"Marc wird auf der Ducati vom ersten Tag an konkurrenzfähig sein, da sollte sich keiner Illusionen machen."
Pit Beirer hatte recht. Die Worte des KTM-Motorsportdirektors stammen von einem Medientermin, welcher vor Beginn der MotoGP-Saison stattgefunden hatte.
Wenige Tage später fuhr Marc Marquez in seinem ersten Qualifying auf einer Ducati prompt auf Rang sechs, verlor nur 0,172 Sekunden auf die Pole-Zeit von Markenkollege Jorge Martin. Im Sprint wurde der achtfache Motorrad-Weltmeister starker Fünfter, getoppt vom vierten Platz im Hauptrennen.
Es lässt sich also durchaus sagen, dass der Spanier bei seinem neuen Team keinerlei Anlaufzeit gebraucht hat. Für Beirer keine Überraschung: "Er ist ein genialer Rennfahrer, sitzt jetzt auf einem sehr starken Motorrad. Die Kombination wird natürlich gefährlich sein."
Natürlich nicht nur in Katar, sondern auch bei den 20 weiteren Renn-Wochenenden in diesem Jahr.
Rückkehr an den Ort zahlreicher Kontroversen
An diesem Wochenende gastiert der Motorrad-Tross an der Algarve. In Portimao sorgte der Superstar 2023 noch für eine Kontroverse.
Auf dem Weg zur äußerst überraschenden Pole Position spielte Marquez den Schattenmann, ließ sich im Windschatten der Konkurrenten erfolgreich ziehen. Im Sprint rettete er mit der schwer beherrschbaren Honda den dritten Platz, angestachelt davon ging der 31-Jährige im Rennen etwas zu forsch zu Werke.
Schon nach wenigen Kurven touchierte Marquez bei einem Bremsmanöver die Ducati von Martin, krachte daraufhin in das Heck von Miguel Oliveira. Der Portugiese erlitt beim folgenden Sturz eine Oberschenkelprellung, der ehemalige Honda-Fahrer sogar einen Bruch des rechten Mittelhandknochens.
Die MotoGP-Stewards belegten den Mann aus Cervera mit einem doppelten Long-Lap-Penalty für das darauffolgende Rennen in Argentinien - dort konnte Marquez aufgrund seiner Verletzung jedoch nicht antreten. Als dies bekannt wurde, überarbeiteten die Rennkommissare die Strafe und verhängten diese für das nächste Rennen, welches er bestreiten würde.
Honda ging in Berufung und fochte das Urteil erfolgreich an, die Strafe war somit erloschen.
"Bald wieder eine Gefahr für die anderen"
Ein Jahr später geht Marquez als einer der Mitfavoriten auf den Sieg in den Grand Prix von Portugal, wenngleich er zu bedenken gibt, dass er im Gegensatz zu Katar keine Testtage hat, an denen er sich Schritt für Schritt steigern kann. "Das ändert etwas den Plan, weil man direkt ab dem ersten Training schnell sein und die Rundenzeit fahren muss."
Das sei bei den Tests in Malaysia und Katar etwas schwierig gewesen. "Am ersten Tag hatte ich dort Mühe", so Marquez. "Wir werden sehen, ob ich in Portimao am ersten Tag gleich den Sprung ins Q2 schaffe. Das ist das Hauptziel", backt er kleine Brötchen.
Außerdem sieht sich der Superstar starker Konkurrenz gegenüber - allen voran aus dem eigenen Lager.
Doppel-Weltmeister Francesco Bagnaia untermauerte seine neuerlichen Titelambitionen mit dem GP-Sieg in Katar, Martin entschied den Sprint auf dem Losail International Circuit für sich.
"Pecco (Bagnaia, Anm.) ist mittlerweile ein unglaublicher Champion, Jorge mit dem Messer zwischen den Zähnen kennen wir auch alle", weiß Beirer.
Der Deutsche bringt zudem einen eigenen Piloten ins Spiel: Brad Binder. Der Südafrikaner war beim Saisonauftakt sowohl im Sprint als auch Rennen Zweiter, sorgte damit für einen starken Start von KTM. Auch in Portimao wird mit der Speerspitze im Team der Mattighofener zu rechnen sein.
Trotzdem werden viele Augen wieder auf Marquez gerichtet sein, der "bald wieder eine Gefahr für die anderen darstellen wird", glaubt ServusTV-Experte Alex Hofmann. "Er ist voll im Soll, hat seinen Plan solide eingehalten, nichts zu überstürzen und eine Menge Gefühl und Daten gesammelt."
Zu hundert Prozent habe der Spanier ja auch noch nicht kapiert, was seine Ducati genau will. "Er muss seine Prioritäten ein wenig versetzen, ist aber schnell lernfähig", meint Hofmann.
Marquez: Das Fahren ist endlich wieder ein Genuss
Und Marquez selbst?
Der Gresini-Pilot gab in Katar zu, dass er das Fahren nach Jahren des Frusts und Ärgers endlich wieder "genießen" konnte. Dabei ist die Strecke außerhalb von Doha eine, die ihm in der Vergangenheit kaum gelegen ist.
Siege oder sogar der Titel sind für ihn noch kein Thema, trotzdem war er mit seiner Performance glücklich. "Ich sage immer, dass ich realistisch sein muss und meine Ziele habe. Ich will um diese Top-6-, Top-5-Positionen kämpfen, und das habe ich getan."
Teilweise verfiel der 31-Jährige noch in den Fahrstil, den er auf der Honda pflegte. Dieser lässt sich mit der Desmosedici allerdings nicht praktizieren, stellte er schnell fest.
Lernen von Bagnaia und Martin
Das Gefühl verbessere sich Schritt für Schritt, "irgendwann werde ich da aber anstehen. Dann kommt ein Punkt, wo schon eine Kleinigkeit ein Zehntel hier oder da bringt", so Marquez, der sich an Bagnaia und Martin orientieren will. "Im Moment sind sie schneller, also muss ich von ihnen lernen."
Er glaube nicht, dass die GP24 viel besser als die GP23, welche ihm zur Verfügung steht, sei. "Mein Bike funktioniert gut, sie fahren einfach besser als ich", stellt Marquez unumwunden klar. Was wiederum positiv für ihn ist: Das Ende der Fahnenstange scheint noch lange nicht erreicht.
Wenn Marquez sein Bike früher oder später auf seine Bedürfnisse eingestellt hat, wird sich die Konkurrenz warm anziehen müssen.