Die zuletzt verkündete Personalie ist für viele Beobachter/Betroffene das i-Tüpfelchen: Der Automobilweltverband FIA (Fédération Internationale de l’Automobile) teilte zwölf Tage vor dem drittletzten Formel-1-Rennen der Saison in Las Vegas mit, dass F1-Rennleiter Niels Wittich den Verband "auf eigenen Wunsch" verlassen habe.
Drei Rennen vor Ende der Saison mit noch beiden Titelentscheidungen in Schwebe? Deutsche Journalisten wollten herausgefunden haben, dass der seit 2022 amtierende Hesse keineswegs freiwillig ging. Sondern gehen musste.
Die Frage ist: Wegen Differenzen mit den ständig nörgelnden Teamchefs, denen in der Hitze des Finales keine Safety-Car-Entscheidung, kein Abbruch konveniert? Wegen der Kritik der Fahrer, die über ihre Repräsentanz (GPDA mit Präsident Alex Wurz) die harsche Auslegung Wittichs von Schimpfwörtern in Interviews und das Verbot von Schmuck (aus Sicherheitsgründen!) in einem offenen Brief kritisierten? Oder weil der 52-Jährige den Vorstellungen des Herrn Präsidenten Mohammed Ben Sulayem nicht mehr entsprach?
Portugiese tritt Wittich-Erbe an
Die Stabilität in der FIA, die viele Jahre herrschte, ist längst vorbei. Charlie Whiting war als Rennleiter von 1997 bis zum plötzlichen Tod nach Lungenembolie unmittelbar vor dem Saisonstart 2019 in Melbourne ein konstanter Faktor, der mit jedem "konnte" – und deshalb allseits akzeptiert war.
Nachfolger Michael Masi hatte es von Beginn an schwer. Als ihm das Finaldrama 2021 in Abu Dhabi mit umstrittenen Entscheidungen in den Schlussrunden entglitt, war das Maß voll.
Der eben neu gewählte FIA-Präsident aus den Emiraten setzte Masi ab (nach Druck von Mercedes?) und übertrug den Job an Wittich, der sich die Renndirektion anfangs mit Eduardo Freitas (Rennleiter der Langstrecken-WM "WEC") teilte.
Nun wurde der bisherige F3- und F2-Direktor Rui Marques, wie Freitas Portugiese, zum Rennleiter der Topklasse ernannt. Es könnte eine leichtere Premiere als das Stadtrennen auf dem Vegas Boulevard geben…
(Text wird unterhalb fortgesetzt)
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FIA besetzt Schlüsselpositionen neu
Wittichs Abgang setzt die Fluktuation in Schlüsselpositionen der FIA fort, seit Ben Sulayem die Nachfolge von Jean Todt (Präsident 2009 bis 2021) antrat.
Zuerst war der Vorarlberger Peter Bayer, den Todt 2017 vom IOC zur FIA geholt hatte, als Generalsekretär Sport mit der Neuaufstellung der Formel 1 beauftragt. Er war wesentlich am Regulativ der Budgetgrenze und am Motorenreglement für 2026 und danach beteiligt.
Im Mai 2022 war Bayers Periode bei der FIA vorbei, da Ben Sulayem sein eigenes Team aufstellen wollte. 2023 kehrte er als CEO von AlphaTauri (nun Racing Bulls) in die Formel 1 zurück.
Erst kürzlich, im Oktober, verabschiedete die FIA Kommunikationsdirektor Luke Skipper und den Generalsekretär Mobilität, Jacob Bangsgaard.
Ende 2023 verließ der in der Formel 1 hoch angesehene Steve Nielsen als Sportdirektor die FIA, Tim Goss trat als technischer Direktor Monoposti ab, genauso wie die Leiterin der Frauenkommission, Deborah Mayer. Nach nur 18 Monaten im Amt verließ Natalie Robyn im Mai die FIA, die Ben Sulyaem als erste CEO installiert hatte.
Sulayem klagt: "Nicht genügend Renndirektoren"
"Wir haben nicht genügend qualifizierte Renndirektoren. Man kann sie nicht bei Google oder Amazon bestellen. Wir müssen sie trainieren", hatte der Präsident vor einigen Wochen in einem Interview mit "motorsport.com" erklärt.
Ben Sulayem ist nun bald drei Jahre im Amt – als erster Nichteuropäer. Vorgänger Todt war zwölf Jahre Präsident, dessen Vorgänger Max Mosley noch länger (16 Jahre, 1993 bis 2009). Er hatte die Kampfabstimmung gegen den umstrittenen, diktatorischen Jean-Marie Balestre (1985 bis 1993) gewonnen.
Vor dem Franzosen war Paul-Alfons Fürst Metternich-Winneburg (1975-1985) einziger deutschsprachiger FIA-Boss. Der 1917 in Wien geborene Metternich war ein Urenkel des legendären österreichischen Staatsmannes und österreichisch-deutscher Staatsbürger.