Die Vorwürfe gegen Christian Horner werden die Präsentation des neuen Red-Bull-Autos am Donnerstag überlagern.
Der längstdienende Teamchef der Formel 1 soll sich einer Mitarbeiterin gegenüber unangemessen verhalten haben und steht vor der Ablöse, scheint die Sache aber aussitzen zu wollen.
Der Druck auf den Briten wächst allerdings aus mehreren Richtungen. Von Red Bull gibt es keine Details zum Ablaufplan, außer dass die Präsentation in Milton Keynes stattfinden soll.
Auch zu den Vorwürfen gegen Horner hat sich Red Bull nicht konkret geäußert. Laut mehreren Quellen soll der seit 2005 amtierende Teamboss einer seiner engsten Mitarbeiterinnen anzügliche Nachrichten geschickt haben. Demnach ginge es um mutmaßliche Nötigung - ob rechtlich relevant oder nicht, muss geklärt werden.
Nach einer ersten Anhörung in London Ende vergangener Woche ruht die Angelegenheit vorerst. Der mit der Sache befasste Anwalt hat SPORT1-Informationen einen Urlaub angetreten.
F1-Inhaber Liberty Media schaltet sich ein
Für Horner, seit 2015 mit dem früheren Spice Girl Geri Halliwell verheiratet, gilt weiter die Unschuldsvermutung. Verantwortliche der Red Bull GmbH sollen Horner zum Rücktritt geraten haben, um weiteren Schaden für sich und seine Familie zu vermeiden. Auch der Formel-1-Mutterkonzern Liberty Media soll sich gemäß SPORT1 eingeschaltet haben. Als US-Unternehmen reagiert Liberty Media bei möglichen zwischenmenschlichen Entgleisungen und Machtmissbrauch besonders sensibel - Stichwort Weinstein-Affäre.
Bernie Ecclestone, der selbst einige Skandale zu umschiffen hatte, riet dem 50-jährigen Horner hingegen, kühlen Kopf zu bewahren. "Mein Rat an Christian lautet: Halt den Kopf unten, mach nichts und warte, was passiert", sagte der Brite der Nachrichtenagentur AFP. Horner war Trauzeuge von Ecclestone bei dessen dritter Hochzeit 2012 mit der Brasilianerin Fabiana Flosi.
Ecclestone sagte, er habe das Gefühl, dass die Tage von Horner bei Red Bull soundso gezählt seien. Nach dem Scheitern des kolportierten Putschversuchs gegen Helmut Marko habe sich Horner nicht nur den Österreicher als Gegner erhalten, sondern auch das Vertrauen des Verstappen-Clans um Weltmeister Max verspielt. Zudem soll seine Freundschaft mit Design-Guru Adrian Newey irreversibel beschädigt sein.
Horner dürfte vor allem auch daran interessiert sein, über welche Wege die Angelegenheit öffentlich wurde und an die Zeitung in den Niederlanden gelangte. Inwiefern seine Autorität im Team untergraben sein könnte und eine weitere Zusammenarbeit aussehen würde, kann im Moment nur wild spekuliert werden.
Sportdirektor wird bereits als Nachfolger gehandelt
Über Konsequenzen wird ebenfalls längst spekuliert. Dem Formel-1-Team Red Bull droht eineinhalb Jahre nach dem Tod von Unternehmensgründer Dietrich Mateschitz eine Zerreißprobe. Sollte Titelmacher Horner tatsächlich gehen (müssen), könnte aus dem eigenen Haus der bisherige Red-Bull-Sportdirektor Jonathan Wheatley die Nachfolge antreten. Mit Otmar Szafnauer, Günther Steiner und dem Tiroler Franz Tost sind darüber hinaus aktuell drei langgediente F1-Teamchefs ohne Job.
Was wird im globalen Hauptquartier von Red Bull im beschaulichen Fuschl entschieden, sobald die Untersuchung abgeschlossen ist und eine Bewertung erfolgen muss? Die Verantwortung für die Sportaktivitäten von Red Bull trägt seit dem Tod von Mateschitz im Oktober 2022 Oliver Mintzlaff, der vom Fußball-Bundesligisten RB Leipzig auf einen der drei Geschäftsführer-Posten des Gesamtkonzerns rückte.
Die neue Formel-1-Saison beginnt am ersten März-Wochenende mit dem Grand Prix von Bahrain. Bis dahin sollte aus Sicht der Konzernzentrale eine Entscheidung gefallen sein, da sonst der Fokus auf das sportliche Geschehen leiden würde. Der Fall Horner ist jedenfalls alles andere als "business as usual".