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Frauen im Motorsport? "Aber du bist doch nicht lesbisch?"

Weibliche Rennfahrerinnen sind bis heute eine Rarität. LAOLA1 taucht mit Corinna Kamper in die Historie ein und geht der Sache auf den Grund:

Frauen im Motorsport? Foto: © GEPAgetty

Frauen in Rennwagen – das ist bis heute im Vergleich zu Männern eine Rarität, von der Formel 1 ganz zu schweigen. Für manche mag das gar eine Absurdität sein – was will denn auch eine Frau in diesem Sport? Doch es gibt sie, einige wenige Frauen, die in der Vergangenheit in der Königsklasse des Motorsports im Cockpit saßen.

Da stellt sich mir die Frage: Warum ist das schon so lange her? Woran scheitert es, dass bis dato weibliche Rennfahrerinnen in der Formel 1 sowie ihren Nachwuchsserien Mangelware sind?

Aus diesem Grund nimmt LAOLA1 dich mit auf eine Zeitreise, in der wir nicht nur die ersten Frauen im Motorsport vorstellen, sondern auch die Gegenwart und Zukunft von weiblichen Sportlerinnen im Rennsport genauer betrachten. Dazu kommt die Expertise der ehemaligen österreichischen Rennsportlerin Corinna Kamper, die sich mit mir über den schwierigen Weg von Frauen in diesem Sport unterhalten hat.

Maria Teresa de Filippis und Lella Lombardi

In der Geschichte gibt es nur zwei Frauen, die überhaupt in einem Formel-1-Rennen an den Start gegangen sind.

Die Italienerin Maria Teresa de Filippis debütierte im Jahr 1958 als erste weibliche Fahrerin überhaupt in der Formel 1, nachdem sie unter anderem bereits zahlreiche Langstreckenrennen für Maserati absolviert hat. 

"Frauen können alles, was auch Männer können."

Maria Teresa de Filippis

Der Rennstall hatte sich zwar mit Ende der Vorsaison aus der damals noch als "Automobil-Weltmeisterschaft" bezeichneten Meisterschaft zurückgezogen, stellte aber privaten Fahrern, darunter de Filippis, den Maserati 250F, mit dem Juan Manuel Fangio 1957 den Fahrertitel geholt hatte, zur Verfügung.

Maria Teresa de Filippis, 1959
Foto: © getty

Beim Großen Preis von Syrakus 1958, der allerdings nicht zur Weltmeisterschaft zählte, wurde de Filippis Fünfte, wodurch sie den Boliden für weitere Rennen verwenden konnte. In Monaco versuchte sie mit einem unter ihrem eigenen Namen gemeldeten Team, sich für das Rennen zu qualifizieren, scheiterte aber. Ihr Debüt gelang schließlich in Belgien, sie wurde Zehnte. Insgesamt konnte sie sich in drei von fünf Versuchen für das jeweilige Rennen qualifizieren, unter die Punkte kam sie jedoch nie.

Diesen Meilenstein erreichte dafür ihre Landsfrau Lella Lombardi, eigentlich Maria Graziela genannt. 15 Jahre nach de Filippis feierte die damals 33-jährige ihr Formel-1-Debüt beim Großen Preis von Großbritannien, konnte sich aber nicht für das Rennen qualifizieren. Im Cockpit des Teams March schaffte sie 1975 beim Rennen in Südafrika die Qualifikation für den Grand Prix.

Foto: © getty

Unmittelbar darauf folgte der Große Preis von Spanien. Es war ein sehr chaotisches Rennen, sogar Zuschauer starben. Es wurde abgebrochen, und da dabei weniger als die Hälfte der ursprünglich vorgesehenen Distanz absolviert wurde, wurden die zu vergebenen Punkte halbiert. Diese erhielten die besten sechs Fahrer, als Sechste erhielt Lella Lombardi somit als erste und einzige Frau überhaupt einen halben WM-Punkt.

Seitdem haben nur Divina Galica, Desire Wilson und Giovanna Amatis versucht, sich für einen Grand Prix zu qualifizieren - allerdings scheiterten sie alle.

"Frauen können alles, was auch Männer können", erklärte Maria Teresa de Filippis in einem Interview im Jahr 2006. Oft fehle es an Unterstützung, da der Glaube daran, dass es auch eine Frau in der Formel 1 schaffen kann, fehle und somit Sponsoren mit den männlichen Fahrern lieber einen sicheren Weg wählen.

Woran liegt es, dass es seitdem keine einzige Frau mehr geschafft hat, an der Formel 1 anzudocken? Das habe ich auch Corinna Kamper gefragt: "Ich glaube, der Grund dafür ist, und ich bin da voll und ganz einverstanden, dass wir nicht einfach eine Frau in den Motorsport setzen sollten, nur um sagen zu können, 'Wir haben eine Frau', oder um die Frauenquote zu erfüllen. Denn das würde uns wieder in ein schlechtes Licht rücken", so die ehemalige Rennfahrerin.

"Bitte bringt euren Jungen auch zum Ballett und euer Mädchen zum Kartfahren, wenn sie daran interessiert sind."

Corinna Kamper

Mit interessanten, zugleich aber auch schockierenden Zahlen erklärt sie mir weiter: "Nur sechs Prozent der Kartlizenzen – also im Alter von sechs bis 16 Jahren – werden von Mädchen erworben. Später sind es sogar nur noch vier Prozent der Rennlizenzen – also ab dem 16. Lebensjahr –, die an Frauen ausgegeben werden. Es liegt einfach daran, dass wir viel zu wenige Frauen und Mädchen haben, die überhaupt anfangen, sodass wir fair sagen können, dass wir eine Frau haben, die schnell genug ist, um im Motorsport weiterzukommen."

Es fängt bei der Kindererziehung an

Es sind viele Aspekte, die zusammenpassen müssen. Der Weg in die Formel 1 ist bekanntlich kein billiger, ohne familiäre oder finanzielle Verbindungen ist es ohnehin so gut wie unmöglich. Das Talent darf natürlich auch nicht fehlen.

Corinna Kamper hat einen Appell: "Mein Appell ist eher an die Eltern gerichtet, ihnen zu sagen: 'Bitte bringt euren Jungen auch zum Ballett und euer Mädchen zum Kartfahren, wenn sie daran interessiert sind.' Natürlich spielt auch das Interesse eine Rolle. Ich glaube, wenn man Kinder mit der Vorstellung aufzieht, was "typisch für Jungs" und was "typisch für Mädchen" ist, dann werden genau solche Menschen wie diejenigen, die jetzt in den sozialen Medien trollen und sagen: 'Was machst du als Frau im Motorsport?' Da tut es mir leid, aber auch wir Frauen haben einen Platz im Motorsport, es gibt nur einfach viel zu wenige, die schnell genug sind."

Corinna Kamper im Kart, 2013
Foto: © GEPA

Die Erziehung unserer Kinder sei der Grundstein für das spätere Leben, umso wichtiger, dass man ihnen nicht von klein auf "Mädchen- und Jungssachen" vorhält, sondern alle Möglichkeiten offenlässt und sie selbst entscheiden lässt, was sie zu ihrer Leidenschaft machen.

Ob der physische Aspekt eine Rolle spielt? Schwer zu sagen. Kamper meint: "Ich glaube, eine Frau müsste mehr tun. Wir haben im Vergleich zu Männern körperliche Nachteile in Bezug auf sportliche Kompetenzen oder Kraft. Aber ich glaube, dass heutzutage, da alles so komplex ist, eine Frau rein vom physischen Aspekt her in der Formel 1 mithalten könnte."

Rennfahrerinnen geraten schnell ins Schussfeld

Gegenüber Frauen im Motorsport herrschen nach wie vor Vorurteile, Kritik an einer Rennfahrerin wird gerne und schnell ausgeübt. Bis heute fragen manche Menschen ernsthaft, was denn eine Frau in einem "Männersport" verloren habe.

"Es gibt so viel im Hintergrund, was die Menschen nicht wissen."

Corinna Kamper

Weibliche Fahrerinnen sind nach wie vor eine Besonderheit, weshalb es leichtfällt, etwas an ihnen aussetzen zu können. Konstruktive, faire Kritik ist klarerweise gerechtfertigt, doch oft kommen einem auf Social Media Kommentare unter, die sicher vieles, aber keine konstruktive Kritik sind. Ein gutes Beispiel nennt mir Corinna Kamper.

"Wenn Sophia Flörsch ihre Meinung im Fernsehen äußert, lese ich oft Kommentare wie: 'Aber warum interessiert uns die Meinung von Flörsch? Sie ist nie in der Formel 1 gefahren, hat nichts gewonnen und fährt irgendwo im Hintergrund herum.' Doch das, was die meisten übersehen - und das gilt auch für mich - ist die immense Erfahrung, die wir haben. Ich saß 14 Jahre lang in einem Rennauto. Es gibt so viel im Hintergrund, was die Menschen nicht wissen."

Zum Verständnis: Aktuell ist Sophia Flörsch als einzige Frau in der Formel 3 unterwegs.

Sophia Flörsch im Formel-1-Paddock
Foto: © GEPA

Sophia Flörsch ist übrigens die erste Frau, die in der Geschichte der Formel 3 in die Punkteränge fuhr. 

Weiter erklärt Kamper: "Ob ich nun in der Formel Renault Zwölfter, Fünfter oder Vierter werde, hängt oft eher mit finanziellen Aspekten zusammen. Wenn ich finanziell besser aufgestellt bin, kann ich mehr Testtage absolvieren und mehr fahren, was zu besseren Ergebnissen führt. Dennoch habe ich dieselbe Perspektive wie ein Fahrer auf dem Podium, denn ich weiß, was es braucht, um schnell zu sein. Viele sagen dann: 'Nun ja, sie wurde Zwölfter und hat nichts erreicht, Punkt.' Aber so einfach ist das nicht. Solche Aussagen kommen oft von Leuten, die nicht wirklich im Rennsport aktiv sind."

"Aber du bist für eine Rennfahrerin doch viel zu hübsch"

Im weiteren Gespräch mit Corinna Kamper erzählt sie mir noch weitere kuriose Dinge, die sie sich im Laufe ihrer Laufbahn anhören musste.

"Ich habe auch die Frage bekommen: 'Aber du bist doch nicht lesbisch, oder?'"

Corinna Kamper

Es gibt gewisse Vorstellungen, die Menschen von einer Rennfahrerin haben.

"Ich habe extrem oft gehört: 'Ja, aber du bist für eine Rennfahrerin viel zu hübsch.' Ich habe mit einigen darüber gesprochen, und einer meinte einmal, dass man sich weibliche Rennfahrerinnen immer etwas kleiner, stärker und mit kurzen Haaren vorstellen müsse, so wie man sich auch eine Automechanikerin vorstellt. Da dachte ich mir: 'Das kann doch nicht dein Ernst sein.' Das ist das Bild, das die Leute von Frauen in MINT-Berufen haben", berichtet mir die Steirerin Kamper.

Doch es geht noch weiter: "Ich habe auch die Frage bekommen: 'Aber du bist doch nicht lesbisch, oder?' Das sind die Stereotypen, die Frauen auferlegt werden. Leute denken, dass man so aussehen muss, um diesen Beruf ausüben zu können oder einfach einer bestimmten Vorstellung zu entsprechen."

Allerdings gibt es auch positive Dinge zu erwähnen. Durch die 2023 eingeführte F1 Academy und ihrem Vorgänger W Series ist die Präsenz von Frauen im Rennsport massiv gestiegen.

Die Fahrerinnen der F1 Academy beim Saisonauftakt in Jeddah
Foto: © getty

Die F1-Academy ist eine rein weibliche Rennserie, in der ab 2024 auch die Formel-1-Teams aktiv mitwirken. Jedes Team fördert eine Fahrerin, sie fährt unter anderem mit der Lackierung des jeweiligen Rennstalles.

Für Kamper gilt: "Es geht nicht darum, dass wir unbedingt rein weibliche Rennserien brauchen - wir brauchen die Präsenz von Frauen. Mehr Kinder und Mädchen, aber auch Erwachsene und Eltern sollten sehen, dass es auch Frauen in der Formel 1 und im Motorsport gibt, die diesen Sport mit Leidenschaft ausüben. Es ist wichtig, dass sie verstehen, dass Motorsport nicht nur für Jungs ist."

Denn durch die Medienpräsenz der Formel-1-Teams richtet sich automatisch auch mehr Aufmerksamkeit auf die F1-Academy, deren Rennen im Rahmen der Formel-1-Wochenenden ausgetragen werden.

Doch die Frage ist: Wann sehen wir das nächste Mal eine Formel-1-Fahrerin? 

 

 

Amna Al Qubaisi, F1-Academy-Fahrerin
Foto: © getty

Natürlich habe ich Corinna Kamper nach ihrer Einschätzung gefragt: "Ich glaube, die nächste Formel-1-Fahrerin sitzt momentan irgendwo im Kartsport, vielleicht sogar im jungen Kartsport. Ich glaube, für viele, die jetzt in der F1 Academy sitzen, wie Doriane Pin, die unglaublich ist und schon in anderen Klassen ihre Fähigkeiten bewiesen hat, kommt diese Chance vielleicht zu spät."

"Ein paar Mädels zeigen bereits großes Potenzial. Die richtige Formel-1-Fahrerin ohne Verbindungen, wie beispielsweise ein Vater wie Lawrence (Anm., Stroll), der eine Tochter hat, könnte eine andere Geschichte sein. Aber wenn alles so läuft, wie es sollte, glaube ich, dass wir vielleicht in fünf, sechs oder sieben Jahren die nächste Formel-1-Fahrerin haben werden", so die 29-Jährige weiter.

Wie sieht eigentlich die Lage in Österreich aus? Generell hat Österreich im Vergleich eher weniger Rennfahrer, vom weiblichen Nachwuchs ganz zu schweigen. Mit Charlie Wurz stellt Rot-Weiß-Rot immerhin einen Formel-3-Fahrer.

"Ich denke, in Österreich könnte man viel mehr tun."

Corinna Kamper

Hinkt Österreich in Sachen Frauenförderung im Rennsport also hinterher?

Kamper: "Absolut. In Österreich haben wir leider sehr wenige Mädchen im Kartsport, und diejenigen, die überhaupt einsteigen, sind meist sehr jung. Wir müssen jedoch auch ehrlich sein und sagen, dass es in Bezug auf Unterstützung noch Nachholbedarf gibt. Zum Beispiel hat Deutschland den ADAC, der Fahrer und Fahrerinnen extrem unterstützt, um Fortschritte zu erzielen. Oder England. Ich habe vier Jahre in England gelebt, als ich bei McLaren unter Vertrag stand. Damals war ich beeindruckt, wie viele Mädchen auf den Rennstrecken unterwegs waren, auch schon im Kartsport. England ist in dieser Hinsicht viel weiter als Österreich."

"Ich denke, in Österreich könnte man viel mehr tun. Der Red Bull Ring ist definitiv eine gute Werbung, und ich hoffe, dass sich dort noch mehr in Richtung Mädchen bewegt. Vielleicht kann die F1 Academy dort mehr bewirken", erklärt sie mir weiter.

Foto: © getty

Was können wir also als Schlussfazit festlegen? Nun, es ist ein positiver Trend erkennbar, vor allem was die mediale Präsenz von Rennfahrerinnen betrifft. Doch das ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein - denn es müssen endlich alle akzeptieren, dass Frauen genauso das Recht auf eine Motorsportkarriere haben wie Männer.

Junge Mädels sollen die Möglichkeit bekommen, ihre Leidenschaft für das Rennfahren zu entdecken und diese ohne Vorurteile ausleben zu können. Der Weg ist noch weit.


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