Geht es nach den Vorzeichen, wird die Formel 1 2025 ihre spannendeste Saison seit langer Zeit erleben.
Dem ersten Eindruck nach kämpfen vor dem Auftakt in Australien (alle Sessions im LIVE-Ticker>>>) vier Teams um die Vorherrschaft, eine WM-Prognose will niemand abgeben.
2026 folgt wieder einmal eine Regel-Revolution - das macht die anstehende Saison noch unberechenbarer, weil die Ressourcen nicht auf das aktuelle Geschehen konzentriert sind.
Formel 1 2025: Das musst du vor dem Saisonstart wissen >>>
Alexander Wurz und Ernst Hausleitner werden für den ORF einmal mehr als dynamisches Duo auftreten, das die Saison mit dem bekannten Charme begleitet.
Vor der Abreise nach Melbourne haben sich die zwei auch noch ein paar Minuten Zeit für ein kurzes Interview mit LAOLA1 genommen: Wie wird die Saison verlaufen? Wie bewerten sie den aktuellen Zustand der "Königsklasse"? Und wird Max Verstappen seine Titel-Serie aufrechterhalten können?
LAOLA1: Die Formel 1 hat ihre Spannung wiedergefunden, wir stehen vor einer unberechenbaren Saison 2025. 2026 folgt mit dem neuen Reglement ein erneuter Umbruch. Wie erwartet ihr den Ablauf der Saison? Manche Teams werden sich bald auf das nächste Jahr konzentrieren.
Alexander Wurz: Wir haben schon bei den Testfahrten gesehen, dass alles extrem knapp zusammenliegt. Die Saison wird mit voller Spannung anfangen und wird den Großteil der Zeit spannend bleiben. Ich sehe kein Team, das richtig dominant ist und wegfährt. Wir werden viele unterschiedliche Sieger und Emotionen sehen, vielleicht auch hören - oder sie werden ausgepiepst. Wenn es so knapp zugeht, dann kommt der menschliche Faktor zum Tragen. Bei den Boxenstopps oder der Strategie werden Fehler gemacht, weil keine großen Löcher mehr da sind, du nach einem Stopp wieder locker als Erster oder Zweiter rauskommst.
Ernst Hausleitner: Auf die Frage bezogen: Ich glaube, dass es Fluch und Segen sein kann, wenn du 2025 um die WM mitfährst. Weil du verhaftet bist, das aktuelle Auto weiterzuentwickeln. Wer in einer frühen Phase sieht, dass nichts zu holen ist, wird sich mit allen Ressourcen auf 2026 stürzen. Es wird bei allen Teams so sein, dass sie irgendwann im Laufe der Saison die Entwicklung am aktuellen Auto einstellen und sich ganz auf 2026 konzentrieren, weil einfach alles neu ist. Das wird bei denen, die sehen, dass heuer nichts zu holen ist, früher passieren. Ich kann mir auch vorstellen, dass das eine oder andere Team 2025 vom Start weg als Durchlaufsaison sieht. Das würde zum Beispiel bei Sauber/Audi Sinn machen.
(Interview wird unterhalb fortgesetzt)
VIDEO: Unsere Hot Takes zur Formel-1-Saison 2025
LAOLA1: Das kommende Motoren-Reglement hat seine guten Gründe. Macht es abseits davon für die Formel 1 wirklich Sinn, sich die Grundlagen stets neu zu schaffen und zu riskieren, dass wieder ein Team zwei, drei Jahre vorneweg fährt?
Wurz: Eine logische Frage, die äußerst schwierig zu beantworten ist. Natürlich muss sich die Formel 1 dem Zeitgeist adjustieren und anpassen. Selbst gebe ich auch noch mal gern offen zu, diese drastische, große Reglementänderung kritisch zu sehen. Ich hoffe, dass sie im Sinne des Fans und des Sports ist. Aber das Schöne ist, dass wir uns einmal auf das Hier und Jetzt fokussieren können. Alles andere wäre ein bisschen zu viel Raunzen und Schlechtmachen. Aber die Gefahr besteht natürlich, dass das Feld durch die Regeländerungen wieder auseinandergezogen wird. Für den Technik-Freak ist es dann interessant, wer wie schnell reagiert.
Hausleitner: Ich glaube schon, dass es nötig war, Chassis und Motor in einem Atemzug zu ändern. Die Frage kann man natürlich stellen, aber auf der anderen Seite hat eine Reglementumstellung im Bereich des Motors eine extrem lange Vorlaufzeit. Das kannst du jetzt nicht von heute auf morgen machen. Und dementsprechend hat man mit dem ab 2026 gültigen Motorreglement den Zeichen der Zeit, damals, als man das Reglement beschlossen hat, Rechnung getragen. Ob man den Motor heute noch einmal so beschließen würde, mit all den Entwicklungen der Elektromobilität, dann wieder einem Mini-Comeback des Verbrenners, wage ich zu bezweifeln. Jetzt ist man aber da drinnen. Auf der anderen Seite waren wir 2014 alle extrem skeptisch, ich vor allem, da hat es ja einige Aufschreie gegeben vom F1-Puristen, als der V8-Motor weg war und der neue Turbo-Hybrid-Motor erstinstanzlich wirklich eigenartig geklungen hat. Aber hättest du das nicht gemacht, wäre z.B. der Formel E die Tür geöffnet gewesen. Entscheidungen haben eine gewisse Vorlaufzeit, daher muss man sie in Rücksicht auf die Zeit betrachten, in der sie getroffen wurden. Es ist natürlich bitter, dass sich das Feld am Ende eines Reglementzyklus zusammenschiebt und mit einem neuen Reglement wieder weiter auseinander geht.
Wir haben extrem viele junge Zuseher und einen extrem hohen Frauenanteil für ein Sportprogramm. Das sind Piloten für junge Menschen. Und von dem profitieren wir alle.
Wurz: Der Motorsport ist nicht nur Entertainment. Die Formel 1 ist auch Technologievorreiter und Entwickler. Das ist wichtig, denn auch die Hersteller - und da geht es nicht nur um die namhaften, sondern auch um Zulieferer - die lernen alle davon und damit. Und das ist eine Technologie, die dem Otto-Normalverbraucher unter dem Strich auch wirklich zugutekommt. Vielleicht nicht direkt, aber die Art der Prozesse, wie die Formel 1 neue Dinge, Materialien und Technologien entwickelt. Das ist wichtig und auch da kommt jetzt noch einmal ein neuer Ansporn jetzt dazu.
LAOLA1: Kimi Antonelli wird gleich in den Mercedes gesetzt, Oscar Piastri ist in seiner dritten Saison ein WM-Mitfavorit. Sind die Zeiten vorbei, in denen man junge Fahrer behutsam an die Spitze heranführte? Und ist das der richtige Weg?
Wurz: Ich glaube, das hat es in der Formel 1 noch nie wirklich gegeben. Wir hatten immer mal Leute, die gleich in die Top-Teams hineingingen. Egal wo du fährst: Du musst dich sofort behaupten. Das ist eine beinharte Geschichte. Der Unterschied ist: Wenn du in den unteren Kategorien dominierst, dann ist das nur dein Jahrgang. Dann kommst du in die Formel 1 und da gibt es die Allerbesten vieler Jahrgänge. Kimi ist ein Top-Pilot. Ich kenne ihn schon seit der Go-Kart-Zeit und glaube, er wird seinen Weg machen. Wir müssen ihm alle Zeit geben, sich einzuleben, die Tricks kennenzulernen. Er hat mit dem George Russell auch einen richtig starken Fahrer neben sich. Das ist schonmal eine sehr interessante, tolle Mischung, weil es für George auch nicht einfach ist. Gegen Lewis Hamilton hat er immer nur gewinnen können, denn wenn du hinter dem mehrfachen Champion ein, zwei Zehntel zurück bist, brauchst du dich nicht genieren. Aber er war oft trotzdem vorne. Jetzt ist es umgekehrt, jetzt muss er sich beweisen.
LAOLA1: Bei solchen Entscheidungen wird es auch darum gehen, neue Zielgruppen zu erschließen, die sich mit den Jüngsten wohl besser identifizieren können, als mit einem 40-jährigen Lewis Hamilton.
Hausleitner: Das ist wirklich ganz, ganz großartig. Wir haben extrem viele junge Zuseher und einen extrem hohen Frauenanteil für ein Sportprogramm. Beides ist etwas, das angestrebt wird. Und da sind die Piloten, die jetzt am Werk sind, hauptverantwortlich dafür. Ich kenne so viele junge Mädels, die auf Charles Leclerc fliegen, die Lando Norris super finden, den George Russell, und junge Burschen, die den Max Verstappen verehren. Das sind Piloten für junge Menschen. Und von dem profitieren wir alle. Ich bin sehr, sehr froh, dass jetzt wieder neue, frische, junge Leute dazukommen. Es waren meines Erachtens schon einige Piloten im Feld, deren Austausch überfällig war. Das ist jetzt bei ein paar passiert. Bei ein paar wird es noch folgen. Dann haben wir ein ganz neues Fahrerfeld und das ist grundsätzlich super.
So großartig Verstappen auf der Rennstrecke ist, so zappelig wird er, wenn er nicht gewinnt. Und der Frieden bei Red Bull ist fragil.
LAOLA1: Ihr seid häufig vor Ort, bekommt die Formel 1 näher mit als der Fan. Passt für euch persönlich das Gleichgewicht zwischen Eventisierung und sportlichem Anspruch noch?
Wurz: Es ist immer ein Spagat zwischen Sport und Show. Die Antwort gibt der Zuschauer. Und da die Zuschauerzahlen weltweit dramatisch steigen, haben wir die Antwort. Ich bin natürlich ein Fan davon, dass der Sport ein Sport bleibt. Wenn er authentisch, ehrlich und unverfälscht ist, kann man rundherum eine wahnsinnige Show machen. Ich wäre kein Fürsprecher davon, den Sport so umzumodeln, dass er zur Show wird, um nachher zu versuchen, diese Show zu verkaufen. Die Formel 1 hatte vor einigen Jahren einen leichten Trend dorthin. Aber dadurch, dass die Rennen an sich so cool sind, war das nicht nötig. Wir können das jetzt auch besser transportieren, haben uns nach der Ära Bernie Ecclestone den sozialen Medien geöffnet. Und Corona hat der Formel 1 geholfen. Es war der erste Sport weltweit, der wieder zurückgekommen ist. Die Menschen mussten quasi zuschauen. Auch Netflix ist mit "Drive to Survive" aufgetreten und auf einmal haben die Zuschauer zu Hause gemerkt, dass dieser Motorsport eigentlich ultrafaszinierend ist. Und selbst vermeintlich langweilige Rennen können interessant sein, weil der Zuschauer mittlerweile den Anspruch hat, zu verstehen, wie schwierig es ist, Runde für Runde um das letzte Tausendstel zu kämpfen. Darum finde ich den aktuellen Spagat sehr gut, aber den Zenit des Wachstums haben wir noch nicht erreicht.
Hausleitner: Ich bin ganz beim Alex, was das Drumherum anbelangt. Das kannst du mögen, musst du nicht. Siehe die Präsentation in London, das war nicht jedermanns Sache. War es den Aufwand wert? Ja, nein, vielleicht. Ich finde das Rundherum zum großen Teil begrüßenswert. Das Wichtigste, und da bin ich hundertprozentig beim Alex: Dass man in den Sport an sich nicht eingreift, um den künstlich spannend zu machen. Zum Beispiel per gestürzter Startreihenfolge oder solchen Dingen, die in Diskussion waren. Das gibt es in den Junior-Kategorien, aber da hat es eine ganz andere Ursache. Da will man den überlegenen Piloten für einen Lerneffekt zwingen, zu überholen. Das brauchen wir in der Formel 1 definitiv nicht. Aber einen anderen Aspekt muss ich schon noch einwerfen: Entscheidend wäre, dass man das Ganze für den Normalbürger wieder finanzierbar und zugänglich macht. Die Ticketpreise gehen teilweise durch die Decke, sind mittlerweile bei manchen Rennstrecken wirklich unverschämt. Und das ist eine ganz schlechte Entwicklung.
LAOLA1: Ich weiß, ihr wollt keine Weltmeister-Tipps abgeben. Darum konkret die Frage nach einem bestimmten Fahrer, dem amtierenden Weltmeister. Wird Max Verstappens "Mojo" wie in der letzten Saison noch einmal ausreichen? Oder ist jetzt der Moment gekommen, an dem es sich gegen die technisch wohl überlegene Konkurrenz nicht mehr ausgeht?
Wurz: Das wäre wieder spekulativ. Ich freue mich einfach darauf zu sehen, wie Max mit dem Team, das ja dann doch ein bisschen Abgang an Talent hatte, umgehen kann. Und wie das Team selbst damit umgeht, wann sie umstellen auf die 2026er-Entwicklung, wie lange sie wie viel Geld noch in die Gegenwart investieren. Aber Max Verstappen dürftest du auch im schlechtesten Auto nicht unterschätzen. In Wirklichkeit kann ich das nicht vorhersagen, er ist im Mix natürlich mit dabei. Als klarer Favorit kannst du ihn aber nicht in die Saison schicken.
Hausleitner: Für mich ist Max Verstappen gegenwärtig der beste Pilot. Helmut Marko hat ja schon in der Vorsaison gesagt, dass der Weltmeister-Titel im wahrsten Sinne des Wortes ein Fahrer-Titel war, den er geholt hat. Gelingt es ihm heuer noch einmal oder nicht? Das ist eine spannende Frage. Wir werden aber schon früher die Antwort auf eine andere Frage bekommen: Wie lange hält der Frieden bei Red Bull? Denn so großartig Verstappen auf der Rennstrecke ist, so zappelig wird er, wenn er nicht gewinnt. Und der Frieden bei Red Bull ist fragil. Ich bin gespannt, wie es sich dann zuspitzen könnte, wenn er drei, vier, fünf Rennen lang nicht gewinnt.