen die Teams eigenständig arbeiten.
Das ist ungefähr so schwer, wie einem Tiger einen Käfigaufenthalt beizubringen.
"Die Vorderradaufhängung wird nächstes Jahr auch von Red Bull Racing sein. Oder die Hydraulik. Und ab 2026 geht es noch tiefer, wenn Red Bull Powertrains den eigenen Motor hat, den wir natürlich auch nutzen werden. Aber wir werden etwa nie exakt dieselben Aufhängungen wie Red Bull haben, denn wir sind in der restlichen Entwicklungszeit immer ein paar Monate dahinter", erklärt Tost.
Wie das Team dann heißen wird, ist noch völlig unklar. Gespräche laufen bereits, über alle Entwicklungen herrscht Verschwiegenheitspflicht.
"Wir haben von den Shareholdern vermittelt bekommen, das es mit dem Team stabil in die Zukunft geht. Gleichzeitig haben wir den Anspruch, uns konventionell weiterzuentwickeln. Wir sprechen mit Partnern, diskutieren Optionen, auch für den Teamnamen, es gibt Interessenten. Gottseidank ist das Team in der Lage, mit vielen verschiedenen Partnern, Firmen und Sponsoren über eine Zusammenarbeit zu sprechen."
Tsunoda im Red Bull? "Hat das Talent dafür"
Eines der Hauptziele des "Junior-Teams" auch in Zukunft: Fahrer für Red Bull Racing auszubilden.
In den letzten Jahren wurde der Nachschub etwas spärlicher, dafür bekam Yuki Tsunoda mehr Ruhe für seine Entwicklung. Obwohl AlphaTauri 2023 hinterherhinkt, sind die Fortschritte des kleingewachsenen Japaners nicht zu übersehen.
In einer Umfrage unter den Formel-1-Fahrern wurde der 23-Jährige unter die drei größten Überperformer der Saison gewählt, war in fast jedem Rennen in Reichweite von Punkten.
Eine Entwicklung, die auch Tost gut sieht. "Yuki hat das Talent dafür, früher oder später für Red Bull Racing zu fahren, wenn er sich so weiterentwickelt wie jetzt. Er ist in seinem gesamten Verhalten wesentlich reifer geworden, hat sein technisches Verständnis gravierend verbessert und ist beim Reifenmanagement richtig gut geworden", zeigt sich der Chef mit seinem Schützling zufrieden.
Tost nimmt Druck von De Vries
Auf "Quereinsteiger" Nyck de Vries prasselt hingegen viel Kritik ein, nachdem der Bereits-28-Jährige mit einem Formel-E-Weltmeister-Titel und vielen Vorschusslorbeeren in die Formel 1 kam, bislang aber durch Fehler und unterwältigende Resultate auffällt.
Tost ist überzeugt, dass De Vries die Kritik erträgt: "Das steckt man sicher leichter weg, wenn man schon viel gewonnen hat, dann ist mehr Selbstbewusstsein im Spiel. Aber wir müssen dem Fahrer ein gutes Auto zur Verfügung stellen. Für einen Rookie ist es doppelt schwer, wenn das Auto nicht gut genug ist", schiebt der Teamchef die Verantwortung von seinem Fahrer hin zum Team.
Keine Übergabe eines Teams am Boden
Überhaupt wird es trotz aller Zukunftsfragen - um die sich die Nachfolger kümmern sollen - für Tost in erster Linie um einen Aufschwung AlphaTauris in der zweiten Saisonhälfte gehen.
"Ich hoffe, dass die nächsten Monate Erfolge bringen werden - sprich Punkte. Das wäre ganz, ganz wichtig für mich, weil ich kein Team am letzten Platz übergeben will", unterstreicht der 67-Jährige bei LAOLA1.
"Die bisherige Saison war grottenschlecht. Das Auto funktioniert nicht, wie wir uns das vorgestellt haben. Wir haben vorwiegend Probleme auf der aerodynamischen Seite", erklärt Tost.
Ingenieure wie die Tiger
Das habe das Team schon Mitte der Vorsaison erkannt und begonnen, neue Leute einzustellen. Die aktuellen Regularien der Formel 1 verpflichten aber zu einer Wartezeit, wenn wichtige Ingenieure zwischen Teams wechseln. Bis zu einem Jahr.
"Erst jetzt findet das Team langsam zusammen. Ich hoffe, dass die Herrschaften in die richtige Richtung arbeiten. Das ist ein entscheidender Punkt, welche Aero-Philosophie am Auto angebracht wird. Wenn du da in die falsche Richtung läufst, brauchst du sehr viel Zeit, um das aufzuholen."
Und, so bedauert Tost: "Du kannst dir in der Formel 1 viel kaufen, aber nicht die Zeit. Und unter dem leiden wir jetzt."
Und Ingenieuren aufzuzeigen, dass in falsche Richtungen gearbeitet wurde, sei schwierig: "Das ist ungefähr so schwer, wie einem Tiger einen Käfigaufenthalt beizubringen."
Es herrsche aber gerade durch das neue Personal Zuversicht auf einen Aufschwung: "Wir sind mit dem neuen Reglement auch erst im zweiten Jahr, es gibt viel Aufholbedarf, nicht nur bei uns. Sie werden in immer mehr Graubereiche reingehen, das Reglement noch besser verstehen und nutzen."
Über 20 Jahre ohne Ski unter den Beinen
Alles weitere wird eine Frage der Zukunft sein, die dann ohne Tost stattfindet. Dem Tiroler wird auch endlich einmal Zeit für andere Dinge bleiben.
"Ich werde Skifahren gehen, denn in den letzten 20-30 Jahren hat die Zeit dafür nie gereicht. Und dann kann es sein, dass ich weiterhin als Berater tätig bin, aber das ist noch nicht entschieden", so die Zukunftspläne.
Der Abschied wird unter einem positiven Fazit stattfinden. "Ich werde mit positiven Gedanken an eine wunderschöne Zeit gehen, habe viele Jahre mit einem sehr motivierten Team gearbeitet und einiges bewerkstelligt. Es war sicher eine der schönsten Phasen in meinem Leben."
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