Die Fans wählten ihn zum "Driver of the Day". Es wird George Russell kein Trost sein.
Der 22-Jährige hätte beinahe das Kunststück von Max Verstappen wiederholt, gleich beim ersten Einsatz für ein Top-Team den Sieg zu holen. Ein Fehler von Mercedes und ein Reifenschaden brachen dem jungen Briten und vielleicht allen Formel-1-Fans außerhalb Mexikos beim Grand Prix von Sakhir das Herz (Rennbericht>>>).
Rang neun und die schnellste Rennrunde bringen erste WM-Punkte überhaupt für Russell, der dem Feld im Williams sonst hinterherhecheln muss. Ausgerechnet diese ersten Zähler werden in seiner Karriere eine Randnotiz mit trauriger Konnotation sein.
"Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Dieser Sieg wurde uns gleich zweimal genommen", meinte Russell noch am Funk den Tränen nahe. "Es war mir eine Ehre und ich habe es verdammt genossen. Aber ehrlich: Ich bin am Boden zerstört. Absolut am Boden zerstört."
Der Sieg zweimal weggenommen
Trotz dieser beiden Lehrjahre im Williams: Russell weiß, wie sich Siege anfühlen. Er marschierte einst durch die GP3 und die Formel 2, gewann jeweils auf Anhieb die Meisterschaft.
Auch in dieser Zeit gab es Dramen zu verkraften. Aber so schmerzhaft wie die erste Sieg-Chance in der Formel 1 aus seinen Fingern glitt, war noch keine Erfahrung zuvor: "Ich kann es nicht glauben. Ich hatte das Rennen unter Kontrolle."
Selbst nach dem Boxen-Malheur seines Teams glaubte er noch an den Erfolg. Und das wohl zurecht. Auf frischen Medium-Reifen legte er im Renn-Finish eine tolle Pace hin, ehe der Reifenschaden reinfunkte.
Auch nach dem Boxen-Patzer vom Sieg überzeugt
Unter anderem mit einem gewagten und sehenswerten Manöver gegen Teamkollege Valtteri Bottas arbeitete sich der Hamilton-Ersatzmann schnell wieder auf Rang zwei vor, ehe der Defekt zuschlug. "Es wäre eng gewesen, aber ich hätte es geschafft", ist das Talent überzeugt.
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"Wir hatten den Reifen-Vorteil, das Auto war so schnell. Ich bin am Boden zerstört, aber immer noch stolz auf das, was wir erarbeitet haben, und froh, die Chance bekommen zu haben", versucht Russell, es sportlich zu nehmen.
"Das ist Racing. Es ist ein Team-Sport. Wir stecken da gemeinsam drin. Manchmal versaut es der Fahrer, das ist mir bei Williams dieses Jahr ein, zweimal passiert. Manchmal läuft es anders. Wir lernen daraus. Und das Positive: Ich habe meine ersten Punkte gemacht."
Wolff: "Der Beginn eines Märchens"
Eines hat Russell aber klar gemacht: Er kann halten, was sich Mercedes von ihm verspricht. Über kurz oder lang wird sein Weg wohl zu einem Fixplatz im Team führen.
Davon ist Teamchef Toto Wolff spätestens seit diesem Wochenende überzeugt: "A Star is born! Das ist nur der Beginn eines Märchens, das heute noch nicht funktioniert hat. Er ist jemand, auf den wir uns in Zukunft verlassen können."
Ihn schon 2021 im Werksteam zu sehen, erscheint nicht realistisch. Er selbst hat einen Dreijahres-Vertrag bei Williams, auch Bottas hat sein Arbeitspapier an gewohnter Stätte schon längst in der Tasche, auch wenn der direkte Vergleicht mit Russell in Bahrain nicht gut für ihn ausfällt.
"Ich sehe das jetzt nicht als realistisch an", sagt Wolff zu der Idee. "Ich verstehe aber, dass es interessant für alle wäre. Und ein wilder Ritt."
Aber vielleicht kommt die vorerst einmalige Chance ja schneller als gedacht noch einmal: Falls Lewis Hamilton nicht früh genug einen negativen Corona-Test ablegt, um beim Saison-Finale in Abu Dhabi dabei zu sein.
Für diesen Fall hat Wolff bereits geklärt: Dann sitzt wieder Russell im Auto.
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— Formula 1 (@F1) December 6, 2020