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F1 diskutiert nach Horror-Crash über Sicherheit

Was Grosjean das Leben rettete und was nicht passieren hätte dürfen:

F1 diskutiert nach Horror-Crash über Sicherheit Foto: © GEPA

Ein zweigeteiltes Auto, ein riesiger Feuerball - und kein Fahrer in Sicht. Es waren bange Sekunden, ehe Romain Grosjean nach seinem schweren Unfall beim GP von Bahrain aus seinem lichterloh brennenden Haas kletterte und ein Lebenszeichen von sich gab. 

Der Crash des Franzosen war einer der schlimmsten in der Formel 1 der vergangenen Jahre und erinnerte an böse Feuer-Unfälle aus früheren Zeiten, von denen bekanntlich einst auch die Österreicher Niki Lauda und Gerhard Berger betroffen waren. Grosjean, ein in Genf geborener Franzose, war ein Jugendfreund des 2015 verstorbenen Landsmannes Jules Bianchi, der 2014 bei einem Crash in Japan mit einem Berge-Kran schwere Kopfverletzungen erlitten hatte und nach mehreren Monaten im Koma verstorben war.

Dass Grosjean seinen Unfall nur leicht verletzt überlebte, grenzt an ein Wunder, sagen viele. Der Cockpitschutz "Halo", der feuerfeste Rennoverall und das schnelle Eingreifen des Rettungspersonals sorgten dafür, dass es in Sakhir nicht zur Katastrophe kam. 

"Vor fünf Jahren hätte ein Fahrer so einen Unfall nicht überlebt. Vorwärts in eine Leitplanke einzuschlagen, durchzubrechen, in Flammen aufzugehen und dann aus dem Auto zu springen, das ist unglaublich", meinte etwa Red-Bull-Teamchef Christian Horner und lobte die FIA und die Arbeit, die "über die vergangenen 25, 30 Jahre" geleistet wurde.

Auch Alexander Wurz, Vorsitzender der Fahrergewerkschaft GPDA und ORF-Experte, erklärte: "Dass hier ein Fahrer bei so einen Unfall noch aussteigt - unglaublich. Die Autos haben sich so dramatisch verbessert. Und da muss man sagen, dass alle Sicherheitsvorkehrungen, die so ein Monocoque durchläuft, vom Aufprallschutz vorne bis zum Halo - alles hat hier Leben gerettet."

Grosjean: "Ich war nicht für den Halo, aber..."

Grosjean selbst schickte mit bandagierten Händen aus dem Krankenbett noch am Sonntag in der Nacht Grüße und bedankte sich bei allen, die ihm Nachrichten übermittelt hatten. "Ich war vor einigen Jahren nicht für den Halo, aber es ist die großartigste Sache in der Formel 1", sagte er.

Selbst die Mutter des tödlich verunglückten Jules Bianchi meldete sich nach Grosjeans Unfall beim französischen TV-Sender "Canal+": "Sie haben den Halo nach dem Tod meines Sohnes eingeführt, nun hat der Halo Romains Leben gerettet. Das ist großartig."

"Der Halo hat Grosjean wohl das Leben gerettet."

F1-Sportchef Ross Brawn

"Der Halo hat Grosjean wohl das Leben gerettet", war auch Formel-1-Sportchef Ross Brawn überzeugt. Der ringförmige und anfangs umstrittene Kopfschutz aus Titan über der Fahrerzelle ist seit 2018 in der Formel 1 Pflicht.

Halo ist englisch und heißt übersetzt Heiligenschein. Es handelt sich dabei um einen Titanbügel von etwa sieben Kilogramm, der ringförmig über den Kopf des Fahrers im Cockpit gespannt und in der Mitte mit einer Strebe befestigt ist. Der "Halo" muss der FIA zufolge dem Gewicht von zwei afrikanischen Elefanten (bei zwei männlichen Tieren rund zwölf Tonnen) und einem vollen Koffer standhalten, der mit 225 km/h abgefeuert wird.

Toto Wolff: "Unfall ist mit jenem von Niki Lauda vergleichbar"

"Ich will gar nicht darüber nachdenken, wie dieser Unfall noch vor einigen Jahren ausgegangen wäre", gab sich Mercedes-Teamchef Toto Wolff nachdenklich. Der Unfall sei durchaus mit jenem von Niki Lauda auf dem Nürburgring vergleichbar. Auch Laudas Auto sei damals in zwei Teile zerrissen worden.

"Was es diesmal aber so viel schockierender gemacht hat, ist, dass das Monocoque in den Leitplanken gesteckt ist", so Wolff. "Man mag sich gar nicht ausmalen, wenn wir kein Halo hätten oder er bewusstlos gewesen wäre oder keinen Platz gehabt hätte, um aus dem Auto zu kommen."

Auch Rennsieger Lewis Hamilton war entsetzt und gleichzeitig erleichtert. "Ich bin unendlich dankbar, dass ihn die Leitplanke nicht geköpft hat. Es hätte alles viel, viel schimmer ausgehen können." 

Ex-Weltmeister Damon Hill brachte es auf den Punkt: "Es ist ein Wunder, dass er noch lebt. So etwas haben wir seit Gerhards Unfall in Imola nicht mehr gesehen", erinnerte der Brite an den Feuerunfall des Tirolers 1989 im Ferrari."

Kritik: "Die Leitplanke sollte nicht so versagen"

Und obwohl sich alle einig sind, dass Halo & Co. Grosjean das Leben gerettet haben, gab es nach dem Unfall auch Kritik. 

"Die Leitplanke sollte nicht so versagen und das Auto sollte nicht so in Flammen aufgehen."

Sebastian Vettel

"Es ist gut, dass die Autos sicherer als früher sind, aber die Leitplanke sollte nicht so versagen, und das Auto sollte nicht so in Flammen aufgehen", gab Sebastian Vettel bei "Sky" zu bedenken. "Es wurden viele Maßnahmen getroffen, damit es nicht Feuer fängt, von daher weiß ich nicht, was da passiert ist."

Wolff sprach zwar von einem "Freak-Unfall", doch auch er meinte: "Der Winkel muss so präzise gewesen sein - wie ein Messer, dass da durchschneidet. Ich finde nicht, dass sich die modernen Barrieren so teilen sollten. Das müssen wir analysieren."

Formel-1-Sportchef Ross Brawn kündigte noch am Sonntag eine Untersuchung des Unfalls an. Im Vordergrund steht dabei die Frage, wie sich das Monocoque in die Leitplanken bohren konnte und der Wagen Feuer fing.

Brawn: Viele Untersuchungen zwischen jetzt und dem nächsten Rennen

"Es ist schockierend, einen derart heftigen Unfall zu sehen. Wir sind das nicht mehr gewohnt, Feuer inklusive", sagte Brawn. "Es sind Dinge passiert, die so nicht geschehen hätten dürfen", meinte Brawn, der eine umfassende Aufarbeitung ankündigte. "Zwischen jetzt und dem nächsten Rennen werden sehr viele Untersuchungen vorgenommen werden. Ich bin mir sicher, dass dann entsprechend gehandelt wird." 

Laut Rennleiter Michael Masi hätte einfach die große Wucht des Aufpralls - dieses soll bis zu 50 G betragen haben - dafür gesorgt, dass die Leitplanke den Kräften nicht mehr standhalten konnte. "Es gibt nur ein gewisses Maß an Energie, was sie aushalten kann. Die Masse an Energie muss irgendwo hin."

Alexander Wurz erinnerte nach dem schrecklichen Crash jedenfalls an Unkenrufe, laut denen die Formel 1 längst "absolut sicher" sei und man solche heftigen Unfälle eigentlich längst für undenkbar gehalten hatte. Man dürfe sich punkto Sicherheit auf keinen Fall zufriedengeben und nie ausruhen, betonte der Österreicher.

Weltmeister Hamilton sprach nach seinem elften Saisonsieg ebenfalls davon, dass der Unfall eine "kraftvolle Mahnung" war, wie gefährlich die Formel 1 sein könne. Die Motorsport-Königsklasse müsse in Sicherheitsfragen weiter machen. "Wir dürfen nicht stehen bleiben, wo wir sind", forderte Hamilton. "Wir müssen versuchen, es immer weiter besser zu machen. Das macht diesen Sport so großartig."

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