In unserem Format "Ansichtssache" versuchen wir, Meinungen, Stimmungen, Überreaktionen oder sonstige Ansichten jeglicher Art in eine These zu packen und zu analysieren.
Das kann mal provokant sein, mal eine oft gehörte Meinung. Mal sehr strittig, mal weniger. Mal eine Prognose, mal eine simple Einordnung.
In dieser Ausgabe geht es um die Zukunft des Motorsports, insbesondere der Formel 1, im Schatten der Klimakrise. Es gibt bereits viele Bemühungen, die selbsternannte Königsklasse "grüner" zu machen. Doch sind diese überhaupt sinnvoll oder nützlich? Muss Motorsport immer laut sein?
LAOLA1 debattiert - diesmal in Person von Redakteurin Daniela Kulovits und Redakteur René Mersol:
(Text wird unter dem Video fortgesetzt)
1.) Technische Innovation ist der wichtigere Aspekt im Motorsport, als die Fans restlos zufriedenzustellen.
Daniela Kulovits:
Vorneweg: Alle Fans wird man nie restlos zufriedenstellen, so oder so. Aber auch nachhaltiger(er) Motorsport kann begeistern, da wird mir Kollege Mersol als Formel-E-Fan wohl zustimmen.
Nachhaltigkeit und technische Innovation schließen sich nicht aus – im Gegenteil. Motorsport war immer schon eine Triebfeder des technischen Fortschritts und sollte, nein muss, das auch in Zeiten des Wandels sein.
Die Zuschauer müssen sich aber auch darauf einlassen. Am Ende wollen Motorsport und Fans schließlich das gleiche: Unterhalten bzw. unterhalten werden. Dafür braucht es jedoch nicht immer laute Motoren und qualmende Auspuffe (aber dazu weiter unten mehr).
René Mersol:
Wer diese These verfasst hat, denkt ein bisserl gar sehr Schwarz/Weiß.
Wieso Innovation oder Begeisterung? Ist es nicht stets insbesondere die Innovation gewesen, die uns im Motorsport so begeistert hat? Fahrzeuge, die immer besser, schneller, imposanter wurden? Motorsport ist für mich Begeisterung durch Innovation. In den letzten Jahren hatte ich aber auch zunehmend das Gefühl, dass manche glauben, das schließe einander aus.
Wie es die geschätzte Kollegin, die völlig richtig damit liegt, dass ich ihr in ersterer Aussage besonders zustimme, schon angedeutet hat, sind Nachhaltigkeit und technische Innovation unerlässlich im Motorsport.
Die Formel E und auch die Weiterentwicklung in Richtung Nachhaltigkeit in der F1 (über die Motivation dahinter darf, kann und soll man diskutieren!) sind wertvolle Belege dafür. Innovation in Zeiten wie diesen ist nun einmal "Grün", ob man das mag oder nicht.
Wenn man das als Bedrohung sieht, verdirbt man sich nur selbst die Lust am Motorsport. Der macht ohne Dreck genauso viel Spaß. Einfach ausprobieren.
2.) E-Fuels bleiben eine Nische! Mittelfristig werden Sportarten, die auf Verbrenner setzen, trotzdem aussterben.
René Mersol:
Der These kann ich einiges abgewinnen. Zumindest dem ersten Teil. Denn E-Fuels können nicht die Zukunft sein. Sie lösen nämlich das größte Problem des Verbrennermotors nicht: Den Wirkungsgrad. Dieser liegt bei einem Verbrennermotor bei ungefähr 20 Prozent und da ist es wurscht, womit ich ihn betreibe. Da werden Elektromotoren immer klar im Vorteil sein, denn dort sind es über 80 Prozent.
Es braucht keinen Ingenieurstitel, um zu erahnen, dass es sinnvoller ist, die Energie da lieber direkt in einen Elektromotor zu stecken, anstatt damit Treibstoffe herzustellen. Von der Lebensdauer der Motoren und der Wiederverwertbarkeit ihrer Bauteile einmal ganz abgesehen.
Sterben Verbrenner-Sportarten deswegen aus? Ich glaube eher, dass diese wiederum zur Nische, zum Liebhaberprodukt werden. Im kleinen Rahmen wird wohl auch Mutter Natur damit einverstanden sein.
Daniela Kulovits:
Dem gibt es nicht viel hinzuzufügen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sportarten, die auf Verbrenner setzen, so schnell aussterben werden - nicht mal mittelfristig.
Man muss dazu nur über den Motorsport hinausblicken: Kaum ein automobiles Thema wurde in den vergangenen Jahren so emotional diskutiert, wie das zum Ende des Verbrennungsmotors. Erst 2023 wurde in der EU das Verbrenner-Aus besiegelt, das besagt, dass ab 2035 Neuwagen mit Benzin- oder Dieselmotor nicht mehr zugelassen werden.
Aktuell wird das Verbrenner-Aus jedoch wieder heiß diskutiert, immer mehr Parteien und Politiker stellen die Entscheidung infrage bzw. fordern, dass sie rückgängig gemacht wird. Und solange auf unseren Straßen noch Fahrzeuge mit Verbrenner unterwegs sind, werden sie es auch im Motorsport sein.
3.) Rennkalender sollten strikter nach Geographie strukturiert sein! Solange die Formel 1 quer durch die Welt tourt, wirken andere Bemühungen wie Greenwashing.
Daniela Kulovits:
Definitiv! Die Formel 1 veranstaltet mittlerweile 24 Rennen pro Jahr – so viele wie noch nie – und fliegt dafür teils wahllos um den Globus. Von Miami nach Italien nach Monte Carlo, wieder über den großen Teich nach Kanada, um dann doch wieder nach Europa zurückzukehren. Ob die drei USA-Rennen auf drei verschiedene Termine (Miami im Mai, Austin im Oktober, Las Vegas im November) verteilt sein müssen, darf ebenso hinterfragt werden.
Logistik und Reisen machen zwei Drittel des CO₂-Fußabdrucks der Formel 1 zwischen den Rennen aus. Die Teams blättern jedes Jahr Millionen an Transportkosten hin.
Man muss jedoch bedenken: In den meisten Fällen bestehen langjährige Verträge mit den Veranstaltern, die eingehalten werden müssen. Den Rennkalender einfach mal so signifikant zu ändern, spielt es nicht. Längerfristig muss das aber das Ziel sein, will die Formel 1 ihre Nachhaltigkeits-Ziele einhalten.
René Mersol:
Der Mensch ist bekanntlich ein Gewohnheitstier und wie diese es so an sich haben, reagieren sie erst, wenn eine Gefahr unmittelbar ist. Die zunehmenden Auswirkungen der Klimakrise wurden in den letzten Jahren besonders spürbar und plötzlich reagierte man auch in der F1, plötzlich wollte man auch da Vorbild sein.
Mehrere Initiativen wurden gesetzt. Sei es die Verwendung von E-Fuels oder den Elektroanteil in den Hybridmotoren, der ja ab 2026 50 Prozent beträgt. Aber beim größten CO₂-Verursacher, dem Rennkalender, setzt man nicht an und ich sehe kaum Anzeichen dafür, dass hier wirklich etwas weitergeht - allen Beteuerungen von Domenicali & Co. zum Trotz. Insofern gehe ich hier mit der These d'accord.
Eher habe ich hier den Eindruck, dass man auf Biegen und Brechen versucht, die Formel 1 in die Zukunft zu retten, die sie mit Verbrennermotoren so langfristig nicht haben kann. Der Motorsport war stets der "Innovations-Spielplatz". Was sich dort tummelte, sollte später einmal im breiten Volk landen. Das wird sich mit den Verbrennern nicht ausgehen.
Auch ich bin kein Prophet (Gott behüte!) und ob E-Mobilität, Wasserstoff oder Erdgas der Weisheit letzter Schluss sind, lässt sich heute kaum seriös beantworten. Sicher bin ich mir nur darin, dass es die Verbrenner nicht sein werden.
4.) Zeit zur Umgewöhnung: Motorsport hat auch ohne Motorenlärm genug Faszination zu bieten.
René Mersol:
Wer mich kennt, weiß: Ich bin ein langjähriger Sympathisant der Formel E. Und als solcher kann ich diese These nur vollinhaltlich unterstreichen. Warum? Weil ich beides mehrmals erlebt habe: Den (damals noch) A1-Ring, wo Michael Schumacher & Co. in ihren V10-Gefährten mit 300 Sachen an mir vorbeidonnerten, ebenso wie die Formel E in Berlin und Rom.
Und wer nun glaubt, dass es dort leise wäre, der irrt. Wenn die Gen3-Boliden mit 250 km/h nur wenige Meter vor dir mit Vollstrom daherkommen, verstehst du auch da dein eigenes Wort kaum mehr. Das fasziniert sogar noch mehr, weil du derart nahe an der Strecke hockst. Der geräuschärmere Motorsport hat dazu den Vorteil, dass es auch olfaktorisch angenehmer ist.
Wenn wir auch in Zukunft hochklassigen Motorsport sehen wollen, werden wir uns an neue Antriebsarten gewöhnen müssen. Das ist nicht besser oder schlechter, nur eine andere Gewohnheit. Ich habe mich darauf einst eingelassen - und profitiert.
Daniela Kulovits:
Ich gebe zu, ich war im Gegensatz zum Kollegen noch nie live bei einem Formel-E-Rennen dabei, mir fehlt also der direkte Vergleich. Die Formel 1 habe ich schon mehrmals an der Rennstrecke verfolgt.
Als zum ersten Mal ein F1-Bolide an mir vorbeigerauscht ist, fand ich das fast einschüchternd. Das lag nicht nur an der Geschwindigkeit, sondern auch am Sound. Dieser macht das Erlebnis Motorsport fühlbar.
Vor dem TV-Gerät verringert sich dieses Gefühl natürlich. Dennoch gehört ein gewisser Motoren-Sound einfach dazu. Die Fortschritte bei synthetischen Kraftstoffen sollten es aber ermöglichen, diesen Lärm und damit das Racing-Gefühl beizubehalten. Ich sage aber nicht, dass es immer die Lautstärke eines Düsenjets sein muss.