Am Sonntag um 18:45 (MESZ) ist es wieder so weit: Nach dem traditionellen Aufruf "Lady and Gentlemen, start your engines", werden 32 Herren und eine Dame (die gewöhnlich als Porsche-Fahrerin bekannte Schweizerin Simona de Silvestro als 33. und Quali-Letzte) die 105. Auflage der 500 Meilen von Indianapolis im legendären 4-km-Oval in Angriff nehmen.
Aus der "Pole" startet der 40-jährige Neuseeländer Scott Dixon, sechsfacher Indycar-Champion (zuletzt 2020) und Gewinner 2008. Er absolvierte die vier fliegenden Runden mit einem Schnitt von 372,8 km/h im Ganassi-Dallara-Honda.
Neben ihm starten aus Reihe eins das US-Talent Colton Herta (Andretti-Honda) und der niederländische Aufsteiger Rinus Veekay im besten Chevrolet von Ed Carpenter.
Weitere frühere Indy-500-Gewinner im Feld sind Tony Kanaan (BRA/Startposition fünf), Ryan Hunter-Reay (USA/7), Helio "Spiderman" Castroneves (BRA/8), Alexander Rossi (USA/10), Takuma Sato (JAP/15), Juan Pablo Montoya (KOL/24), Simon Pagenaud (FRA/26) und Will Power (AUS/32).
Neben Rossi, der das 100. Indy 500 2016 für Mike Andretti nach seinem Rausschmiss aus der Formel 1 gewinnen konnte, Sato und Montoya sind mit Marcus Ericsson (SWE/9), Sébastien Bourdais (FRA/27) und Max Chilton (GBR/29) weitere Ex-F1-Piloten im Feld.
Dazu kommt der Indy-Rookie Pietro Fittipaldi (BRA/13), der aktuell Reservist bei Haas in der F1 ist und im Vorjahr Romain Grosjean am Saisonende ersetzte. Grosjean, der zu den Indycars wechselte, bestreitet in seiner Debütsaison bei den Indycars aber keine Ovalrennen.
Große Klassiker in den "Nudeltöpfen"
In den "Nudeltöpfen" spielen sich in den USA die großen Klassiker ab: Für die Monoposti eben das Indy 500 immer am letzten Sonntag im Mai (Ausnahme das Corona-Jahr 2020), für die Stockcars das Daytona 500 als Saisonstart des NASCAR-Cups Mitte Februar.
Und der wichtigste Langstreckenklassiker der Sportprototypen und GT-Autos, die 24 Stunden von Daytona, wird zu einem Drittel auf dem Ovalkurs absolviert. Von den heurigen 16 Indycar-Rennen werden insgesamt vier in Ovalen gefahren, von 38 NASCAR-Läufen 30.
Doch in Europa sind Ovale verpönt. Die Champ-Car-Versuche Anfang der 2000er-Jahre in Deutschland (Lausitzring) und England (Rockingham) waren Flops. Diese Ovalkurse werden nicht mehr für bedeutende Rennen verwendet.
Doch es gab im vorigen Jahrhundert einige Jahrzehnte Oval-Highlights in Europa. Die erste permanente Rennstrecke überhaupt war das 4,43-km-Oval von Brooklands (nahe Weybridge, Grafschaft Surrey), das schon 1907 fertiggestellt worden war. Es wurde ab dem Zweiten Weltkrieg zum Militärflugplatz umfunktioniert und beherbergt heute nur noch ein Museum.
1911 ging in den USA das erste 500-Meilen-Rennen im Oval von Indianapolis (eröffnet 1909) in Szene. Monza (4,25 km) war das zweite Oval in Europa, das von 1922 bis 1969 genutzt wurde. Es existiert heute noch, nach zahlreichen schweren Unfällen war mit Rennen aber 1969 Schluss.
1924 wurde am südlichen Rand von Paris das Oval von Montlhéry (2,55 km) eröffnet, doch schon beim ersten französischen Grand Prix verunglückte dort 1925 Antonio Ascari (der Vater Alberto Ascaris) in einem Alfa Romeo P2 tödlich. Der Straßenkurs von Montlhéry diente bis vor wenigen Jahren als Schauplatz für Oldtimerevents.
Die Berliner AVUS, 1921 eröffnet, erhielt 1937 anstelle der Nordkurve eine Steilkurve mit 43 Grad Neigung, die 1967 wieder abgerissen wurde. Der einzige Formel-1-WM-Lauf fand dort 1959 statt und wurde von Tony Brooks im Ferrari gewonnen.
Das Oval mit der skurrilsten Geschichte
Und dann gibt es noch das Oval mit der skurrilsten Geschichte.
Wer heute die Autobahn C32 an der Costa Garraf südlich von Barcelona in Richtung der Kleinstadt Sitges verlässt, passiert eine zwischen Einfamilienhäusern, Bäumen und Sträuchern verborgene Motorsportstätte in einer Entfernung von wenigen hundert Metern. Das historische Oval von Sitges-Terramar war als Zentrum des spanischen Motorsports geplant und erlebte nur ein Rennen, am 28. Oktober 1923.
Die heute noch existierende Betonbahn ist immerhin in einem so guten Zustand, dass Audi Sport 2012 die spanische Rallyelegende Carlos Sainz und den damaligen DTM-Piloten Miguel Molina dort schnelle Runden im R8 LMS ultra drehen ließ: Seither hält "El Matador" Sainz mit 42,6 Sekunden für die zwei Kilometer den Streckenrekord.
Er unterbot den Rekord aus 1923 des britischen Grafen Louis Zborowski (45,8 Sek.) in einem Miller 122. Zborowski wurde in Sitges Zweiter, fuhr 1923 auch das Indy 500 in einem Bugatti und verunglückte 1924 in Monza in einem Mercedes tödlich.
Jaume Mestres als Architekt der Piste muss mit seinen Leuten ganze Arbeit geleistet haben. Dank der hochklassigen Verarbeitung und auch des milden, trockenen Klimas blieb die Betonbahn in Sitges bis heute beschränkt benutzbar, auch wenn das nun im Privatbesitz befindliche Autodrom längst nicht mehr zugänglich ist.
Vier Millionen Peseten hatte die Errichtung 1922/23 gekostet, die in 300 Tagen beendet war. Das Konzept war derart auf Hochgeschwindigkeit ausgelegt, dass die 60 Grad überhöhten Kurven der zwei Kilometer langen Strecke noch heute Furcht einflößen und ein Begehen unmöglich machen.
Das erste internationale Rennen am 28. Oktober 1923 war für Zweiliter-Grand-Prix-Autos ausgeschrieben und wurde von Albert Divo in einem Sunbeam mit dem Schnitt von 156 km/h vor Zborowski gewonnen.
Es blieb auch das letzte internationale Rennen. Weil Verbindlichkeiten aus den Baukosten unbezahlt geblieben waren, kassierte die Baufirma die Eintrittsgelder, worauf der Veranstalter die Preisgelder nicht bezahlen konnte.
Daraufhin verlor das Autodrom die internationale Lizenz. Die Fahrer hatten sich zudem über den risikoreichen Übergang von den Geraden in die Steilkurven beschwert. Bis auf einige kleinere Rennen in den 1920ern und dann nochmals in den 1950ern war das Autodrom Sitges-Terramar bereits wieder Geschichte.
Es wurde jedoch 2018 durch Seat wiederbelebt, als dort die Sportmarke Cupra geboren wurde.