Groß ist die Chance nicht. Aber sie lebt für Andrea Dovizioso.
Der 31-Jährige braucht in Valencia einen Sieg, um Marc Marquez dessen vierten MotoGP-Titel noch streitig zu machen. Und etwas Schützenhilfe vom Lokalmatador.
Auch ohne die mögliche Krönung wird die Saison 2017 als jene des Italieners in Erinnerung bleiben.
Jeweils sechs Siege haben die WM-Kontrahenten vor dem Saisonfinale zu Buche stehen. Während so eine Performance vom längst erwachsenen spanischen Wunderkind fast zu erwarten war, trat Dovizioso plötzlich aus mehr als einem Schatten.
Ein harter Konkurrent aus dem Nichts
Nach Jahren der gebremsten Erwartungen in stolzen Stall von Ducati sollte 2017 der Durchbruch gelingen – und Marquez gefordert werden. Allerdings nicht mit Dovizioso, sondern mit Neuzugang Jorge Lorenzo.
Während der Spanier nach wie vor auf seinen ersten Sieg in Rot wartet, schloss die designierte Nummer 2 an den ersten Erfolg auf einer Desmosedici, eingefahren in Malaysia 2016, mehr als nahtlos an.
Dabei galt der Yamaha-Abgänger bis dato – neben Valentino Rossi, wohlgemerkt – als größter Herausforderer des Titelverteidigers.
Seit 2013 dreht Marquez seine Runden in der Königsklasse: In diesem Zeitraum gelang es nur Lorenzo, in einer Saison öfter als sein Landsmann auf das oberste Podest zu klettern.
Ansporn statt Problem
Die Verpflichtung eines vermeintlich größeren Teamkollegen hat Andrea Dovizioso nach eigener Auffassung bei seinem Aufstieg sogar geholfen.
"Es hat mir den Druck genommen. Zu Beginn der Saison schauten alle auf Jorge Lorenzo. Das war gut für jemanden mit meinem Charakter. Anstatt mich mit Lorenzo zu beschäftigen, habe ich mich auf meine Arbeit konzentriert und analysiert, was ich besser machen kann", gab der WM-Herausforderer zuletzt gegenüber "motorsport-total.com" zu.
"Der Unterschied ist, dass ich das Leben und die Rennwochenenden jetzt anders angehe", sprach Dovizioso Feinheiten an.
Eine Kleinigkeit voraus
Einen neuen Teamkollegen zu schlagen ist eine Sache. Wer unter grün-weiß-roter Flagge antritt, hat aber immer einen zweiten Schatten zu überwinden.
Seit 1982 hat die große Motorrad-Nation Italien "nur" sieben Fahrer-WM-Titel in der Königsklasse zu verzeichnen – alle eingefahren von Valentino Rossi.
"Il Dottore" ordiniert seit 2000 in der 500ccm- bzw. MotoGP-Klasse. Nur zwei Italiener schafften es seither, ein WM-Jahr vor der Legende abzuschließen: Marco Simoncelli und eben Andrea Dovizioso, dem das 2011 und 2012 gelang.
Über die ganze Karriere gesehen wird dem siebenfachen Königsklassen-Weltmeister wird womöglich in den nächsten Jahrzehnten keiner seiner Landsmänner auch nur nahekommen.
Eine Sache hat Dovizioso Rossi jedoch voraus: Siege auf Ducati. Ein solcher blieb "il Dottore" verwehrt.
Siege auf der Strecke statt auf den Rängen
"Valentino ist nicht nur ein Fahrer. Er ist mehr", beschrieb "Dovi" das Standing des Publikumslieblings einst. Ein Status, den er sich aber gar nicht zum Vorbild machen will.
"Man sollte nicht versuchen, das nachzumachen. Ich habe kein Problem damit, nicht so populär zu sein. Ich fahre für die Ergebnisse, und nicht, um wichtig zu sein. Sicher ist es angenehm, wenn man von Fans gemocht wird, aber das ist nicht meine Motivation", so Dovizioso.
So dürfte ihm der Heimsieg in Mugello auch Freude bereitet haben, obwohl sich die Tifosi wie gewohnt zuerst der gelben 46 zuwandten.
Und das persönliche Verhältnis? "Davon gibt es nicht viel, nicht, weil es nicht vielleicht funktionieren würde – aber 'Vale' ist so wichtig, dass er sich isolieren muss. Du kommst nicht an ihn ran, und das ist schade, weil wir sicher viel gemeinsam hätten."
Sei es nicht nach diesem Wochenende, sind die Chancen zumindest klar gestiegen, dass der Titel "MotoGP-Weltmeister" in naher Zukunft eine solche Gemeinsamkeit darstellt.