Das Jubiläum der 24 Stunden von Le Mans – der Endurance-Klassiker wird am Wochenende 100 Jahre alt – lässt das Interesse am Langstreckensport bei den Fans steil ansteigen.
Bei den Herstellern hat die Reglement-Angleichung zwischen dem Le-Mans- und WEC-Organisator ACO und der FIA einerseits sowie der amerikanischen Meisterschaft IMSA andrerseits zu einem regelrechten Boom der neuen Topklasse geführt.
Sieben Hersteller (Toyota, Peugeot, Ferrari, Porsche, Glickenhaus, Vanwall Vanderwell und Cadillac) setzen an der Sarthe insgesamt 16 Werks- bzw. Kundenautos ein. Zu den Rückkehrern nach Le Mans zählt Cadillac – die Amerikaner werden drei V-Series R Hypercars mit den Teams von Chip Ganassi und Action Express am Start haben.
Zeitplan der 24 Stunden von Le Mans>>>
Ein Österreicher bei Cadillac
Und da kommt ein Österreicher ins Spiel: Willi Dörflinger. Der höchst erfolgreiche Geschäftsmann war immer schon Motorsport-Fan, unterstützte gemeinsam mit Toto Wolff die Karriere von Valtteri Bottas (beide sind derzeit nur §passiv§ engagiert, Bottas wird von Mika Häkkinen und Didier Coton gemanagt).
Als zweitgrößter Gesellschafter der Rennschmiede HWA AG in Affalterbach war er seit Jahren in die HWA-Projekte in DTM, Formel 3 und Formel E involviert. Nach der Trennung von AMG beginnt HWA nun eine neue Partnerschaft: mit Cadillac. Die Le-Mans-Boliden sollen auch für künftige Einsätze im World Endurance Championship (WEC) in der Gemeinde nahe Ludwigsburg vorbereitet werden.
"Wir beginnen die Zusammenarbeit auf kleiner Flamme", gibt sich Vorstand Martin Marx bescheiden, "aber wir wollen die Kooperation vertiefen." Derzeit arbeiten 20 amerikanische Techniker in Affalterbach, hkünftig werden es wohl deutlich mehr sein.
Willi Dörflinger, Steirer, 72 Jahre alt, hält nicht nur 18,1 Prozent am Halbleiterhersteller AT&S, sondern auch als stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates über seine Beteiligungs-GmbH 26,4 Prozent der Anteile an HWA, dessen Namensgeber und Gründer Hans Werner Aufrecht mit 36,5 Prozent größter Shareholder ist. Für das Unternehmen mit jahrelanger Rennsportexpertise (über 300 Mitarbeiter) ist eine langfristige Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Premiumhersteller Cadillac eine höchst attraktive Aufgabe.
Für Cadillac fahren in Le Mans Earl Bamber (Le-Mans-Sieger 2015 mit Porsche), Alex Lynn und Richard Westbrook (#2), Sébastien Bourdais, Renger van der Zande (#3) und Scott Dixon (sechsfacher Indycar-Champion) sowie Luis Felipe Derani, Alexander Sims und Jack Aitken (#311).
Warum Cadillac wieder auf der Langstrecke in IMSA und WEC unterwegs ist, erklärte die Leiterin Sportwagen, Laura Wontrop Klauser, so: "Es ist fantastisch, jetzt mit einem Prototyp auf höchster Ebene in IMSA und WEC teilzunehmen. Unsere Marke wuchs zuletzt ständig, und wir sind bereit, der Welt zu zeigen, worum es Cadillac geht und was wir können. Mit Blick auf die elektrische Zukunft ist die Hybridformel die ideale Bühne. Wir haben deutliche Produktionssteigerungen für die europäischen Märkte im Plan. Aber es geht auch um die Darstellung der Marke, um das Wecken von Interesse. Das gelingt nicht über Nacht. Da muss man länger und konstant dafür arbeiten. Bei diesen Rennen funktioniert die Kommunikation mit den Fans."
Wie in Le Mans: Heuer 250.000 Fans, Tickets ausverkauft.
Wird Habsburg 2024 "Franzose"?
Im Vorfeld des Jubiläumsrennens hat Alpine die Vorstellung seines neuen Hypercars für das WEC ab 2024 angekündigt. Das bei Oreca gebaute Chassis wird von einem Hybridmotor aus der Renault-Zentrale in Viry-Chatillon angetrieben.
Und die Fahrer sind im Gegensatz zum bewährten Einsatzteam (Signatech) offiziell noch nicht bekannt. Doch Gerüchte sehen Ferdinand Habsburg ab 2024 im blauen Alpine in der Topklasse, nachdem der gebürtige Salzburger seit 2021 für WRT im LMP2 unterwegs ist (WEC-Champion und Le-Mans-Sieger auf Anhieb 2021).
Früher Krach im "österreichischen" Team
Eine unruhige Vorbereitung erlebte das Floyd Vanwall Racing Team, denn es gab ein internes Zerwürfnis. Teamchef Colin Kolles (ex-Force India, -HRT), der als Wahl-Kitzbüheler seit Jahren mit österreichischer Lizenz antritt, ersetzte seinen "Starpiloten" Jacques Villeneuve wenige Tage vor dem offiziellen Testtag durch den Franzosen Tristan Vautier, was der F1-Weltmeister von 1997 laut eigener Angabe aus den Medien erfuhr.
Der mittlerweile 52-Jährige hatte in den ersten drei Rennen des WEC eine unglückliche Saison, konnte meist mit den Teamkollegen Esteban Guerrieri und Tom Dillman nicht mithalten.
Nach dem nur für Le Mans angekündigten Rausschmiss durch Kolles zog Villeneuve die Konsequenzen und wird auch die restlichen drei WEC-Läufe dieser Saison nicht mehr bestreiten. "Ich werde mich um eine solide Beschäftigung für 2024 umsehen", teilte der Kanadier mit.
Testtag: Ferrari vor den Favoriten
Der offizielle Testsonntag bestätigte unter neuen Voraussetzungen, dass die Ferrari 499P härteste Rivalen von Dauersieger Toyota sein werden – zumal die Deutsch-Japaner 37 Kilogramm Zusatzgewicht aufgebrummt bekamen, Ferrari aber lediglich 24 Kilo zuladen muss, Cadillac elf und Porsche "nur" drei Kilo. Peugeot, Glickenhaus und Vanwall bleiben unverändert.
Antonio Giovinazzi fuhr Test-Bestzeit im Ferrari (3:29,504) vor Laurens Vanthoor im Porsche (0,144 Sek. zurück) und Kamui Kobayashi im Toyota (0,179). In der LMP2-Klasse erreichte Ferdinand Habsburg im WRT-Oreca die zweitbeste Zeit, René Binder im Duqueine-Oreca landete auf Platz zwölf, Mirko Bortolotti im Prema auf Rang 19. In der GTE Am-Klasse war Richard Lietz im Proton-Porsche 911 RSR 13.
Training und Qualifying finden Mittwoch und Donnerstag statt. Start am Samstag ist um 16 Uhr. Das 100-Jahr-Jubiläum ist das 91. Rennen seit 1923: Es entfiel 1936 wegen Generalstreiks in Frankreich und von 1940 bis 1948 wegen des Kriegs.