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Berger: "Ich habe nur einen Wunsch..."

F1-Legende zum 60er im emotionalen und sehr persönlichen Interview mit Gerhard Kuntschik:

Berger: Foto: © GEPA

Rennsport waren bisher zwei Drittel seines Lebens, fast das ganze dreht sich um Autos und Motoren. Für Österreichs Formel-1-Reporterstar Heinz Prüller war er über Jahrzehnte der "Tiroler Lausbua".

Das verschmitzte Lächeln im Gesicht, das doch ein paar Falten bekommen hat, ist immer noch da. Doch von "Lausbua" kann wirklich keine Rede mehr sein. Denn immerhin wird Gerhard Berger am 27. August 60 Jahre alt.

60? Unmöglich, werden viele Fans meinen. Doch es ist auch schon 22 Jahre her, dass Berger seinen 210. und letzten Grand Prix fuhr und als Vierter in Jerez beendete, wenige Wochen nach seinem zehnten und letzten Sieg als Formel-1-Fahrer. Und es sind gerade elf Jahre vergangen, seit er als Teamchef und Miteigentümer von Toro Rosso mit einem Jungspund namens Sebastian Vettel "seinen elften" Sieg feiern durfte, in Monza, dort wo er 1988 den Ferrari-Fans wenige Wochen nach dem Tod des legendären Commendatore Enzo Ferrari einen historischen Triumph geschenkt hatte.

Neue Karriere, neue Familie

Berger ist längst vielfältiger Geschäftsmann, seit einigen Jahren wieder daheim in Tirol ansässig, bewohnt wieder sein rustikales Haus oberhalb von Söll. Mit neuer, junger Familie: Lebensgefährtin Helene, Tochter Ella (5) und Sohn Johann (2).

Der Rennsport ist weiter in seinem Blut: Nach der aktiven Karriere war er Motorsportleiter von BMW, Teamchef bei Toro Rosso, Vorsitzender einer Kommission des Automobilverbandes, ehe er das Angebot, als ITR-Chef das Deutsche Tourenwagen Masters zu führen, annahm und mit der Saison 2017 loslegte. Und kurz darauf einen von drei Herstellern (Mercedes) "verlor".

Doch Berger schaffte es, Aston Martin über ein Schweizer Team und mit schwäbischem Technik-Support in die Serie zu bringen und deren Fortbestand vorerst einmal zu sichern. Deswegen und wegen seiner umgänglichen, nahbaren Art hat er viele Fans in Deutschland gewonnen, die ihm in seiner aktiven Zeit noch kritisch gegenüberstanden.

Wir treffen Gerhard zum Geburtstagsgespräch. Natürlich in einem Fahrerlager.

LAOLA1: Was wünschst du dir zum 60er – privat und beruflich?

Gerhard Berger: Was ich mir wirklich wünsche: Ich habe durch die Trennung von meiner Frau Ana vor Längerem meine zwei Töchter (stockt) – ich will nicht sagen verloren, aber das Verhältnis ist schwierig, sie vermeiden jeden Kontakt zu Tirol und zu meiner Lebensgefährtin und unseren beiden Kindern. Deshalb habe ich nur einen Wunsch: Alle meine Kinder (fünf, Anm.) einmal beisammen zu haben und ein paar Tage als große Familie zu verbringen.

LAOLA1: Deine Tochter Heidi begleitete dich aber kürzlich zum Österreich-GP?

Berger: Ja, wir sehen uns ja gelegentlich, aber sie kommt wie ihre Schwester Sarah nicht nach Tirol. Die Trennung von meiner Ex-Frau ist jetzt zehn Jahre her, und diese zehn Jahre waren in gewisser Weise ein Horror, und da meine ich nicht die materielle Seite. Ich bin mit meiner neuen Familie sehr glücklich.

LAOLA1: Und dein Wunsch als DTM-Boss?

Berger: Einen weiteren Hersteller für die Meisterschaft. Damit die Serie noch attraktiver wird. Aber ganz ehrlich: Mit 60 hat man gut zwei Drittel des Lebens hinter sich, da wünscht man sich andere Dinge als früher. Vor allem Harmonie um sich herum, Zeit mit Freunden und der Familie.

LAOLA1: Motorsport war immer dein Leben. Wie lang wird er es noch sein?

Berger: Das kann ich so nicht sagen. Ich stelle nur fest: Ich bin immer noch ein lebensfroher Mensch, aber ich bin mit dem Motorsport und meinen Firmen völlig ausgelastet. Es wäre schön, mehr Zeit für Familie und Hobbys zu haben. Ich bin ja ausgebucht: Unter der Woche daheim im Unternehmen, am Wochenende beim Rennsport. Aber man hat Verantwortung: In meiner Firma (Spedition, Fahrzeugtechnik, Anm.) für über 500 Mitarbeiter, das bringt Sorgen und Belastung.

LAOLA1: Denkst du an die Pension?

Berger: Es gibt da viele, die dann sehr aktiv werden, unternehmenslustig, sportlich aktiv bleiben. Und es gibt andere, die immens schnell abbauen. Das möchte ich eigentlich nicht, da will ich lieber weiterarbeiten. Auch wenn es teilweise stressig ist, wie zuletzt, als ich wegen der Kooperationsgespräche mit der japanischen Super-GT-Serie nach Fuji flog. Aber ich sehe das trotzdem noch nicht als Belastung, weil ich es ja ändern könnte. Ich mache den DTM-Job sehr gern, aber manchmal fragst du dich, was der Preis für deine Tätigkeiten ist. Die Familie kommt leider zu kurz.

LAOLA1: Bist du froh, wieder in Tirol zu sein?

Berger: Ja. Wenn ich hinausschaue, weiß ich: Wir haben die schönste Natur hier.

Dann kann man aber auch fragen, was ist das für ein Leben, wenn es nur Verbote gibt? Wenn Menschenmassen zu einem Ereignis, und da meine ich nicht nur Motorsport oder Sport, kommen, muss sie das wohl sehr interessieren. Ich halte es für gefährlich, wenn versucht wird, private Interessen zu lenken, zu kanalisieren. Es sollen Beiträge geleistet werden, die machbar sind.

Berger über Umweltschutz

LAOLA1: Dein Unternehmen ist in der Transport- und LKW-Branche tätig und sitzt im Inntal, wo die Verkehrsbelastung ein latentes Thema ist. Machst du dir Sorgen?

Berger: Nein. Es muss Gütertransport geben. Jeder will etwas zu essen und zu trinken haben. Die Logistikbranche wird es weiterhin geben. Die Frage ist, welche neue Lösungen es geben wird. Einerseits bist du gezwungen, wirtschaftlich konkurrenzfähig zu sein, andrerseits wird das Thema Umwelt immer relevanter. Es wird Maßnahmen geben müssen, aber ich sage: lieber gar keine als schlechte. Aber wir sind alle gefordert, neue Wege zu finden, das steht außer Frage. Und zwar nicht nur beim Verkehr, auch im Tourismus. Klar ist der bei uns ein gutes Geschäft, aber wenn ich mir den Massentourismus anschaue, der mancherorts beginnt, muss ich mich fragen, ob es nicht eine starke Hand zur Lenkung braucht. Unsere Berge dürfen nicht wie die Inntalautobahn werden.

LAOLA1: Wird es Motorsport angesichts der aktuellen Klima-Diskussionen weiter geben? Wo wird der Motorsport in fünf bis zehn Jahren sein?

Berger: Die Umweltbelastung durch die paar Autos, die da herumfahren, ist zu vernachlässigen. Jetzt kann man aber einwenden, die Leute, die da mit den Autos herkommen, um sich die Rennen anzusehen, sind vielleicht nicht zu vernachlässigen. Dann kann man aber auch fragen, was ist das für ein Leben, wenn es nur Verbote gibt? Wenn Menschenmassen zu einem Ereignis, und da meine ich nicht nur Motorsport oder Sport, kommen, muss sie das wohl sehr interessieren. Ich halte es für gefährlich, wenn versucht wird, private Interessen zu lenken, zu kanalisieren. Es sollen Beiträge geleistet werden, die machbar sind. Ich bin dafür, dass man beim Automobil vernünftige Lösungen für die Zukunft sucht. Aber ich bin nicht dabei, wenn uns erklärt wird, dass Elektromobilität das Allheilmittel der Zukunft ist. Wenn man Batterieerzeugung und Recycling mit einbezieht, muss man bessere Lösungen suchen. Die Elektromobilität ist von der Politik aufgezwungen, und alle laufen hinterher. Das ist für mich keine Lösung.

LAOLA1: Wirst du deinem zweijährigen Sohn Johann einmal ein Kart kaufen? Darf er Rennfahrer werden?

(Berger grinst und greift zum Mobiltelefon und zeigt ein Video, wie Johann mit einem Tret-Vierradler durch den Garten braust und eine Kurve im Drift nimmt.)

LAOLA1: Okay, alles klar. Frage beantwortet. Nächste Frage: Bist du politisch interessiert?

Ich musste leider feststellen: Viele langjährige Freunde sind von uns gegangen. Du denkst, du bist mitten im Leben, und dann diese Nachrichten. Das stimmt dich nachdenklich.

Berger über die Vergänglichkeit

Berger: Wenn ich die ersten Seiten der Zeitungen ansehe, wundere ich mich oft. Ich sehe da ein Strukturproblem. Ein Spitzenpolitiker müsste eigentlich ein Top-Manager sein, er leitet im Prinzip ja ein Unternehmen mit Tausenden oder Millionen Menschen. Für diese Verantwortung soll er auch ordentlich entlohnt werden. Aber als Politiker ist man dauernd zu Kompromissen gezwungen.

LAOLA1: Pflegst du Freundschaften mit früheren Konkurrenten?

Berger: Ich musste leider feststellen: Viele langjährige Freunde sind von uns gegangen. Der Niki (Lauda), Bertl (Wimmer), der Charly (Lamm, Schnitzer-Motorsportboss). Du denkst, du bist mitten im Leben, und dann diese Nachrichten. Das stimmt dich nachdenklich. Von den früheren Konkurrenten hat sich mit Jean Alesi eine lange Freundschaft erhalten. Mit der Familie meines engen Freundes Ayrton Senna habe ich fast keinen Kontakt mehr.

LAOLA1: Betreibst du noch Sport? Wie war es nach Karriereende, nach dem harten Fitnessprogramm eines F1-Fahrers?

Berger und Schumacher 1996
Foto: © GEPA

Berger: Ja, ich mache noch Sport, aber viel zu wenig. Mountainbiken zum Beispiel. Damals war das schon ein markanter Einschnitt. Natürlich legte ich gewichtsmäßig zu, dann brachte ich wieder ein paar Kilo herunter. Ich bin nicht unzufrieden derzeit, auch wenn es besser sein könnte...

LAOLA1: Weißt du mehr über Michael Schumacher als wir alle?

Berger: Nein. Ich frage auch nicht nach. Ich will Michael so im Gedächtnis behalten, wie ich ihn jahrelang erlebt habe.

LAOLA1: Was war das größte Glück in deinem Leben?

Berger: Dass ich die Formel 1 überlebt habe.

LAOLA1: Und die größte Enttäuschung?

Berger: Ich bin in meinem Leben immer wieder rauf- und runtergefallen. Aber ich konnte das Runterfallen immer verkraften. Ich konnte damit umgehen.

LAOLA1: Denkst du manchmal, wäre das und das passiert, hätte ich Weltmeister werden können?

Berger: Überhaupt nicht. Keine Stunde. Ich bin zufrieden, so wie es lief.

 

Das Gespräch führte Gerhard Kuntschik

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