Lewis Hamilton Superstar. Siebenfacher Formel-1-Champion, nun Titel-Rekordhalter gleichauf mit Michael Schumacher.
Einer, der den Briten seit seinem ersten Rennen in der Königsklasse begleitet, ist LAOLA1-Kolumnist Gerhard Kuntschik. Er hatte einige Male die Möglichkeit, mit Hamilton Interviews zu führen und über seine Erfolge und Träume zu sprechen. "Die Rache des Journalisten ist das Archiv", gilt allgemein – nicht nur im Umgang mit Politikern. Im Fall von Lewis Hamilton ist es keine Rache, sondern eine interessante Dokumentation. Ein Rückblick:
7. Juni 2007, Fahrerlager auf dem Villeneuve-Kurs von Montreal in Kanada
Hamilton war Rookie, noch ohne ersten Platz in der Formel 1, schien aber siegfähig im McLaren-Mercedes und führte sogar ex aequo mit Teamkollegen Fernando Alonso die WM an. Das Interview erschien am Samstag. Am Sonntag – "lucky punch" – gewann Lewis seinen ersten von nunmehr 94 Grands Prix. Ich schrieb damals in den "Salzburger Nachrichten" über den Neueinsteiger: "Lewis Hamilton lehnt Vergleiche mit den Größen der Formel 1 ab. Doch in einem Bereich ist er den Champions vergangener Jahre schon vor seinem sechsten Grand Prix am Sonntag in Montreal sehr nahegekommen: In der Bestürmung durch die internationalen Medien. Auch wenn seine Herkunft als Enkel von Einwanderern aus der Karibikinsel Grenada, seine Hautfarbe, seine bisherigen finanziellen Möglichkeiten von vielen früher als Handicap gesehen wurden, wirkt all dies nun wie ein Vorteil für den jungen Briten. Jetzt scheint es, als hätte die Formel 1 schon dringend auf diese Erfolgsgeschichte gewartet: Den Aufstieg eines Buben aus einfachen Verhältnissen mit großem Talent und einem zielorientierten Vater zum neuen Superstar seines Sports."
Und Hamilton sagte mir damals u. a.: "Ich liebe Straßenkurse und habe in Melbourne ja gute Erfahrungen gemacht. Ich denke, ich lerne für mich neue Strecken sehr schnell. Ich hoffe, wir können die Leistung von Monaco wiederholen…. An jedem Rennwochenende tauchen neue Dinge auf, die ich verbessern kann. Ich habe nicht mit einem dritten und vier zweiten Plätzen (bisher) gerechnet. Mein bestes Rennen war Melbourne, weil es mein erstes in der Formel 1 war, und ich landete unter den ersten drei. Das war nie zu erwarten. Ich bin erst 22, da wird noch viel kommen. Michael (Schumacher) hörte mit 38 auf, ich habe noch viel Zeit. Ich muss Schritt für Schritt machen. Und dabei muss alles passen. Meine Zeit wird sicher noch kommen…. Klar bin ich nicht hier, um ewig Zweiter zu werden."
19. Juni 2014, Mercedes-Hospitality auf dem Red Bull Ring in der Steiermark
Drei Tage vor dem Comeback des Österreich-Grand-Prix war bereits klar, dass Mercedes in der damals neuen Hybridformel dominierte und Hamilton um seinen zweiten WM-Titel kämpfen würde. Er erklärte auf meine Frage, wie lang die neue Mercedes-Überlegenheit anhalten würde: "Ich kann dir sagen, was wir planen: Dass sie sehr lang anhalten wird!" Und über die Konkurrenz: "Sicher machen Ricciardo und Vettel ihre Jobs sehr gut, aber es wird wohl Nico sein." Und wenn zwei Rivalen um den Titel kämpfen, können sie dennoch Freunde bleiben? "Was Nico und mich betrifft: Wir kennen uns, seit wir 13 Jahre alt waren, und fuhren seither in diversen Klassen gegeneinander. Wir haben an den Rennstrecken ein kollegiales Verhältnis aufgebaut. Wenn du aber im Rennen einen Gegner hast, bist du in dieser Situation sicher nicht mehr sein Freund. Aber du kannst das außerhalb der Rennstrecken sein, obwohl da natürlich jeder seinen eigenen Freundeskreis hat."
19. September 2017, Fahrerlager Sepang International Circuit, Malaysia
Hamilton hatte drei Siege in Folge gefeiert, lag 28 Punkte vor Ferrari-Pilot Vettel in der WM. Über den Wendepunkt der Saison und die Erwartungen vorher, sagte er damals: "Der Sieg in Silverstone (als Wendepunkt) vermute ich mal. Und nach der Sommerpause lief es auch sehr gut weiter, mit drei Erfolgen seither. Ehrlich gesagt, habe ich darüber nicht nachgedacht, ob es so sein könnte." Ob er in Bestform seiner Karriere wäre? "Ich würde sagen, ich bin derzeit am ausgeglichensten." Und über die Zeit nach 2018 - da lief der damalige Vertrag aus: "Ich weiß es noch nicht. Ich werde sicher weiter Rennen fahren und die Zukunft rechtzeitig besprechen. Ich habe eigentlich überhaupt kein Verlangen, andere Rennautos als Formel 1 zu fahren. Nicht, dass ich keinen Respekt für andere habe, mir fehlt dafür nur die Leidenschaft. Die Formel E ist für mich auf einem Niveau unterhalb der Formel Ford oder Renault! Die Formel E ist ja noch langsamer." Und über den Führungsstil seiner Chefs Niki Lauda und Toto Wolff? "Sie sind die besten Chefs, die man sich vorstellen kann. Alles, was man hier im Team sieht, ist ihr Verdienst. Mit ihnen zu arbeiten ist großartig."
Über Energie und Freizeitgestaltung: "Ich bin in der glücklichen Lage, sehr viel Energie in mir zu haben. Sogar wenn ich einmal einen freien Tag habe, frage ich mich: Warum machst du nicht das oder kann ich da noch etwas reinnehmen? Mir ist lieber, ich bin an einem Tag produktiv, als herumzusitzen. Wieder einmal zu Hause in Monaco lasse ich mein Gepäck an der Tür fallen und atme einmal durch. Und ich schalte das Fernsehgerät ein. In der Küche, da schaue ich mehr als im Wohnzimmer. Ich liebe es, Filme zu schauen. Ansonsten bin ich gern im Freien – Motorradfahren oder im Winter Snowboarden." Und über Politik: "Ich bin überhaupt kein politischer Mensch, aber ich habe meine Meinung und stehe dazu. Klar schaue ich mir die Nachrichten an, aber manchmal finde ich Politik richtig langweilig. Es gibt jetzt komische Typen in Amerika und anderswo, und der Brexit scheint komplett daneben zu gehen. Ich weiß nicht, wie das alles ausgehen wird. Aber es soll jeder zu seiner Meinung stehen. Wenn ich etwas poste, erwarte ich nicht, dass alle meiner Meinung sind. Aber ich zeige, das ist meine Seite, das ist mein Standpunkt. Es ist in Ordnung, wenn jemand nicht meiner Meinung ist."
Sportler-Proteste waren auch 2017 in den USA schon aktuell, ob ein solcher auch für ihn vorstellbar wäre? "Ich habe darüber noch nicht nachgedacht, aber ja, es wäre zu überlegen. Freilich ist die Hymne, die vor dem Rennen in Austin gespielt wird, nicht die meinige…. Ich habe noch nie gewählt. Ich kann mit meiner einzelnen Stimme ohnedies nichts bewegen."
19. Juni 2018, Red Bull Ring
Hamilton über die anstehende Vertragsverlängerung, ob es die letzte in der Formel1 sein werde und den Teamkollegen Valtteri Bottas: "Das habe ich noch nicht entschieden. Es ist auch für mich nicht klar. Ich hoffe aber nicht, dass es der letzte sein wird. Präferenz bezüglich meines künftigen Teamkollegen? Ja. Meinen derzeitigen, ganz klar. Wir arbeiten gut zusammen, er pusht mich ans Limit. Es ist perfekt." Ob er Rückschläge fürchte? "Das wäre eine negative Einstellung. Ich versuche, so etwas aus meinen Gedanken herauszuhalten. Mir ist aber absolut bewusst, dass das passieren kann."
Ob er alles erhoffte auch erreicht habe? "Nicht jeder Traum ist wahr geworden. Und du träumst immer wieder von Neuem. Ich vermisse im Moment die Nummer fünf (den fünften WM-Titel, Anm.). Das ist derzeit die größte Herausforderung." Und ob er Schumachers Rekord von sieben Weltmeisterschaften einstellen oder überbieten könne? "Eher nicht, weil ich nicht weiß, ob ich überhaupt so lang Rennen fahren werde. Ich denke, dass vier Titel bis jetzt schon ein toller Meilenstein sind. Es wäre schon großartig, Fangio (mit fünf, Anm.) einzuholen."
Über Zustand und Zukunft der Formel 1 sagte Hamilton vor über zwei Jahren: "Es ist ein zu großer Unterschied zwischen den Teams in der finanziellen Basis. Ferrari kann machen, was sie wollen. Die Formel 1 ist definitiv nicht perfekt aufgestellt. Ich hoffe, dass das mit den neuen Verträgen (ab 2021, Anm.) anders wird. Dass talentierte junge Fahrer eine bessere Chance bekommen als jene mit viel Geld. Das gilt auch für andere Serien. Ich würde mir die Struktur der Formel 1 genauer ansehen, müsste ich bestimmen. Und würde einige Personen ersetzen. In großen Unternehmen werden Verantwortliche, die keinen Erfolg haben, gefeuert. Mit Rennfahrern passiert das auch. Im Management unseres Sports ist das nicht so. Ich würde mir das genauer ansehen. Zuerst die Struktur, die Basis der Teams, dann das Auto und die Technik. Wie könnten wir unsere Rennen so machen wie im Kartsport oder bei Tourenwagen, Rad-an-Rad, enge Zweikämpfe? Real Racing halt, das wäre super aufregend – für Fahrer und Zuschauer. Es gibt nur beschränkte Reifensätze, die Autos klingen nicht gut – es ging irgendwie in die falsche Richtung! Hmmm, das ist eine lange Liste … Ja! Eine Menge hiring and firing! Ich würde einen wie Toto (Wolff) engagieren, um das Ding zu lenken."