Die Analyse von Nico Rosberg nach dem Grand Prix von Portugal machte den Nachmittag von Max Verstappen nicht unbedingt besser.
Der Hinweis des Ex-Weltmeisters auf das Ausnahmetalent von Formel-1-WM-Leader Lewis Hamilton war für den Red-Bull-Piloten nach Rang zwei in Portimao längst keine Neuigkeit mehr.
"Ich brauche Nico nicht, um zu verstehen, wie gut Lewis ist. Ich weiß, dass er sehr gut ist, sonst gewinnst du nicht so viele Titel", knurrte Verstappen, als er nach dem Rennen auf Rosbergs TV-Kommentar angesprochen wurde.
Allmählich dämmere es dem Niederländer, mit welchem Gegner er es da im Zweikampf um die Weltmeisterschaft zu tun habe, meinte Rosberg amüsiert.
"Er muss alles perfekt machen, um ihn in der WM zu schlagen. Und im Moment steht es 2:1 für Lewis", betonte der Deutsche, der seinen damaligen Mercedes-Teamkollegen Hamilton 2016 im Titelduell bezwungen hatte. Seitdem hat der Brite jedes Jahr die WM für sich entschieden und geht heuer auf seinen bereits achten Titel los.
Hamilton bleibt die Nummer eins
Und seine entschlossene Siegfahrt an der Algarve zeigte, dass Hamilton auch im Generationenduell mit Verstappen weiterhin die Nummer eins ist. Die "Daily Mail" nahm den 97. Karriere-Erfolg des 36-Jährigen "als Beweis für die unerbittliche, metronomische, Rivalen-zerstörende Zuverlässigkeit". Herausgefordert von der neuen Kraft des Red Bull und Verstappens starker Frühform erzwang Hamilton mit messerscharfen Manövern den zweiten Sieg im dritten Saisonlauf.
Der Triumphator sprach von einem "schönen" Rennen. "Wenn man Dritter ist und zwei fantastische Fahrer (neben Verstappen auch seinen bis zur 20. Runden führenden Teamkollegen Valtteri Bottas, Anm.) überholen muss, ist das einfach klasse! Racing wie dieses ist mein Lebenselixier", versicherte Hamilton, um den Blick gleich wieder nach vorne zu richten.
"Wir liegen alle unheimlich eng zusammen, in diesem Jahr kommt es auf jeden einzelnen Zähler an. Ich liebe diesen Kampf, schon seit meiner Zeit im Kartsport. Jetzt müssen wir als Team jeden Stein umdrehen und das Auto weiter ans Limit pushen, um alles herauszuquetschen."
"Dürfen uns keine dummen Fehler leisten"
Der 13 Jahre jüngere Rivale des Rekordchampions gestand indes nach seinem zweiten Platz: "Ich habe alles versucht. Ich wünschte, es wäre noch enger. Die Saison ist lang, wir können uns keine Ausfälle oder dummen Fehler leisten." Acht Punkte liegt Verstappen nun vor dem Spanien-Grand-Prix am kommenden Sonntag in Barcelona zurück.
Das ist nicht viel, aber wenn Hamilton weiter auf diesem Niveau fährt, ist ihm kaum beizukommen. Zumal Verstappen bei ungestümen Aktionen schon einige kleine Fehler unterliefen, die sich am Ende schmerzhaft summieren könnten.
"Diese Meisterschaft wird ein Marathon und kein Sprint. Es ist so eng, es wird um Kleinigkeiten gehen", meinte Red-Bull-Teamchef Christian Horner. Sein Mercedes-Widerpart Toto Wolff sieht beide Rennställe auf Augenhöhe und wünscht sich einen WM-Kampf bis zum Finale - natürlich mit dem besseren Ende für Hamilton.
Für Hamilton noch kein Ende in Sicht
Und weil es gerade so schön spannend ist, wollen Hamilton und sein Team wohl ihre Zusammenarbeit über die Saison hinaus verlängern. "Im Moment können wir uns einfach nicht vorstellen, dass wir nicht eine Zeit dranhängen", sagte Wolff. Der Superstar hatte an der Algarve auch selbst von einer Zukunft bei Mercedes gesprochen.
"Ich plane, nächstes Jahr hier zu sein", hatte Hamilton gesagt. Neben dem Generationen-Duell mit Verstappen, das ihn reizt, will er im Kampf gegen Rassismus und für mehr Diversität wohl weiter die Formel-1-Bühne nutzen.
Diese Botschaften aus dem Mercedes-Lager gehören vermutlich auch zum Psychospiel, das in diesem Jahr ziemlich früh begonnen hat. Immer wieder betonen Hamilton und Wolff, wie sehr sie sich durch die harte Attacke von Red Bull motiviert und erfrischt fühlen, nachdem es zuletzt so einsam an der Spitze war. Konkurrenz belebt das Geschäft, soll das wohl heißen.
Verstappen und Red Bull müssen darauf eine Antwort finden, am besten durch Siege auf der Rennstrecke. "Ich denke, das wollen alle sehen. Ich hoffe, es bleibt für den Rest der Saison so, denn das begeistert alle", sagte der 23-jährige Herausforderer des Serienchampions.
Vor dem Spanien-Grand-Prix kündigte Hamilton eine dreitägige Pflegekur mit seiner Physiotherapeutin an. Bei noch 20 ausstehenden WM-Läufen ist jedes Kraftkorn wichtig. "Am Ende werden wir uns wahrscheinlich ziemlich satthaben und das Rennfahren auch, weil es so viele Rennen sind", unkte der Weltmeister. In Portimao aber war bei Hamilton von Überdruss nichts zu sehen.