Francesco Bagnaia ist am Ziel seiner Träume angekommen.
In einem dramatischen Grand Prix von Valencia brachte der Ducati-Pilot seinen großen 23 Punkte Polster auf WM-Rivale Fabio Quartararo über die Distanz und krönte sich erstmals zum MotoGP-Weltmeister (Rennbericht >>>). Für den Titel musste der Italiener aber richtig leiden.
Von Startplatz acht gestartet, legte der Turiner einen klassisch starken Start auf der Desmosedici hin und arbeitete sich gleich auf Platz sechs vor - direkt hinter Quartararo, der einen Platz verlor.
Die folgenden Auftaktrunden waren nichts für schwache Nerven: Bagnaia und Quartararo lieferten sich - wie von ihnen vor dem letzten Rennwochenende gewünscht - einen harten Fight um die fünfte Position.
In der zweiten Runde und Kurve drängte sich der spätere Weltmeister mit Gewalt an der Yamaha vorbei, verlor dabei aber ein Winglet und somit an Aerodynamik. "Von dem Moment an war alles ein Albtraum", schnaufte Bagnaia auf der Pressekonferenz nach dem Grand Prix durch.
"Mit dem schlechtesten Rennen des Jahres zu gewinnen..."
Brad Binder, Joan Mir oder Luca Marini - sie alle setzten sich nacheinander am 25-Jährigen vorbei, ließen ihn ihm Klassement immer weiter nach hinten purzeln. Doch weiter vorne hatte Quartararo gar nichts mit den benötigten Sieg zu tun, womit Bagnaia sich auch mit Platz neun die WM-Krone aufsetzen durfte.
Damit stellt Ducati erstmals seit Casey Stoner 2007 wieder den Fahrer-Weltmeister, holt sogar mit weiteren Titeln in der Team- und Konstrukteurs-WM sogar die "Triple Crown". Bagnaia ist zudem der erste italienische Weltmeister seit Valentino Rossi 2009 und der erste Italiener, der für die italienische Marke Champion wird.
"Mit dem schlechtesten Rennen des Jahres zu gewinnen...", lächelte Bagnaia. "Ehrlich gesagt war es das schwierigste Rennen für mich im ganzen Jahr, ich würde sogar sagen in meinem Leben! Ich hatte echt zu kämpfen", gestand der VR46-Academy-Musterschüler.
Seine Mission sei gewesen, "in die Top 5 zu fahren." Doch nach dem Kontakt mit Quartararo "bekam ich große Probleme. Es war unmöglich, das Vorderrad unter Kontrolle zu halten", konstatierte Bagnaia. "Das Wichtigste ist aber, dass wir Weltmeister sind. Ich bin überglücklich!"
"Es hat so lange gedauert, bis das Rennen zu Ende war"
(Artikel wird unter dem VIDEO fortgesetzt)
VIDEO: Ducati crasht Bagnaias Weltmeister-Pressekonferenz
There was a press conference going on... 😅
— MotoGP™🏁 (@MotoGP) November 6, 2022
Well, never mind! The whole Ducati team is on party mode and nobody can stop them! 💥💥💥#PerfectComb1nation 🏆 pic.twitter.com/xcYPmORGxp
Nach dem Überqueren der Ziellinie flossen bereits die ersten Tränen. "Von dem Moment an, als ich die Ziellinie überquert und die Boxentafel gesehen habe, auf der Weltmeister stand, war alles leichter und schöner, einfach unglaublich. Meine Emotionen sind im Moment unglaublich", war er sprachlos.
Eine große Last ist ihm von den Schultern gefallen, denn das gesamte Wochenende wirkte der Italiener sehr nervös und angespannt. Angesichts der Konstellation kein Wunder, doch es zeichnet einen Champion aus, genau in solchen Momenten das Risiko perfekt abzuwägen und den Titel nach Hause zu bringen.
Genau das tat er auch, in dem er seinen Renn-Kontrahenten keine große Gegenwehr bot und sich die benötigten Punkte einheimste. Ohne dem verlorenen Winglet wäre womöglich sogar mehr drinnen gewesen, denn "wir sind am Vormittag zur Basis-Abstimmung zurückgekehrt. ich hatte ein sehr gutes Gefühl am Motorrad und alles hat perfekt funktioniert."
Das habe ihm geholfen, durch den Tag zu kommen - auch, wenn das Rennen dann nicht einfach war. Ich wusste aber, dass ich es schaffen konnte", so der Champ. Runde für Runde habe er versucht, "eine defensive Linie zu fahren, aber es war sehr, sehr schwierig. Es hat so lange gedauert, bis das Rennen zu Ende war."
Bagnaia, der VR46-Meisterschüler
Doch letztendlich konnte er stolz sein - "auf mein Team, auf mich und auf das, was wir geschafft haben", strahlte Bagnaia über beide Ohren. "Ich habe viele Freudentränen gesehen", sprach er u.a. seine Freundin Domizia Castagnini an, die nach dem WM-Triumph kaum noch zu halten war.
Einer der ersten Gratulanten war noch auf der Strecke aber Altmeister Valentino Rossi, der ein Jahr zuvor in Valencia seine illustriere Laufbahn beendete. Die 43-jährige MotoGP-Legende aus Urbino holte Bagnaia 2013 als eines seiner ersten Talente in die hauseigene Akademie, steht dem Turiner seitdem sehr nahe.
Und Rossi war es auch, der dem Ducati-Fahrer wertvolle Tipps auf seinem Weg mitgab: "Er hat zu mir gesagt: 'Du musst stolz darauf sein, diese Chance zu haben. Nicht jeder kann das spüren. Auch wenn du den Druck und die Angst spürst, musst du stolz darauf sein, in der Situation zu sein. Du musst versuchen, es zu genießen.'"
"Das habe ich versucht - es hat heute nicht funktioniert", lachte Bagnaia. "Aber ich bin sehr glücklich, dass wir mit ihm so einen Mentor und Leader haben", verwies der Moto2-Weltmeister von 2018 auf "Vale".
"Bedürfnis nie verloren, es zu schaffen"
Am Ende spürt Bagnaia eine große Genugtuung, nachdem er die größte Aufholjagd der MotoGP-Geschichte - nach dem GP am Sachsenring lag er schon 91 Punkte hinter Quartararo - krönend vollenden konnte.
"Es ging Auf und Ab, ich hatte viele Schwierigkeiten und Probleme, ich habe meine Ambitionen aber nie verloren. Ich habe dieses Bedürfnis nie verloren, es zu schaffen. Und in diesem Moment spüre ich, dass wir es geschafft haben. Ich bin sehr stolz auf mich. Das ist etwas, das anders als alles andere ist", so der siebenfache Saisonsieger.
Bagnaia strahlte mit der spanischen Sonne um die Wette: "Wenn es ein Instrument geben würde, um zu messen, wie glücklich ein Mensch gerade ist, dann wäre ich auf dem maximalen Level. Es ist unglaublich. Ich bin sehr glücklich. Vor sechs Jahren habe ich davon geträumt. Es ist aber ein ziemlicher Unterschied, ob man davon träumt oder es tatsächlich tut."
Alle Weltmeister der MotoGP-Klasse: