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Helmut Marko: "Unsere beste Chance seit 2013"

Red Bulls Motorsportchef beantwortet alle wichtigen Fragen zur Saison 2021:

Helmut Marko: Foto: © getty

Von 2010 bis 2013 dominierte Red Bull Racing mit Sebastian Vettel die Formel 1, doch die Hybrid-Ära ab 2014 stand im Zeichen von Mercedes. Bis 2020 oder gar auch noch 2021?

Im Interview mit LAOLA1 sagt Red Bulls Motorsportchef Helmut Marko vor den einzigen Wintertests ab Freitag in Bahrain: "Das ist heuer unsere größte Chance seit 2013."

Wie sich die Kräfteverhältnisse über den Winter mit dem neu aufgestellten Mittelfeld verschoben haben, wie sich die Budget-Reduzierung bei den beiden Red-Bull-Teams auswirken wird und was von Neuankömmlingen sowie Rückkehrern zu erwarten ist, beurteilt der 77-jährige Grazer ebenfalls.

LAOLA1: Welche Erkenntnisse hat man bei Red Bull Racing über den Winter bekommen, wie ist die Stimmung im Team?

Helmut Marko: Alle Erkenntnisse bisher stammen von den Simulationen, reale Daten bekommen wir erst jetzt beim Test in Bahrain. Wir gehen davon aus, dass wir den Abstand zu Mercedes verringert haben. Wie weit wir dran sind, wird das erste Rennen zeigen. Mercedes ist nach wie vor Favorit, nicht zuletzt aufgrund der Erfolgsserie in den vergangenen Jahren. Aber wir haben intensiv und zielgerichtet gearbeitet, ebenso hat das Honda gemacht. Mit dem neuen Motor gibt es gute Fortschritte. Das alles ermutigt uns zu der Annahme, dass wir diesmal nicht bis in die Saisonmitte auf die Top-Form warten müssen, sondern von Anfang an vorn dabei sein können – was wiederum eine Voraussetzung ist, wenn wir um die WM mitfahren wollen.

LAOLA1: Wie viele Gespräche gab es mit Sergio Pérez vor der Vertragsunterzeichnung? Waren die einfach oder kompliziert?

Marko: Pérez wäre 2007 nach einer Sichtung in Estoril fast Red-Bull-Junior geworden. Dass die Zusammenarbeit nicht zustande kam, war einem geplanten Junior-Team mexikanischer Sponsoren geschuldet, in das Sergio integriert wurde. Dann gab es genug Zeit, ihn zu beobachten. Wir wussten um seine Stärke in Longruns und kleine Schwächen im Qualifying. Nachdem sich dann trotz aller unserer Bemühungen bei Alex Albon keine Konstanz erreichen ließ und er zum Beispiel bei abbauenden Reifen nervös wurde, haben wir uns erst in Bahrain beim längeren Aufenthalt zwischen zwei Rennen näher unterhalten. Da wohnten alle zusammen, das fiel also nicht sonderlich auf. Dann ging es rasch bis zur Unterschrift.

LAOLA1: Fürchten Sie, dass Pérez durch Überehrgeiz am Anfang Fehler begeht oder glauben Sie, er wird eher vorsichtig bis überlegt in die Saison gehen?

Marko: Pérez ist zehn Jahre in der Formel 1 und erlebte alle Höhen und Tiefen. Er ist sich der großen Chance bewusst, da wird kein Unsinn kommen. Seine Stärken im Rennen, vor allem das Reifen-Management bei gleichzeitig hohem Tempo, wird ähnlich sein. Er wird sich schnell eingewöhnen.

LAOLA1: Wie gut ist sein technisches Verständnis, was konnte er über den Mercedes-Motor verraten, was Sie noch nicht gewusst haben?

Marko: Er hat ein breites technisches Wissen und viel Erfahrung mit dem Mercedes-Motor. Da sind einige interessante Aspekte dabei. Wir gewinnen deshalb nicht eine ganze Sekunde, aber auch sein Reifen-Verständnis ist sehr gut, so dass wir daraus einige Schlüsse ziehen können.

"Er braucht einen Rückhalt im Team, eine Geborgenheit, das war in den vergangenen zwei, drei Jahren bei Ferrari nicht der Fall. Das war nicht der Vettel, den wir kannten. Inklusive der vielen Fehler, die er plötzlich machte."

Marko über Sebastian Vettel

LAOLA1: Wie sehen Sie die Hackordnung, bleibt sie wie bisher – Mercedes vor Red Bull und dann die anderen? Wer wird knapp dahinter sein?

Marko: Ferrari wird - nein - muss stärker werden. Wie weit die Verbesserung reichen wird, um mit Mercedes und uns mitzukämpfen, wird sich erst zeigen. Dahinter wird es eine sehr starke Gruppe mit McLaren, Ferrari, Aston Martin und Alpine geben. Aston Martin hat die Mercedes-Verbindung noch vertieft.

LAOLA1: Was trauen Sie Alonso bei der Rückkehr nach zwei Jahren F1-Abstinenz zu?

Marko: Alonso ist ein Ausnahmekönner, sehr ehrgeizig, fokussiert. Das Team hat das komplette Top-Management ausgetauscht. Alonso ist zweifellos der Erfahrenste des Teams. Das wird eine interessante Konstellation. Ich denke aber, Alpine wird sich sehr anstrengen müssen, um im Mittelfeld vorne zu sein.

LAOLA1: Wie schätzen Sie Mick Schumacher ein?

Sergio Perez jetzt in RB-Farben
Foto: © getty

Marko: Wenn man seine Karriere betrachtet, sieht man, er fuhr im ersten Jahr in einer Klasse mit und wurde erst im zweiten erfolgreich. Jetzt gab es bei Haas keine Weiterentwicklung. Es wird wohl schwierig, in die Nähe der Punkte zu kommen. Dann hat er einen Teamkollegen, mit dem er sich nicht grün ist. Das wird wohl keine einfache Saison.

LAOLA1: Auf der einen Seite sind im Fahrerfeld die Anfangs-20er wie Tsunoda, Schumacher, Mazepin, auch Verstappen, auf der anderen ein Räikkönen, der im Oktober 41 Jahre alt war und ein Alonso, der im Juli 40 wird. Ist der "Jugendwahn" eingebremst oder gar vorbei?

Marko: Was heißt Jugendwahn? Der ergab sich, da alle viel früher als in anderen Generationen schon im Kart saßen und die Entwicklung einfach in jüngeren Jahren durchliefen. Heute fahren Sechs- bis Achtjährige intensiv Kart.

LAOLA1: Schafft es Sebastian Vettel noch einmal zur Spitze?

Foto: © getty

Marko: Ich hoffe es für ihn. Er braucht einen Rückhalt im Team, eine Geborgenheit, das war in den vergangenen zwei, drei Jahren bei Ferrari nicht der Fall. Das war nicht der Vettel, den wir kannten. Inklusive der vielen Fehler, die er plötzlich machte.

LAOLA1: Und Ricciardo im McLaren-Mercedes?

Marko: Sicher im Mittelfeld vorn. McLaren hat sich toll verbessert, aber ich glaube nicht, dass man es bis ganz zur Spitze schaffen wird.

LAOLA1: Wie wird sich die Budget-Limitierung bei Red Bull Racing und AlphaTauri auswirken?

Marko: Bei AlphaTauri gar nicht, weil das Team jetzt schon darunter ist. Bei Red Bull Racing ist es eine große Herausforderung, weil wir einerseits Leute abbauen müssen, andererseits heuer um die WM kämpfen wollen und gleichzeitig die Vorbereitung auf das neue Reglement ab 2022 schaffen müssen. Das ist eine Mammutaufgabe mit reduzierten Ressourcen. Wenn wir 2021 keine Chance auf die WM mehr haben sollten, werden wir uns auf die Entwicklung für 2022 stürzen, aber wenn nicht, müssen wir zwei Aufgaben stemmen, innerhalb der deutlichen Budget-Reduzierung.

LAOLA1: Arbeitet jetzt schon eine "Mannschaft in der Mannschaft" für 2022?

Marko: Selbstverständlich gibt es Gruppen mit Vorarbeiten.

LAOLA1: Zum Verständnis: Werden die beiden Teams plus Honda als jeweils eigene Einheit im Budget-Cap gesehen oder zusammen, und wie wird das 2022 mit dem Antriebs-Ableger "Red Bull Powertrains" sein?

 

(Text wird unter der Diashow fortgesetzt)

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Marko: Jedes Rennteam hat heuer ein Limit von 145 Millionen Dollar. Honda ist davon nicht betroffen. Die sind derzeit frei. Auch ab 2022 wird es nach dem Einfrieren der Motorenentwicklung da keine großen Sprünge geben. Und mit dem neuen Reglement ab 2025 wird auch eine Limitierung in den Kosten kommen, von ca. 50 bis 100 Mio. Dollar.

LAOLA1: Es gibt also bei Red Bull Racing einen Abbau von Mitarbeitern durch das Budgetlimit?

Marko: Ja, aber der wird so gering wie möglich gehalten, auch durch die Auslagerung in andere Projekte, wie z.B. das Valkyrie-Projekt mit Aston Martin, in dem wir spezifische Aufträge für Aston Martin ausführen. Wir erarbeiten auch Studien für andere externe Auftraggeber. Es gibt noch eine Frist für die Personalsituation bis Ende Juni, aber die Einschnitte sind schon spürbar.

LAOLA1: Ist das neue Hypercar-Reglement auf der Langstrecke ein Thema für Red Bull Technologies?

Marko: Nein. Ich meine auch, dass dies keine Zukunft hat.

LAOLA1: Würden Sie sagen, die Chance auf einen Red-Bull-WM-Titel ist heuer so groß wie seit 2013 nicht mehr?

Marko: Ja. Aber trotzdem bleibt Mercedes Favorit.

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