Wie schnell es in der MotoGP von oben auch wieder nach unten gehen kann, musste KTM 2021 schmerzvoll erfahren.
War die Saison 2020 mit den ersten Siegen noch ein klarer Schritt nach vorne im Plan, war das letzte Jahr von Höhen und Tiefen geprägt - die sich mitunter auch schlagartig einstellten.
Brad Binders Sieg im wilden Grand Prix von Österreich blieb der einzige Podestplatz des Südafrikaners.
Miguel Oliveiras Saison setzte nach einem Fehlstart in Italien, Katalonien, Deutschland und den Niederlanden mit einem Sieg, zwei zweiten Plätzen und einem fünften Rang zu einem kurzen Höhenflug an.
Nur, um nach einer Handgelenksverletzung im Spielberg-Training keine Top-Ten-Platzierung mehr auszuspucken.
2021 war (auch) ein Rückschritt
Im Satelliten-Team von Tech 3 enttäuschten Iker Lecuona und Danilo Petrucci, waren unter den ständigen WM-Teilnehmern auf den letzten beiden Plätzen der Fahrerwertung zu finden.
Das Werksteam rutschte vom dritten Platz 2020 auf den sechsten Rang ab, Tech 3 war Schlusslicht. Unter den sechs beteiligten Herstellern reichte es nur zu Rang fünf.
Die Verbesserungsbemühungen um die "RC16" waren nicht mehr permanent von Erfolg geprägt. Und die Vorsaison-Tests 2022 ließen das MotoGP-Feld noch enger zusammenrücken.
Dementsprechend ist "Boss" Pit Beirer mit Kampfansagen vor dem Auftakt vorsichtig.
"Wenn wir Sechster in der WM sind und uns verbessern wollen, dann wird die Luft dünn. Mein Wunsch: Dass wir bei den letzten Rennen mit einem Fahrer noch um ein Podium kämpfen", sagt der Motorsport-Direktor.
Aufgabe und Ziel: Die Stars ärgern
Gleichzeitig ist klar: Understatement kauft den Mattighofenern niemand ab. Fünf Siege bewiesen, dass KTM - und seine Fahrer - zu allem fähig sind.
Da muss den Jungs natürlich viel erklärt werden. Alleine bis du weißt, welche Knöpfe du drücken darfst, damit dabei nicht gleich der Schleudersitz betätigt wird.
"Wir können uns nicht die ganze Zeit verstecken. Wir haben eine extrem erfahrene Mannschaft zusammen. Die Fahrer sind auch keine Rookies mehr. Wir sind Stationen durchlaufen, die wir durchlaufen mussten. Die Siege waren nicht geschenkt."
"Wir sind bereit, den nächsten Schritt zu tun. Um den WM-Titel zu fahren, das traue ich mich nicht zu bestätigen. Dass wir das Podium regelmäßig angreifen wollen, das traue ich mich schon zu sagen", so Beirer.
Doch er weiß: "Auf das Podium zu wollen, hört sich so schnittig an, aber das ist der Wahnsinn. Marc Marquez, Fabio Quartararo, Francesco Bagnaia – dann ist das Podest schon voll. Da musst du gute Fahrer verdrängen."
Und die drei Stars stehen dabei nur stellvertretend. So eng, wie das Feld bei den Tests zusammen war, ist dem Großteil des Feldes auch mal ein Sieg zuzutrauen.
Die Luft wird dünner, geht es darum, permanent vorne dabei zu sein.
"Diese Klasse hat keinen schlechten Fahrer und kein schlechtes Motorrad mehr. Das ist jetzt die Creme de la Creme, die man sich auf Motorrädern vorstellen kann. Momentan kann keiner so richtig sagen, wo die Reise dann wirklich hingeht."
Von der Moto2-Spitze ins Satelliten-Team
Während mit dem Wechsel des Teammanagers von Mike Leitner zu Francesco Guidotti und der Einsetzung von Fabiano Sterlacchini große Änderungen und ein starker Hauch Italien - in der MotoGP selten ein Fehler - im Management vorgenommen wurden, setzt man beim Satellitenteam Tech 3 auch auf der Strecke auf frisches Blut.
Und das hat es in sich, steigen mit Remy Gardner und Raul Fernandez doch die beiden Titelkonkurrenten der Moto2 2021 eine Klasse auf und ziehen (wieder) Orange an.
Das Duo wird seine Eingewöhnungszeit brauchen - allein schon, weil ein MotoGP-Bike schon in Sachen Bedienung eine andere Hausnummer ist.
"Da muss den Jungs natürlich viel erklärt werden. Alleine bis du weißt, welche Knöpfe du drücken darfst, damit dabei nicht gleich der Schleudersitz betätigt wird. In dieser Klasse musst du als Fahrer deine Hausaufgaben machen. Du kannst das Bike während des Fahrens mit den Knöpfen zum unfahrbaren Fahrzeug machen", warnt der Deutsche.
"Man muss also noch einmal in die Schule gehen. Aber das haben die Jungs gemacht und wir werden noch viel Freude mit ihnen haben", weiß Beirer auch um das Potenzial von Gardner und Fernandez.
Verbesserungen sind gefährlich
Vorbei sind jedenfalls die Zeiten der Selbstfindung. Das sollen nicht nur die personellen Änderungen verdeutlichen.
Während bislang an den Rennwochenenden noch herumgetüftelt wurde, soll das Rennteam an der Strecke "nur noch" die maximale Performance suchen. Fehlgeschlagene Updates am Bike brachten in dieser Hinsicht auch etwas Konservatismus ins Spiel.
"Speziell letztes Jahr haben wir schon gemerkt, dass es nicht immer nur nach vorn geht. Jetzt wird es auch gefährlich, neue Teile zu bringen. Du musst sehr dosiert vorgehen und den Fahrern nur mehr die Dinge an die Strecke geben, die eindeutig besser sind", hat Beirer gelernt.
"Mit Verbesserungen musst du auf diesem Niveau schon sehr vorsichtig sein, sonst greifst du vielleicht ein Teil an und wirst auch schlechter."
Optisch gleich, aber besser(?)
Vor diesem Hintergrund darf der Beobachter gespannt sein, was KTM abliefert. Die "RC16" habe sich optisch kaum verändert, aber in jedem Teil würden Verbesserungen stecken, verrät Beirer.
Damit wären die Oberösterreicher zumindest wieder siegfähig. Das ist auch die Vorgabe. "Wir werden uns definitiv so hart wie möglich verkaufen, damit der Sieg zumindest an uns vorbeigehen muss."
Und wer das zustande bringt, kann vielleicht auch nach mehr greifen.