Die Corona-Krise und ihre Auswirkungen sind auch in der Formel 1 aktuell das bestimmende Thema.
Wann die neue Saison nach den Verschiebungen bzw. Absagen (Monaco) der ersten acht Rennen beginnt, steht weiterhin in den Sternen. Eine Causa, die durch Corona in den Hintergrund gerückt ist, ist "Ferrari-Gate".
Was war passiert: Ferrari war - so der Vorwurf - in den Herbstrennen 2019 mit einer illegalen Treibstoffmenge und manipulierter Durchflussmenge unterwegs, was mehr Leistung und sensationelle Top-Speeds von Vettel und Leclerc auf Geraden ermöglicht haben soll.
Der Argwohn der Konkurrenz veranlasste die FIA zu einer tiefgreifenden Untersuchung. Das Ergebnis wurde zwei Wochen vor dem geplanten Saisonbeginn in Australien veröffentlicht: "Die FIA gibt bekannt, dass man nach gründlicher technischer Untersuchung die Analyse der Antriebseinheit von Ferrari abgeschlossen und eine Einigung mit dem Team erzielt hat. Die Details der Übereinkunft bleiben vertraulich."
FIA "zündet sich eigenes Haus an"
Der Großteil der anderen Teams wollte sich mit dieser "Vereinbarung von Verschwiegenheit" nicht zufrieden geben. In einer gemeinsamen Aktion gingen sieben der zehn Teams an die Öffentlichkeit und forderten eine Offenlegung dieses Abkommens.
Mercedes-Teamchef Toto Wolff sprach von "einer Riesensauerei" und Red Bulls Motorsportboss Helmut Marko meinte: „Das Verhalten der FIA ist der eigentliche Skandal."
"Ein klassisches Eigentor der FIA, das hat man schon ziemlich verbockt. 14 Tage vor dem geplanten Saison-Beginn die Geschichte so aufpoppen zu lassen, ist nicht wirklich professionell", sagte Ernst Hausleitner, der als ORF-Kommentator seit Jahren hautnah an der Formel 1 dran ist, im LAOLA1-Interview.
"Ich verstehe die Empörung der anderen Teams. Der Verdacht ist ja hinter vorgehaltener Hand schon die gesamte Saison 2019 geäußert worden, dass bei Ferrari etwas bei der Benzindurchflussmenge – vorsichtig formuliert - zumindest etwas in der Grauzone des Reglements ist. Dass die FIA so lange braucht, um das Untersuchungsergebnis auf den Tisch zu bringen und sich dann das eigene Haus anzündet, war nicht wirklich klug", so Hausleitner.
Red Bull will "Thema wieder aufgreifen"
Der "Brand" wurde zwar vom Coronavirus vorerst erstickt, Explosionsgefahr besteht aber immer noch.
Zwar hat sich Mercedes nach Intervention von Daimler-CEO Ola Källenius in dieser Causa zurückgezogen, um - so hört man - einen Imageschaden für die Formel 1 zu vermeiden, ausgestanden ist das Thema für Ferrari damit aber noch nicht.
Nun führt Red Bull die Gruppe der Ferrari-Gegner an. Teamchef Christian Horner erklärte nun gegenüber der "BBC" zwar, dass das Thema "aktuell sekundär" ist, man es aber ganz sicher "zu einem späteren Zeitpunkt" wieder aufgreifen wird.
Man wolle zum richtigen Zeitpunkt ein Gespräch mit FIA-Präsident Jean Todt führen, "um zu verstehen, warum diese Vereinbarung getroffen wurde und woraus sie besteht", so Horner.
Klage gegen Ferrari nicht unwahrscheinlich
(Text wird unter dem Video forgesetzt)
Die Scuderia und die FIA müssen sich also auf weiteren Gegenwind in dieser Causa einstellen. Ex-Formel-1-Boss Bernie Ecclestone rät sogar: "Die anderen Teams müssen jetzt hart bleiben und im Notfall vor Gericht ziehen."
"Für die Teams, die in der vergangenen Saison in der Konstrukteurs-WM hinter Ferrari gelegen sind, würde es sich schon auszahlen, in irgendeiner Art und Weise den Rechtsweg einzuschlagen."
Hausleitner kann sich durchaus vorstellen, dass es zu einer Klage kommen könnte. "Für die Teams, die in der vergangenen Saison in der Konstrukteurs-WM hinter Ferrari gelegen sind, würde es sich schon auszahlen, in irgendeiner Art und Weise den Rechtsweg einzuschlagen. Wenn jemand im Nachhinein auf Ausschluss aus der Konstrukteurs-WM klagt und die zuständigen Gremien dann so entscheiden, rücken alle anderen Teams auf und das wäre in der Geldausschüttung ziemlich lukrativ", so der ORF-Experte.
Nur ein Platz weiter vorne in der Konstrukteurs-WM würde einem Team - je nach Platzierung - zwischen zehn und 17 Millionen Euro bringen. "Wenn du Achter statt Neunter in der Konstrukteurs-WM bist, hast du zehn, elf Millionen Euro mehr am Konto. Für Teams in diesem Bereich, die im Jahr ein Budget von 100 bis 120 Millionen haben, ist das ein richtiger Batzen Geld", weiß Hausleitner.
Das Beispiel McLaren
Es wäre jedenfalls nicht das erste Mal, dass ein Team nachträglich aus der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft ausgeschlossen wird.
Dieses Schicksal ereilte im Jahr 2007 bereits McLaren infolge des "Spygate"-Skandals. Damals gelangten vertrauliche Ferrari-Informationen über den Mitarbeiter Nigel Stepney in die Hände von McLaren. Das Team wurde deswegen im Nachhinein zu einer Rekordstrafe in Höhe von 100 Millionen US-Dollar verurteilt und aus der Konstrukteurs-WM 2007 ausgeschlossen, verlor alle Punkte aus diesem Jahr (die Fahrer durften ihre Punkte behalten).
Sollte es im aktuellen Fall tatsächlich zu einer Klage und in Folge zu einem nachträglichen Ausschluss Ferraris kommen, wäre das für die "Roten" laut Hausleitner natürlich der "worst case".
Ob es überhaupt so weit kommt, wird sich aber wohl erst weisen, wenn sich die Corona-Krise gelegt hat und die Formel 1 wieder Fahrt aufnimmt. Ein juristischer Streit könnte sich dann allerdings über Monate ziehen.
So oder so, für Hausleitner ist die Königsklasse schon jetzt der Verlierer, denn "das ist genau das, was der Formel 1 immer negativ angehaftet wird, dass so viele Entscheidungen nicht auf der Rennstrecke sondern am Grünen Tisch gefällt werden. Wenn diese Saison schon wieder so beginnt, kommt man in ein wirklich blödes Fahrwasser."