Nach einer langen Durststrecke und einigen schmerzhaften Niederlagen ist Toyota seit dem ersten Gesamtsieg in Le Mans (2018 mit Alonso/Buemi/Nakajima) an der Sarthe ungeschlagen.
Und nachdem die Kölner Mannschaft (denn dort ist die Europazentrale für Toyotas Motorsporteinsätze) in der laufenden WM die ersten drei Rennen in Sebring, Portimao und Spa-Francorchamps jeweils deutlich gewann, wäre auch ein sechster Toyota-Sieg in Folge beim 100-Jahr-Jubläum des Klassikers am Wochenende keine Überraschung.
Allerdings: In der neuen Einstufung (Balance of Performance - BoP), die Ausgeglichenheit anstrebt, wurden die beiden GR010 Hybrid mit 37 Kilogramm Zusatzgewicht belastet, mehr als Ferrari, Porsche und Cadillac, während unter den Hypercars Peugeot, Vanwall und Glickenhaus nichts zuladen müssen.
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Alex Wurz als warnende Stimme
Und es gibt dazu auch eine warnende Stimme.
Seit dem Ende seiner Rennfahrerkarriere mit zwei Le-Mans-Gesamtsiegen und drei F1-Podestplätzen in der Saison 2016 ist Alexander Wurz als Berater des Toyota-Werkteams in der Langstrecken-WM (WEC) tätig und hatte seinen Anteil an den vier WM-Titeln und fünf Le-Mans-Triumphen.
Warum der Langstreckensport plötzlich so viele Hersteller wie selten zuvor anzieht und noch mehr kommen werden, erklärt der 49-jährige Niederösterreicher im Gespräch mit LAOLA1:
LAOLA1: Ist der Aufschwung des Langstreckensports allein der Reglementangleichung zwischen Europa und den USA, also zwischen WEC und IMSA, zuzuschreiben oder gibt es auch andere Gründe?
Alex Wurz: Es spielte neben dem Reglement auch die neue Topklasse Hypercar eine Rolle, die wesentlich weniger Budget erfordert als die frühere LMP1-Kategorie, aber dennoch Top-Motorsport bietet. Ein Vorteil ist die Leistungsbeschränkung, sodass sich alle Hersteller in einem Rahmen bewegen müssen, was - nach Aussortieren von Anfangsproblemen - Ausgeglichenheit bringen wird. Und die noch dazu zu einem Drittel bis höchstens 50 Prozent der Kosten der LMP1-Klasse. Auf jeden Fall signifikant weniger und einfacher zu kontrollieren.
LAOLA1: Wie steht es um Nachrüstung?
Wurz: Du hast ein Basisauto, das du einmal neu homologieren kannst. Das heißt, du brauchst nicht jede Saison ein neues Auto bauen, weil die Basis eingefroren ist. Das ergibt eine deutliche Kostenersparnis.
LAOLA1: Ist der Höhepunkt heuer - zuletzt waren in Spa-Francorchamps mit 13 Hypercars deutlich mehr am Start als bisher, in Le Mans werden es 16 sein - schon erreicht?
Wurz: Nein. Nach Porsche, Cadillac, Peugeot, Ferrari und Vanwall, die zu Toyota und Glickenhaus dazukamen, stellen sich ab nächstem Jahr auch Alpine, BMW und Lamborghini der Herausforderung. Wobei ja die immer noch vorhandene Komplexität der Autos keine sofortigen Leistungen am Plafond zulässt. Das heißt, es wird mit dem Aufschließen der Neueinsteiger nach einer gewissen Lernphase noch enger und damit ausgeglichener, erst dann kann man wirklich von einer Blüte des Sports sprechen. Da wird dann ein Dutzend Autos innerhalb einer halben Sekunde sein. Wobei das Aufholen auf die Rundenzeit einfacher ist als über eine Gesamtdistanz von sechs, acht oder 24 Stunden.
LAOLA1: Was müssen die Neuen in der Topklasse lernen?
Wurz: Bei den Fahrern müssen bisherige GT-Piloten nicht nur mit dem Speed, sondern auch mit diversen Prozessen zurande kommen. Ferrari zum Beispiel ist bei der Rundenzeit schon auf Toyota-Niveau, aber nicht über eine Renndistanz. Und die anderen werden auch aufholen. Teams wie Jota, die von einem LMP2 auf ein Modell der Topklasse umsteigen, müssen viel Neues berücksichtigen: Das Programmieren der Systeme, die äußeren Einflüsse auf die Aerodynamik, die Energierückgewinnung usw. sind anders und viel komplexer als bei einem LMP2. Dazu kommt, dass Jota seit Spa einen Porsche 963 als Kundenteam einsetzt, aber nicht auf Daten eines etablierten Fahrzeugs zurückgreifen kann, weil ja Porsche auch erst heuer mit dem neuen Modell eingestiegen ist.
LAOLA1: Wird das WEC ausreichend gut vermarktet?
Wurz: Um es freundlich zu formulieren: Es gibt noch Raum für Verbesserungen… Auch das WEC muss den Motorsporthype, der vielerorts ausgebrochen ist, nützen. Und die Coolness des Langstreckensports besser hervorheben, weil die Fahrer harte Kerle sind, die bei jedem Wetter, Tag und Nacht, ihr Bestes geben. Wir müssen auch F1-Fans für die Langstrecke begeistern. Und man soll sich nicht gegenseitig Publikum wegnehmen.
LAOLA1: Wie ist ein Hypercar-Budget im Vergleich zur aktuellen Formel 1 - mit Kostenlimit - einzuschätzen?
Wurz: Ich würde sagen, bei 15 bis 20 Prozent für Werke, für Kunden noch weniger.
LAOLA1: Ein Sieg beim 100-Jahr-Jubiläum wird wohl noch bedeutsamer?
Wurz: Dieses Jubiläumsrennen zu gewinnen wäre für jeden genial.
LAOLA1: Toyota ist ja mit dem Hypercar GR010 Hybrid schon etabliert. Wie hat sich das Team zwischen dem Finale 2022 im November in Bahrain und dem Start 2023 Mitte März in Sebring vorbereitet?
Wurz: Wir hatten drei vollständige Tests und haben unser Upgrade homologiert. Das heißt, dass wir nur noch einzelne "Joker" für Detailverbesserungen haben, die uns aber zugewiesen werden müssen. Wenn wir dauernd gewinnen, bekommen wir keine. Im Prinzip fahren wir bis inklusive 2026 mit dem heurigen Auto. Also wird die Konkurrenz aufholen, ich erwarte Ferrari 2024 gleichauf. Und die Neuen haben dann je noch einmal ihr Homologationsauto zum Nachrüsten. Es gelingt Ingenieuren immer, auf ein Topziel hinzuarbeiten. Wir aber stehen schon jetzt praktisch an.
LAOLA1: Toyotas WEC-Mannschaft hat quasi einen Spielertrainer. Denn Ex-F1-Pilot Kamui Kobayashi ist seit Anfang 2022 auch Teamchef - neben seinem Fahrerjob. Wie kann das funktionieren?
Wurz: Kamui ist in der Zentrale in Japan sehr gut vernetzt, mit bestem Zugang zum obersten Boss Akio Toyoda, und ist unser Bindeglied zwischen Köln und Japan.
LAOLA1: Wird Toyota künftig auch in der amerikanischen IMSA-Serie antreten?
Wurz: Dazu kann ich nur sagen, dass der nordamerikanische Markt für Toyota und Lexus sehr wichtig ist. Und die Basisidee, die Reglements beider Serien anzugleichen, kam ja von Toyota, weil Toyota globale Interessen verfolgt.