Red Bulls Formel-1-Zweitteam startete 2024 in eine neue Ära: Neuer Name, neuer Auftritt, neue Ausrichtung - und neue Bosse.
Ein Österreicher ging, ein Österreicher kam: Nach der "Ära Franz Tost" werden die Racing Bulls, wie sie nun im Volksmund heißen, von einer Doppelspitze geführt. Mit dem Franzosen Laurent Mekies als Teamchef und Peter Bayer als CEO.
Der Vorarlberger bewegt sich schon länger in der "Königsklasse", war vor seiner jetzigen Rolle schon beim IOC und als Generalsekretär bei der FIA.
Im LAOLA1-Interview spricht Bayer über seine ersten Monate in der neuen Rolle, die aktuell wieder aufgeheizte Diskussion um die Fahrer-Situation und das Re-Branding, das Anfang des Jahres für Kritik sorgte.
LAOLA1: Vor einem Jahr hattest du in unserem Interview noch eine Außenperspektive auf die Welt von Red Bull. Wie steht es um den Blick ein paar Monate nach der Ankunft?
Peter Bayer: Ich habe einen riesigen Startvorteil genossen, weil Franz Tost sechs Monate neben mir war und sämtliche Türen geöffnet hat. Ab Jänner waren Laurent Mekies und ich dran. Die Herausforderung war zu verstehen, wo wir mit unserem Auto stehen. Was fehlt uns? Wo müssen wir ansetzen? Die Vorlaufzeit zum ersten Rennen war davon geprägt, die Kultur im Team zu erneuern. Auf Englisch sagen wir: "No blame, no bullshit, performance obsessed". Auf die Performance konzentrieren, ausblenden, was rundherum passiert. Bei Fehlern versuchen, es gemeinsam besser zu machen. Dieser Spirit greift gerade im Team um sich und hat uns erlaubt, als derzeit WM-Sechster erfolgreicher als erwartet zu starten.
LAOLA1: Der Output stimmt dich also zufrieden. Die Verzahnung mit Red Bull Racing soll ja stärker werden. Muss dann nicht das Potenzial für noch höhere Ansprüche da sein?
(Text wird unter dem Video fortgesetzt)
Bayer: Die Zielsetzung der neuen Eigentümer war ganz klar: sportlich und kommerziell erfolgreich zu sein, gleichzeitig als Fahrer-Entwicklungsteam eine konkrete Aufgabe für Red Bull Racing zu erfüllen. Das alles gleichzeitig mit einer eigenen Identität, die wir mit dem neuen Namen erschaffen haben. Und schlussendlich das Thema Synergien, die wir im Rahmen der FIA-Regeln etwa auf technischer Seite eingehen dürfen. Das funktioniert, aber dauert natürlich. Es gibt verschiedene andere Themen, in denen es Fortschritte geben wird. Mittel- und langfristig glaube ich, dass der fünfte Platz unter all diesen Umständen möglich sein wird.
LAOLA1: In den letzten Tagen gab es Schlagzeilen rund um eure Fahrersituation, mit denen Helmut Marko Daniel Ricciardo unter Druck gesetzt hat. Angesichts des eigenen Ziels, ein Fahrerentwicklungs-Team zu sein: Muss jetzt nicht eigentlich Liam Lawson ins Auto gesetzt werden? Zumal er eine Ausstiegsklausel hat, sollte er 2025 in keinem Red-Bull-Auto Renneinsätze bekommen.
"Der Prozess war schwierig, aber ich glaube, dass wir uns mittelfristig gut aus dieser Affäre gezogen haben, indem wir Augenmerk auf Design, Content, Tätigkeiten der Fahrer und unsere Außendarstellung als Team gelegt haben."
Bayer: Deswegen ist es wichtig, die Gesamtsituation zu betrachten. Wir haben verschiedene strategische Orientierungen, auch Fahrerentwicklung. Jetzt stellt sich die Frage: Wie definiert man das? Ist Yuki Tsunoda schon ein fertiger Fahrer, oder braucht er noch ein bisschen? Yuki selbst hat jüngst gesagt, dass er wahnsinnig von Daniels Erfahrung, seiner Herangehensweise am Wochenende, seinem Umgang mit Emotionen und seinem technischen Briefing profitiert. Da lernt er nach wie vor sehr viel. Gleichzeitig haben wir den Anspruch, dass wir sportlich und kommerziell erfolgreich sein müssen. Da tun wir uns wahnsinnig schwer, wenn wir nur junge Fahrer im Einsatz haben. Die Entscheidung, wer 2025 im zweiten Auto sitzt, ist ausständig. Und wir versuchen, uns damit Zeit zu lassen. Wir haben keinen Druck. Liam hat selbst gesagt, dass er Red-Bull-Fahrer ist. Er fühlt sich hier zuhause. Wir müssen vertragliche Details respektieren, aber bis zur Sommerpause werden wir so weiterfahren und uns dann überlegen, wie wir am besten in die Zukunft schauen.
LAOLA1: "Nur junge Fahrer im Einsatz" - Yuki ist doch schon etwas erfahrener. Und Liam drängt nicht erst seit gestern ins Cockpit, beweist, dass seine Zeit wohl reif wäre. Was spricht weiters noch für Daniel?
Bayer: Es geht eben um seine Erfahrungswerte. Gleichzeitig haben wir schon gesehen, dass er das Zeug hat, dieses Auto extrem schnell um die Rennstrecke zu bewegen. In Miami hat er gezeigt, was er drauf hat. Auch bei den Punkten in Kanada hat ihn seine Erfahrung ins Ziel gebracht. Er hat abgewartet, ist ruhig geblieben. Diese Punkte sind enorm wichtig, wenn man sieht, wie eng es im Mittelfeld zugeht. Gleichzeitig glauben wir, dass noch einige gute Dinge von ihm kommen werden. Diese Chance möchten wir ihm geben. Das widerspricht der Zielsetzung der Fahrerentwicklung nicht. Liam hat diesen Anspruch auch, er fährt unsere Tests und Simulatoren, ist ein vollwertiges Mitglied des Teams. Die Entscheidung, wer 2025 im Auto sitzen wird - da hat Helmut Marko eine sehr, sehr wertvolle Meinung. Da werden auch die Eigentümer Interesse haben, mitzudiskutieren. Es wird eine größere Runde, die sich damit auseinandersetzen muss. Mit einer am Ende des Tages vielleicht im Detail noch weiter definierten strategischen Ausrichtung des Teams.
LAOLA1: Dabei geht es nicht nur um 2025.
Bayer: Und nicht nur um Liam, sondern auch um Isack Hadjar, der einen super Job in der Formel 2 macht. Um Ayumu Iwasa. Um Arvid Lindblad, ein unglaubliches Talent. Es steht eine ganze Pyramide dahinter. Da muss man sich klar werden, wie man damit insgesamt umgeht. Wir brauchen einen erfahrenen Lead-Fahrer. Klar, wir haben Yuki. Wollen wir diesen Schritt mit ihm schon 2025 machen oder erst mit dem neuen Reglement?
LAOLA1: Klingt aber so, als würde schon langfristig mit Yuki als Leader geplant werden. Es gab zuletzt auch Gerüchte, er könnte sich 2026 umorientieren.
Bayer: Ich glaube, dass wir mit Yuki genau unseren Job als Entwicklungsteam erledigen können. Wenn er konstant so weiterfährt, kann er definitiv ein Kandidat für einen Red-Bull-Sitz sein.
LAOLA1: Hat es dich überrascht, dass er den nicht jetzt schon bekommen hat und mit Sergio Perez verlängert wurde?
Bayer: Nein, da war Helmut relativ klar. "Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer" - oder sowas in die Richtung hat er gesagt. Aber Yuki hat einen riesigen Schritt gemacht. Letztes Jahr war er noch kein Haudegen, jetzt hat er sich aus dieser Teenager-Trotz-Phase in einen fokussierten, jungen Rennfahrer entwickelt. Die Zeit war noch nicht reif, aber wenn er so weiterfährt, empfiehlt er sich für Größeres.
LAOLA1: Anfang des Jahres hat euer Re-Branding für negative Emotionen gesorgt. "Visa Cash App RB" - viele Fans haben sich gefragt, was das soll. War das retrospektiv die richtige Entscheidung?
Bayer: Jeder Anfang ist schwer. Es gab wahnsinnig viele Meinungen der Fans. Das haben wir auch bei anderen Teams in der Vergangenheit gesehen: Bei einem neuen Namen gibt es im Normalfall viel Ablehnung. Mit diesem Schritt haben wir schon neue Territorien für die Formel 1 in puncto kommerzieller Entwicklung geöffnet. Gleichzeitig haben wir bewusst großes Augenmerk auf das Design des Autos gelegt. Mit der Lackierung ist von der Kritik viel verschwunden. Es war wichtig für uns, diesen optischen Auftritt hinzulegen. Und ich glaube, dass wir auch im Sinne der Performance gezeigt haben, dass wir es ernst meinen, hinter RB die Racing Bulls stehen, dass eine Identität für das Team in Italien genau wie für die Fans da ist. Der Prozess war schwierig, aber ich glaube, dass wir uns mittelfristig gut aus dieser Affäre gezogen haben, indem wir Augenmerk auf Design, Content, Tätigkeiten der Fahrer und unsere Außendarstellung als Team gelegt haben. Das hat mittlerweile Oberhand.
LAOLA1: Stichwort Identifikation. Bei keinem anderen Team ist es so schwer festzustellen: Seid ihr ein österreichisches Team? Ein italienisches? Ein englisches? Wie viel Heim-GP ist das Rennen in Österreich nicht nur für dich, sondern die ganze Truppe?
Bayer: Für mich zu 100 Prozent, aus mehreren Gründen. Die Gegend hier ist ganz stark mit meiner Passion für die Formel 1 verbunden, mit dem Zeltweg-Rennen von Niki Lauda 1984. Das ging weiter als österreichischer Fan des Sports, aber auch der Marke Red Bull. Unsere Eigentümer sitzen hier und dementsprechend fühlen wir uns immer sehr wohl. Auf dem Papier ist unsere Lizenz eine italienische, weil damals das Minardi-Team übernommen wurde. Und die Lizenz zu ändern ist ein relativ komplexer Prozess, daher blieb es dabei. Ich habe auch einmal gehört, dass Herr Mateschitz sehr stolz darauf war, ein italienisches Team, eine Scuderia zu besitzen. Das war ihm extrem wichtig, hat mir Franz Tost erzählt. Österreich ist definitiv eines, wenn nicht das Lieblingsrennen im gesamten Team, wegen der Gastfreundschaft, der Strecke, der gesamten Anlage und auch der Wiener Schnitzel fühlen wir uns hier extrem wohl.