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Espargaro: "Konnte nichts allein machen, nicht einmal essen"

Nach seinem Horrorcrash in Portimao ist der Spanier wieder zurück im MotoGP-Paddock. Im Interview spricht er über das Comeback, Honda und die KTM-Ambitionen.

Espargaro: Foto: © Gold & Goose / Red Bull Content Pool

Pol Espargaro lächelt in Spielberg mit der steirischen Sonne um die Wette.

Der GasGas-Pilot wirkt locker, keineswegs gestresst, obwohl er an diesem Wochenende ein gefragter Mann im MotoGP-Paddock ist.

Der Spanier kommt am Red Bull Ring erstmals seit 2020 wieder in den Genuss eines "Heim"-Rennens mit der KTM-Gruppe, gleichzeitig ist es sein erst zweiter Grand Prix nach seinem fatalen Crash beim Saisonauftakt in Portimao.

Dort stürzte er Ende März im zweiten Training schwer, erlitt unter anderem einen Kieferbruch, mehrere Wirbelbrüche und eine Lungenquetschung. Der Weg zurück war ein beschwerlicher, vier Wochen lang konnte Espargaro nichts außer Suppen essen, war stets auf Hilfe angewiesen.

In Silverstone gab der 32-Jährige schließlich sein langersehntes Comeback und fuhr mit Rang zwölf prompt WM-Punkte ein. Trotzdem räumt er im LAOLA1-Interview in Spielberg ein, sowohl psychisch als auch physisch nicht für die Strapazen bereit gewesen zu sein.

Espargaro spricht außerdem ausführlich über seine Leidenszeit, das Comeback, seine zwei schwierigen Jahre bei Honda und die hohen Ambitionen von KTM.

LAOLA1: Wie geht es dir nach deinem Comeback in Silverstone?

Pol Espargaro: Es fühlt sich viel besser an als in Silverstone. Dort war es super stressig, weil ich nach der Verletzung zurückkommen musste. Und das Format der MotoGP hat sich ziemlich verändert - die Trainings am Freitag, in denen es schon um das Q2 geht, zwei Rennen pro Wochenende - das war ziemlich stressig. Psychisch, aber auch physisch war ich dafür noch nicht bereit. Jedes Wochenende fühlt sich mein Körper ein bisschen besser an. Ich hoffe also, dass ich mich dieses Wochenende noch ein bisschen steigern kann.

"Speziell am Anfang brauchte ich so viel Hilfe, weil ich nichts alleine machen konnte, nicht einmal essen."

Pol Espargaro

LAOLA1: Wie war Silverstone aus emotionaler Sicht für dich?

Espargaro: Es war ziemlich emotional, muss ich sagen. Zurückzukommen und mein altes Team zu sehen - ich sage immer, es ist wie eine Familie. Denn ich verbringe jetzt mehr Zeit mit ihnen als mit meiner Frau und meinen beiden Töchtern. Ich bin mehr als die Hälfte des Jahres in der Welt unterwegs, etwa 200 Tage. Es ist toll, zurückzukommen, Spaß zu haben und Rennen zu fahren. Die Dinge zu tun, die ich am meisten mag, nämlich Motorradrennen zu fahren.

LAOLA1: Pit Beirer hat einige Geschichten von den Wochen nach deinem schweren Sturz in Portimao erzählt. Dass unter anderem dein Mund aufgrund des zertrümmerten Kiefers zugeschraubt war und es dir schwer fiel, dich nicht zu übergeben. Gleichzeitig betonte er aber auch, wie emotional dein Comeback für das Team war. Wie groß war der Support von KTM, aber auch deiner Familie in dieser schwierigen Zeit?

Espargaro: Die Unterstützung während dieser Tage und Monate war unglaublich. Vor allem von meiner Frau, sie war immer bei mir, 24 Stunden am Tag. Speziell am Anfang brauchte ich so viel Hilfe, weil ich nichts alleine machen konnte, nicht einmal essen. Sie stand hinter mir und kümmerte sich um meine Familie - nicht nur um mich, sondern auch um meine Töchter. Das scheint einfach zu sein, aber es ist hart. Sie hat einen tollen Job gemacht. KTM und die Pierer Mobility Group standen zu 100 Prozent hinter mir. Ich habe das erwartet, normalerweise sind sie wie eine Familie. Es ist kein Unternehmen wie die japanischen, die sind so groß und nicht zentralisiert. Jeder tut, was er zu tun hat, und geht nach Hause. Aber hier ist es wie in einer großen Familie, wo jeder jeden kennt. Ich war während meiner ganzen Verletzung von ihnen umgeben, sie haben mich von oben bis unten angerufen. Das war unglaublich. Pit, Hubert (Trunkenpolz, Anm.) und Stefan (Pierer, Anm.), sie standen hinter mir, und ich werde ihnen immer dankbar sein.

LAOLA1: Wie schwierig war es für dich, mit der gesamten Situation umzugehen?

Espargaro: Es war sehr schmerzhaft, besonders in diesem Jahr. Ich habe zwei sehr schlechte Jahre bei einem japanischen Hersteller (Honda, Anm.) verbracht, und es war so schmerzhaft, bei jedem Rennen, an jedem Wochenende wieder auf der Strecke zu sein. Ich hatte das Gefühl, dass ich viel mehr schaffen könnte als das, was ich geschafft habe. Und es war meine Chance zur Wiedergutmachung, hierher zurückzukommen und zu zeigen, dass ich an der Spitze mitfahren kann. GasGas hat mich wie einen Sohn aufgenommen, nachdem ich in der Vergangenheit lange Zeit bei ihnen war. Ich wollte beweisen, dass ich mich als Fahrer weiterentwickelt habe und auch dem Hersteller danken, dass er mir die Möglichkeit gegeben hat, wieder für ihn zu fahren. Dann diese Verletzung zu Beginn des Jahres zu haben und nichts beweisen zu können, war wirklich schmerzhaft für mich. Ich wollte von Anfang an großartige Ergebnisse erzielen, und ich war nicht bereit für diese Verletzung. Das hat mir sehr weh getan.

"Die japanische Kultur ist ganz anders als die österreichische. Die Österreicher sind einfach geradlinig. Sie gehen geradewegs auf das Problem zu und kümmern sich nicht um die Gefühle."

Espargaro über die Unterschiede zwischen KTM und Honda

LAOLA1: Was hat sich bei KTM in den letzten zwei Jahren konkret verändert?

Espargaro: Das Motorrad hat sich sehr verändert. Seit ich zuletzt hier war, sind zwei Jahre vergangen, aber es fühlt sich an wie zehn, denn KTM ist auf eine Weise gewachsen, die ich mir nie vorstellen konnte. Sie stecken viel Mühe und Ressourcen in dieses Projekt, um die Besten zu sein - und sie sind nahe dran, die Besten in der MotoGP zu sein, also die besten Hersteller der Welt. Ich bin so stolz, wieder hier zu sein.

LAOLA1: Wo liegen die Unterschiede zwischen KTM und Honda?

Espargaro: Das Verhalten, die Arbeitsweise, ist einfach völlig anders. Es geht um Kulturen. Die japanische Kultur ist ganz anders als die österreichische. Die Österreicher sind einfach geradlinig. Sie gehen geradewegs auf das Problem zu und kümmern sich nicht um die Gefühle. Sie wollen das Problem lösen und alles tun, um es in der kürzest möglichen Zeit zu verbessern. Die Japaner denken viel mehr über die Situation nach, sie nehmen sich viel mehr Zeit und überlegen viel mehr, ob es funktioniert oder nicht. Und das Problem dahinter ist der Zeitverlust. Jedes Mal, wenn man Zeit damit verbringt, nachzudenken und einfach etwas zu machen, von dem man weiß, dass es ein Fehler sein wird, auch wenn man einige Informationen bekommen wird, verliert man an Leistung. Daher bevorzuge ich diese österreichische Mentalität.

LAOLA1: In Spielberg herrscht traditionell eine großartige Stimmung, es werden viele orangene Fahnen zu sehen sein. Wie aufgeregt bist du, wieder vor den KTM-Fans zu fahren?

Espargaro: Es ist großartig, wie eine Rückkehr nach Hause. Ich lebe in Andorra, einem Ort in den Bergen, der dem hier sehr ähnlich ist. Das Wetter, die Atmosphäre, all das. Außerdem war ich viele Jahre bei KTM und kenne mehr oder weniger alle Leute in der Fabrik. Wenn du hierher kommst, bist du von deinen Leuten umgeben, und es ist sehr schön, die vollen Tribünen in Orange zu sehen, die diese Gruppe von Leuten unterstützen. Auch aus der Fabrik kommen viele Ingenieure hierher. Am Ende sind sie immer im Hintergrund, niemand sieht sie, aber sie arbeiten so hart, und schließlich kommen sie hierher und können das Rennen live miterleben. Das ist für mich so emotional.

LAOLA1: Welche Ziele hast du für dieses Wochenende, was erwartest du auch von dir selbst?

Espargaro: Das ist schwer zu sagen, wir müssen erst einmal auf die Strecke gehen. Das Motorrad hat sich im Vergleich zum letzten Jahr oder sogar vor zwei Jahren, bevor ich gegangen bin, so stark verändert. Ich denke aber, dass alles ein bisschen einfacher sein wird als in Silverstone. Spielberg liegt mir sehr gut, ich war in der Vergangenheit sehr schnell. Ich glaube, dass wir ein gutes Ergebnis erzielen können. Ich weiß nicht, wie gut, aber viel besser als in Silverstone. Ich fahre langsam wieder mein normales Tempo, das freut mich.

2020 lieferte sich Espargaro einen sehenswerten Kampf mit Jack Miller
Foto: © GEPA

LAOLA1: Wie gut erinnerst du dich an 2020 und deinen Kampf um den Sieg bis zur letzten Kurve mit Jack Miller?

Espargaro: Ja, das war cool (lacht). Ich hatte zwei große Chancen, zwei Rennen zu gewinnen. Im ersten Rennen führte ich und dann hat diese rote Flagge (nach dem heftigen Crash von Johann Zarco und Franco Morbidelli, Anm.) mein Rennen zerstört. Im zweiten Rennen habe ich bis zur letzten Kurve gekämpft und konnte nicht gewinnen, aber ich bin auf dem Podium gelandet. Wir haben allen, die hier waren, so viel Spektakel geboten, alle haben es sehr genossen. Das ist, was wir tun müssen. Die Leute sollen Spaß haben.

LAOLA1: Was denkst du über KTMs Wunsch, einen fünften oder sechsten MotoGP-Platz zu erhalten?

Espargaro: Es ist nicht so, als wären sie dazu nicht in der Lage. Es ist ein Hersteller, der so stark wächst, der hungrig nach Titeln ist und es ist toll für die Meisterschaft, dass ein Hersteller so viel Aufwand in die Meisterschaft steckt wie KTM. Wenn ich also der Entscheidungsträger wäre, würde ich ihnen mehr Plätze zugestehen. Am Ende geht es um das Spektakel. Davon würden alle profitieren.

LAOLA1: Sollte KTM diese Plätze nicht erhalten, gibt es Gerüchte, wonach MotoGP-Aufsteiger Pedro Acosta deinen Platz bei GasGas übernehmen könnte.

Espargaro: Ich sehe das ganz locker und entspannt, denn ich habe noch einen Vertrag bis Ende 2024. Wenn ich also nach 2024 nicht schnell genug bin, werde ich mit Sicherheit nicht im Weg stehen. Aber ich glaube, dass ich immer noch stark bin. Das Problem ist, dass ich es nicht zeigen konnte, weil ich verletzt war, aber es war das Letzte, woran ich dachte, als ich verletzt war. Ich habe mich darauf gefreut, das gleiche Niveau wie zu Beginn der Saison zu erreichen. In der Vorbereitung habe ich einige gute Leistungen gezeigt, also muss ich einfach zurückkommen und zeigen, dass ich hier sein muss. Ich muss mir meinen Platz verdienen. Aber ich brauche einfach ein paar Rennen, um das zu zeigen, denn ich bin bei diesem Sturz fast gestorben.

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