Bei KTM rauchen die Köpfe.
Für die Saison 2024 haben mit Brad Binder, Jack Miller, Pol Espargaro, Augusto Fernandez und dem aktuell noch in der Moto2 fahrenden Pedro Acosta fünf Piloten einen MotoGP-Vertrag in der Hand, allerdings stehen den Oberösterreichern nur vier Bikes zur Verfügung.
Seitdem Acosta im Juni ankündigte, dass sein Weg ihn nächstes Jahr in die Motorrad-Königsklasse führen wird, arbeitet der heimische Hersteller hartnäckig an einer Lösung. Derzeit noch ohne Erfolg, wie Motorsportdirektor Pit Beirer bei einer Medienrunde festhält.
"Wir haben das Problem noch nicht gelöst. Das ist momentan eine Situation, die uns Kopfweh und schlaflose Nächte bereitet", sagt der Deutsche. Man wolle keinen der fünf Fahrer verlieren, da ein inniges Verhältnis zu ihnen besteht und jeder etwas Besonderes mitbringt.
Aktuelle Besetzung steht nicht zur Debatte
"Auf der einen Seite hast du einen Pol (Espargaro, Anm.), der von einer brutalen Verletzung zurückkommt, die ihn beinahe zum Invaliden gemacht hätte. Der kämpft und arbeitet wie ein Irrer. Auf der anderen Seite hast du Pedro Acosta, der ein Ausnahmetalent ist und in die MotoGP reindrängt."
"Jetzt haben wir mit Augusto einen Rookie, der in Le Mans Vierter wurde und sich schon zwei Mal für Q2 qualifiziert hat. Das ist ein toller Rennfahrer."
Die Plätze im Werksteam sind mit Binder und Miller, die beide bis Ende 2024 unter Vertrag stehen, ohnehin besetzt. Und auch Rookie Fernandez wird nicht vor die Tür gesetzt. "Er steht für uns gar nicht zur Diskussion", betont Beirer.
"Was haben wir bisher mit unseren Rookies im ersten Jahr erreicht? Nichts, die wollten gleich wieder weg, weil unser Motorrad nicht gut genug war. Jetzt haben wir mit Augusto einen Rookie, der in Le Mans Vierter wurde und sich schon zwei Mal für Q2 qualifiziert hat. Das ist ein toller Rennfahrer."
Dem Moto2-Weltmeister der letzten Saison wird auch die nötige Zeit eingeräumt, "weil er kein Talent ist, das über Nacht durch die Decke geht. Der will verstehen, was er macht und macht die Schritte langsam."
Zumindest einen fünften MotoGP-Platz will KTM haben
Mit Dorna, dem Rechteinhaber der MotoGP-WM, werden laufend Gespräche geführt, demnächst auch beim Grand Prix von Österreich in Spielberg (18. bis 20. August) wieder. "Rennabteilung, KTM-Vorstand und Red Bull werden wieder bei der Dorna vorsprechen und nochmal darum kämpfen, dass wir unser Line-up erweitern können", kündigt Beirer an.
Beim Spitzenteam ist man der Meinung, dass das Projekt auch aufgrund der Jugendarbeit, die man im gesamten Fahrerlager leiste, einen fünften oder sechsten MotoGP-Platz verdient hätte.
"Wir machen Austrian Junior Cup, NorAm Talent Cup, Red Bull Rookies Cup, dann die Moto3 und Moto2, wo wir uns drei Teams halten, um junge Talente zu binden, um die für die MotoGP zu haben", rechnet der 50-Jährige vor und kommt auf 28 Fahrer, die alleine von der Moto3 hinauf "auf unseren Fahrzeugen sitzen".
Und nach Acosta werde das Thema wieder kommen, "dass du oben vier Fahrer hast und es drängt wieder ein junger Fahrer nach. Dann willst du nicht einfach oben einen rausschmeißen, weil unten einer nachkommt."
Daher pocht KTM auf zumindest einen fünften Platz, "den wir ganz unbedingt brauchen, weil wir glauben, dass wir mit dem Projekt im Road Racing Paddock so gut angekommen sind, dass wir eine Erweiterung brauchen könnten und genießen würden."
"Wir sehen keinen (Hersteller, Anm.). Bis der kommt, könnten sie uns einen Platz für Pedro geben."
Einen sechsten MotoGP-Platz, mit dem Honda-Superstar Marc Marquez schon mehrfach in Verbindung gebracht wurde, "würden wir gerne mit dazu nehmen", bestätigt Beirer. Ob ihn dann der achtfache Weltmeister oder womöglich ein anderes Talent aus dem eigenen Programm erhalten würde, steht in den Sternen.
Dorna hat zwei Plätze - hält diese jedoch für andere Hersteller frei
Doch: Warum wehrt sich die Dorna überhaupt gegen den Wunsch? "Man kann jetzt sagen, Ducati hat auch acht Plätze, warum kriegt ihr jetzt nicht fünf? So denken wir auch ab und zu", lächelt der Motorsportchef.
Man müsse jedoch so fair sein und sagen, dass sich Ducati in dem gesetzten Feld bedient habe. "Sie haben sich Teams geholt, als Verträge ausgelaufen sind, etc. Die haben sich das auf dem Weg aufgebaut. Somit sind alle Satellitenteam-Plätze, die es mittlerweile seit Jahrzehnten in dieser Größe gibt, belegt."
Aktuell sind jene zwei Plätze, die durch den Ausstieg von Suzuki frei wurden, für andere Werkshersteller reserviert, sollte es einmal Interessenten geben. Es gebe also vernünftige Argumente, warum "sie jetzt nicht sagen, ihr wollt für Pedro Acosta einen zusätzlichen Platz, da habt ihr ihn", weiß Beirer.
Aber: "Wo ist dieser zusätzliche Hersteller, wo soll der herkommen?", fragt Beirer zurecht. Denn das aktuelle Reglement ist nur bis Ende 2026 festgeschrieben, ab 2027 soll zu 100 Prozent mit Bio Fuel gefahren werden. Und Teams wie Ducati wünschen sich auch eine andere Motoren-Lösung, mit weniger Hubraum, Hybrid-Antrieb und Energie-Rückgewinnung - also wie in der Formel 1.
Das schreckte im Vorjahr vor allem BMW ab, das mit Dorna einige Gespräche bezüglich eines MotoGP-Einstiegs führte. Kawasaki war ohnehin nicht interessiert, für MV Agusta und Fantic kam die Motorrad-Königsklasse nie in Frage.
Beirer meint selbst: "Wir sehen keinen (Hersteller, Anm.). Bis der kommt, könnten sie uns einen Platz für Pedro geben. Es wird schon mit offenem Visier gekämpft, von beiden Seiten. Wir haben Verständnis für das, was war. Wir verlangen aber einen gewissen Respekt, was wir für den Straßenrennsport tun. Daher gibt es keine große Einigkeit im Moment."
Bis Ende des Sommers soll es eine Entscheidung geben
Ein Satellitenteam von einem anderen Hersteller abzuluchsen, kommt für KTM nicht in Frage.
Zwar soll man Medienberichten zufolge bei RNF (Aprilia), LCR (Honda) und Gresini (Ducati) angefragt haben, alle haben jedoch einen bestehenden Vertrag für das Jahr 2024. "Deshalb greifen wir jetzt nicht wie verrückt das zweite Honda- oder Aprilia-Team an, das würde für die Szene keinen Sinn machen, dort einen wegzuknabbern", hält Beirer fest.
Die angestrebte Lösung wäre, über Aki Ajo zwei MotoGP-Plätze zu bekommen, erklärte der 50-Jährige zuletzt gegenüber "Speedweek.com". Der Finne ging mit KTM einst ein Joint Venture ein, seit 2012 (Moto3) bzw. 2017 (Moto2) fährt "Ajo Motorsport" unter dem Namen "Red Bull KTM Ajo".
Spätestens nach dem Sommer will der Austro-Rennstall wissen, ob zumindest ein fünfter Platz zur Verfügung gestellt wird. Ansonsten wäre wohl die naheliegendste Lösung, Pol Espargaro ab 2024 als Test- und Ersatzfahrer einzusetzen, sofern sich der Spanier diese Rolle vorstellen kann.
Unabhängig vom Ausgang des Dilemmas ist Beirer froh, dass im gesamten Team "eine Stimmung herrscht, die wir noch nie hatten. Momentan haben wir in Rot und Orange vier Fahrer, die an das Projekt glauben. Sie ziehen an einem Strang, tauschen gegenseitig Daten aus, geben sich Tipps. Das gibt ein Zehntel, das wir nicht kaufen können."