Die Zukunft für Sauber ist rosig und heißt "Audi". Die Gegenwart in der Formel 1 ist trist.
Als einziger Rennstall warten die Schweizer aktuell noch auf Punkte. Das betrifft auch Zhou Guanyu, den ersten Chinesen in der "Königsklasse".
Der 25-Jährige fährt aktuell seine dritte Saison in der obersten Motorsport-Kategorie, muss aber wie viele Fahrer aktuell um seine Zukunft kämpfen. Einen großen Vorteil bringt er mit: Er ist die Schlüsselfigur zu einem der potenziell größten Märkte der Welt, denn in seiner Heimat ist der Pionier ein Superstar.
Warum es so lange dauerte, bis das zweitbevölkerungsreichste Land der Erde einen Fahrer in die Formel 1 brachte und mehr Insights über seine aktuelle Situation gibt Zhou im LAOLA1-Interview.
LAOLA1: Du fährst deine dritte Formel-1-Saison, die bis dato schwierigste. Warum tut ihr euch 2024 so schwer?
Zhou Guanyu: Es läuft wirklich zäh. Wir müssen uns mit mehreren Problemen auseinandersetzen. Es ist auch keine einfache Phase für das Team, weil es viele Anpassungen und Änderungen gibt. Das Auto ist nicht so konkurrenzfähig, wie wir uns das erhofft haben. Du hast die fünf Top-Teams, die immer easy in den Top Ten kämpfen. Und dann gibt es zehn weitere Fahrer, die um den neunten, zehnten Platz fighten. Du musst jedes einzelne Wochenende alles geben, um eine Chance zu haben, und die konnten wir bisher nicht ergreifen.
LAOLA1: Unter den aktuellen Regularien können sich Kräfteverhältnisse schnell ändern. Wie groß ist eure Verantwortung und der Einfluss von euch Fahrern, um schnelle Fortschritte auf dieser Seite machen zu können - speziell im Vergleich zu anderen Rennserien?
Zhou: Unser Input ist definitiv wichtig, aber verglichen mit anderen Serien hat die Formel 1 den größten Delta-Unterschied bei der Fahrzeugperformance. Es ist eine Balance, die man finden muss. Es kommt auch sehr auf das Team an. Die größeren Teams haben so viele Leute und finanzielle Mittel mehr, die einfach nur entwickeln und Woche für Woche neue Teile bringen können. Wir haben damit größere Probleme - und das ist normal in der Formel 1. Es ist eine Balance dazwischen, das Auto ins richtige Fenster zu bekommen und neue Dinge auszuprobieren. Wir machen kleine Schritte und hoffentlich können wir früher als später doch um eine Position in den Top Ten mitkämpfen.
LAOLA1: Das Team befindet sich vor dem Audi-Einstieg in die Formel 1 in einer Umbruchphase. Wie lassen sich die aktuellen Gegebenheiten beschreiben?
Zhou: Mit oder ohne Alfa Romeo, das Rennteam selbst hat sich nicht so sehr geändert. Es ist immer noch dieselbe Mannschaft, die in der Schweiz arbeitet. Die größten Änderungen ergeben sich durch die kommende Partnerschaft mit Audi. Das Team bereitet sich schon darauf vor. Andreas (Seidl, Anm.) schaut auf jede Abteilung. Es arbeiten schon genug Leute Richtung 2026, das ist sehr aufregend. Ein interessantes Projekt für das Team. Und hoffentlich ein erfolgreiches.
LAOLA1: Wie schwierig ist es, den Spirit in einem Team aufrechtzuerhalten, das noch um die ersten Punkte kämpft?
"Unsere ganze Motorsportkultur hat sich erst seit 2004 so richtig entwickelt, da sind wir hinter Europa weit zurück. Daher braucht es für Fahrer aus China viel mehr Aufwand, wir wachsen nicht mit dem gleichen Umfeld auf."
Zhou: Es ist eine harte Situation. Bevor du als Fahrer in die Formel 1 kommst, kämpfst du um Siege. Jetzt ist ein Top-Ten-Platz für uns wie ein Podestplatz für ein größeres Team. Aber ich genieße es dennoch, hier zu sein. Es ist eine Ehre, einer von nur 20 Fahrern im Feld zu sein. Diese Chance hat nicht jeder Fahrer. Ich werfe alle Energie rein, jedes Wochenende. Es macht keinen Unterschied, ob es um das Podest, die Top Ten oder gar nur einen Platz außerhalb davongeht. Wenn ich alles reinschmeiße, das Gefühl habe, keine Fehler gemacht zu haben, bin ich zufrieden. Da bringe ich keine schlechte Energie in den Teamspirit, denn sie ist der Schlüssel dazu, dass wir alle alles geben können.
LAOLA1: Vor zwei Jahren hattest du in Silverstone einen schweren Unfall. War es vielleicht sogar eine gute Sache, so früh in deiner Karriere mit so einem Zwischenfall konfrontiert zu sein und mehr Vertrauen in die Sicherheit des Sports zu bekommen?
Zhou: Der Unfall hat damals mein Momentum etwas eingebremst, weil meine Form immer besser wurde. Aber natürlich hat es gezeigt, wie weit die Sicherheit mittlerweile ist. Ich habe eigentlich nicht das Gefühl, dass die Formel 1 oder Racing im Allgemeinen gefährlich ist. Aber natürlich wollen wir immer weitere Fortschritte machen. Da habe ich keine Angst. Wenn ich die hätte, würde ich mir einen anderen Job suchen. Ich hoffe, dass niemand so eine Sache früh in seiner Karriere hinter sich bringen muss, aber jeder hat seine Erlebnisse. Es war auch nicht mein Erstes. Das passiert, wenn man über das Limit geht.
LAOLA1: Der aktuelle Fahrermarkt ist chaotisch. Auch du kämpfst um deine Zukunft. Mit welchen Qualitäten muss man überzeugen?
Zhou: Aktuell ist es wirklich eine Sache des Multitaskings. Du musst jedes Wochenende fokussiert sein und willst deine Zukunft lieber früher als später geklärt haben. Aber für mich ändert das nicht viel. Es ist eine andere Situation als bei meiner Ankunft in die Formel 1. In der Formel 2 kannst du dir aussuchen, für welches Team du fahren willst, in der Formel 1 musst du auf Angebote warten. Dieses Jahr warten alle darauf, was Carlos Sainz macht. Er macht mir derzeit keine Sorgen, aber wir sprechen mit allen Optionen, damit wir einen Plan haben, sobald er sich entschieden hat.
LAOLA1: Wie sind derzeit die Aussichten?
Zhou: Genau werde ich das nicht sagen, aber ich habe einige Optionen. Ich muss auf die Sainz-Entscheidung warten und werde dann sehen, wo ich einen Deal machen kann.
LAOLA1: Gibt es ein bestimmtes Zeitfenster für eine Entscheidung?
Zhou: Ich habe nicht das Gefühl, dass es ein Zeitlimit gibt. Klar würde ich mir wünschen, dass die Sainz-Entscheidung in der Sommerpause fällt, aber alles wird passen. Die Entscheidungen werden dieses Jahr allesamt einfach etwas später gefällt. Anfang des Jahres gab es viel Drama darum, aber jetzt gerade warten einfach alle ab.
LAOLA1: Als erster chinesischer Pilot hast du Formel-1-Geschichte geschrieben, dieses Jahr hast du dein erstes Heimrennen erlebt. Wie hat sich das angefühlt?
Zhou: Das hat sich wirklich gut angefühlt, der Support aller Fans war enorm. Die Menschen hier haben 20 Jahre auf diesen Moment gewartet, dass sie einen heimischen Fahrer bei ihrem Rennen sehen. Die ganze Atmosphäre, das ganze Feedback, das ich bekommen habe, das war in der Form eine ganz neue Erfahrung für mich. Ich hätte das Wochenende in dieser Form nie erwartet.
LAOLA1: Warum hat es doch so lange gebraucht, bis es der erste Chinese in die Formel 1 geschafft hat? Was waren die größten Hürden?
Zhou: Wir haben keinen Hersteller in der Formel 1, das macht es schwieriger. Es braucht ein Unternehmen mit einer gewissen Zugkraft, das die Fahrer von klein auf unterstützt, ihre Karriere aufzubauen. Unsere ganze Motorsportkultur hat sich erst seit 2004 so richtig entwickelt, da sind wir hinter Europa weit zurück. Daher braucht es für Fahrer aus China viel mehr Aufwand, wir wachsen nicht mit dem gleichen Umfeld auf.
LAOLA1: Also gab es vor 2004 kaum Motorsport in China?
Zhou: Nicht wirklich. Zu dieser Zeit fand der erste Grand Prix von China statt, vorher gab es nicht viel. Erst zu dieser Zeit haben die Menschen begonnen, etwas mehr vom Motorsport zu verstehen. Aber es braucht einfach eine große Menge an Leuten, die interessiert und involviert sind, bis Fahrer die Gelegenheit bekommen, sich zu beweisen. Das ist daheim nicht einfach.
LAOLA1: Könnte China durch seine wachsende Auto-Industrie in Zukunft ein größerer Player in der Formel 1 werden?
Zhou: Sie wird schon alleine deswegen ein größeres Thema in China, weil ich hier bin. Seit 2022 gibt es ein massives Wachstum der Popularität und des Motorsports allgemein daheim. In ein paar Jahren kann die Formel 1 hoffentlich dabei helfen, ein Rückgrat des Motorsports aufzubauen. Straßenautos sind ein anderes Thema. Da läuft es bei uns gut, wir haben die besten Elektro-Auto-Hersteller in China. Aber da ist die Formel 1 schon eine ganz andere Welt.
LAOLA1: Die Formel 1 will wieder mehr Rennen in Ostasien im Kalender haben. Was ist dein Gedanke dazu?
Zhou: Mir ist nicht so wichtig, wo wir fahren. Es sollten nur nicht mehr als 24 Rennen sein, das ist recht klar. Wir Fahrer haben jetzt schon nicht viel Zeit, andere Teammitglieder auch nicht. Größere Teams haben mehr Personal, das sich abwechselt, aber wir als kleineres Team haben das nicht. Unsere Mitarbeiter müssen lange ohne ihre Familien auskommen, das ist nicht gut.