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Indy 500: Die Österreicher im "Nudeltopf"

Rückblick vor 104. Indy 500: Bei Premiere waren zwei Österreicher dabei.

Indy 500: Die Österreicher im Foto: © getty

Corona hat auch den US-Rennsport völlig durcheinandergewirbelt. Der Sonntag ist - völlig unüblich - wieder der Tag für "the Greatest Race", das Indy 500, das sonst am Memorial-Day-Wochenende Ende Mai stattfindet.

Und diesmal – nach einem Versuch, ein Viertel der Plätze füllen zu können – mit null Fans statt der bis zu 400.000 im mächtigen Indianapolis Motor Speedway. Das seit dem Vorjahr nicht mehr der Hulman-George-Familie gehört, sondern der Rennsport-Legende Roger Penske.

1969 feierte Mario Andretti, damals 29, seinen legendären Sieg – der einzige des Clans. 33 Jahre nach der letzten "Pole" von Mario (1987) startet Sonntag mit Enkel Marco, dem Sohn des Ex-F1-Piloten und FE-Teameigners Michael Andretti, wieder ein Andretti vom besten Startplatz. Er war im Pole-Day-Shootout der besten neun Qualifyer mit einem Schnitt von 371,8 km/h für vier fliegende Runden (16 Kilometer) der Schnellste. D

ie ersten Drei (hinter Andretti beginnen Mehrfach-Champ Scott Dixon und Ex-F1-Pilot Takuma Sato aus Reihe eins) und elf der besten Zwölf fahren Dallara mit Honda-Antrieb – ein Debakel für Konkurrent Chevrolet, dessen Gast-Star Fernando Alonso auch nur auf Startplatz 26 unter 33 Qualifizierten kam. Drei weitere frühere F1-Piloten sind auch noch dabei: Alexander Rossi (9./Sieger des 100. Rennens 2016), Marcus Ericsson (11.) und Max Chilton (30.).

Und wo sind die Österreicher im "Nudeltopf"?

Da erinnert man sich nur an die zwei ziemlich erfolglosen Versuche von Jochen Rindt (1967 und 1968 ausgeschieden) zurück. Doch kaum jemand weiß, dass bei der allerersten Auflage am 30. Mai 1911 zwei Bürger Österreich-Ungarns am Start waren: Joseph "Joe" Jagersberger aus Wr. Neustadt und Louis Schwitzer aus Bielitz in österreichisch Schlesien (heute Bielska in Polen). Beide wurden in allen Dokumenten als Amerikaner geführt, obwohl beide erst nach dem Ersten Weltkrieg US-Bürger wurden.

Erstes Rennen? Wien- Salzburg mit Schnitt von 24 km/h

Jagersberger, geboren am 14. Februar 1884, begann 14-jährig eine Lehre bei Daimler in Stuttgart und wanderte 1903 in die USA, nach Racine in Wisconsin, aus. Sein erstes Rennen bestritt er schon 1897, von Wien nach Salzburg als Beifahrer und Mechaniker des Belgiers Camille Jenatzy – die beiden waren das einzige Team im Ziel mit einem Schnitt von 24 km/h!

Beim Gordon Bennett Cup 1903 machte der Wr. Neustädter Bekanntschaft zweier prominenter Herren: John Jacob Astor IV. (der 1912 auf der Titanic den Untergang nicht überlebte) und Harry Harkness, Vorstandschef von Standard Oil – die ihn zu einer Rennkarriere überredeten. Astor engagierte den Österreicher auch als Chauffeur. Der Höhepunkt wurde 1911 das Indy 500, als er für die Case Corporation antrat, aber in Runde 88 (von 200) nach einem Unfall auf der Zielgeraden nach Lenkungsbruch aufgeben musste.

Dabei ereignete sich Kurioses: Jagersbergers unkontrollierter Bolide kam erst kurz vor dem Stand der Rennleitung und Protokollführer zum Stehen. Die Funktionäre verließen fluchtartig ihre Posten, worauf für rund zehn Minuten keine Runden-Protokolle geführt wurden – weshalb später mehrmals der offizielle Sieger Ray Harroun in Frage gestellt, aber nie korrigiert wurde.

Augen- und Beinverletzung beendete Karriere von Jagersberger

Jagersbergers Karriere als Rennfahrer war wenige Monate später, im November 1911, zu Ende: Bei einem Test in Columbus (South Carolina) platzte ein Reifen, der Wagen raste in einen Zaun. Der Beifahrer entkam unverletzt. Doch der Niederösterreicher erlitt eine Augen- und eine schwere Beinverletzung – nach Monaten im Spital musste der rechte Unterschenkel amputiert werden.

Jagersberger gründete seine Firma Rajo (Racine-Joe) und entwickelte für Rennteams und Hersteller – u.a. 1919 einen Zylinderkopf für den Ford T, der die Leistung des Motors mehr als verdoppelte. Später konstruierte er auch die erste DOHC-Ventilsteuerung für Chevrolet. Jagersbergers Firma bestand auch nach seinem Tod am 5. Oktober 1952 weiter und wurde 1980 geschlossen.

Der Österreicher war Mitglied der amerikanischen Gesellschaft der Automobil-Ingenieure und erhielt zahlreiche Ehrungen. 

In den ersten Jahren des Indy 500 waren die Boliden Zweisitzer – mit einem Platz für den mitfahrenden Mechaniker, der auch den "Verkehr" überwachte. Lediglich Auftakt-Sieger Ray Harroun fuhr solo, weil er mit der selbst konstruierten Weltneuheit eines Rückspiegels auf den Beifahrer verzichten konnte. Außerdem gab es in dem Langstreckenrennen (das 1911 fast sieben Stunden dauerte) "Ersatzfahrer" für kurze Phasen.

Ein solcher war Louis Schwitzer (geboren am 29. Februar 1880 in Bielitz), der im ersten Indy 500 den am Ende zehntplatzierten Harry Cobe (Jackson) für etliche Runden ablöste. Schwitzer war dennoch schon eine Berühmtheit: Am 19. August 1909 hatte er das allererste Rennen im eben fertiggestellten Speedway über acht Kilometer gewonnen. Sein Urenkel Louis Schwitzer IV. erzählte einmal: "Als mein Großvater 1912 geboren wurde, sagte meine Urgroßmutter: Deine Rennfahrerzeit ist zu Ende, jetzt bist du Familienvater!"

Schwitzer arbeitete danach als Techniker, hatte schon an den Motor von Harrouns Marmon Wasp (dem Siegerauto 1911) Hand angelegt. Schwitzer war Mitglied der Technik-Kommission des Indianapolis Speedway von 1912 bis 1945 und spezialisierte sich auf die Entwicklung von Hydraulik- und Kühl-Systemen, Wasser- und Öl-Pumpen und Turbolader.

Schwitzer verdiente ein Vermögen und wurde Philanthrop – nach ihm ist das Studentencenter der Universität Indianapolis benannt, jährlich wird beim Indy 500 bis heute der Louis-Schwitzer-Preis für herausragendes Design in Verbindung mit Indycars verliehen. Schwitzer starb am 9. Mai 1967 in Indianapolis. 1970 wurde er in die Automotive Hall of Fame aufgenommen, die neben dem Henry-Ford-Museum in Dearborn, Michigan, zu finden ist.

Diese Ehre wurde aus Österreich auch noch Béla Barényi (1907– 1997), Ferdinand Piëch (1937-2019) und dessen Großvater Ferdinand Porsche (1875–1951) zuteil. 

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