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Die Zeitenwende: Motorsport am Abstellgleis?

Zahlreiche Hersteller beenden ihre Engagements oder orientieren sich neu:

Die Zeitenwende: Motorsport am Abstellgleis? Foto: © getty

Die Pandemie traf alle. Auch die Autoindustrie. Auch im Rennsport.

Und Corona kam noch dazu in der Phase "der größten Transformation" (Zitat fast aller CEOs) der Branche, der politisch erzwungenen vom Verbrenner- zum Elektroantrieb.

Also war die Pandemie vielleicht nur das vorgeschobene Argument, dass vor allem deutsche Premiumhersteller ihr Marketing durch Technologiebeweise via Rennsport überdachten und änderten?

Ein knapper Überblick:

Daimler (Mercedes)

Die erfolgreichste Marke der DTM (Deutschen Tourenwagen Meisterschaft, später Masters) stieg Ende 2018 bis zum Comeback über Kunden-Teams in der kommenden Saison 2021 aus und dafür 2019/20 in die vollelektrische Formel E ein. Der immer wieder in Gerüchten kursierende Formel-1-Rückzug findet (vorläufig?) nicht statt.

Aber: Die Eigentumsverhältnisse des Serien-Weltmeisters Mercedes AMG F1 haben sich klar verschoben. Aus 60 Prozent (Daimler) zu 30 (Toto Wolff) zu 10 (Niki Lauda) wurden zuerst 70 Daimler, 30 Wolff und nun je 33,33 Prozent für Daimler, den Wiener Wolff und den Neueinsteiger Ineos. Der Chemiekonzern, schon bisher Sponsor, entscheidet künftig also mit. Eine Komplettübernahme wird beständig dementiert.

 

Audi

Die DTM dominierte Audi zuletzt nach Belieben
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Ende 2016 war mit Langstrecke nach 18 Jahren und 13 Siegen in Le Mans sowie zwei WM-Titeln in der WEC (bestehend seit 2012) Schluss. Mit 2020 fiel auch die Zielflagge in der DTM, in der man nach dem Mercedes-Austritt vom einzigen verbliebenen Konkurrenten BMW fast keine Gegenwehr abbekommen hatte. Und mit Ende 2021 ist auch Schluss auf der Elektrobühne der Formel E.

Aber: Immerhin ist in Ingolstadt eine Rückkehr ins World Endurance Championship 2023 mit dem Reglement der "Hypercars" geplant, die neben der WM (WEC) und Le Mans auch in der amerikanischen Sportwagenmeisterschaft (IMSA) einsetzbar sein werden.

Bemerkenswert allerdings ist, dass Audis werkseitig betriebener Rennsport, der bisher direkt dem Entwicklungsvorstand unterstellt war, in die "Sport GmbH" wechselt, der dortige Chef Julius Seebach seit 1. Dezember auch Werksportchef ist und der bisherige Leiter Dieter Gass (der auch bei Toyota in der Formel 1 arbeitete) anderweitig beschäftigt wird. Überraschend kam auch die Ankündigung, Audi werde mit einem elektrifizierten Prototyp die Rallye Dakar 2022 bestreiten. Zurück im Rallyesport also, wo alles Sportliche 1981 mit dem ersten quattro begann.

 

BMW

1999: BMW-Sieg in Le Mans
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Als letzter der Hersteller wurde auch von den Münchnern der Stecker in der "alten" DTM gezogen. Und dazu wie bei den Nachbarn an der Donau gleich auch der Formel-E-Abschied Ende 2021 ausgerufen, wie auch der Wechsel in der Motorsport-Leitung von Jens Marquardt zum interimistischen Chef Markus Flasch – der Salzburger ist auch seit 2019 Chef der M-GmbH. Zuvor hatte BMW bereits das Werksengagement in WEC und IMSA gestoppt.

BMW Motorsport wird nun mit Anfang April mit der M-GmbH zusammengeführt, Mike Krack, bisher Head of Race and Test Engineering, Operations and Organisation übernimmt die Leitung. Er berichtet weiterhin an M-GmbH-Boss Flasch.

Für das größte Unverständnis in der deutschen Motorsportszene sorgte die Vertragsauflösung von BMW mit mehreren Werkteams, darunter Schnitzer Motorsport in Freilassing nach 50 Jahren, ungezählten Erfolgen in Le Mans, auf dem Nürburgring, in DTM und nationalen Meisterschaften. Die Schnitzer Motorsport GmbH wird aufgelöst, das komplette Equipment verkauft - zuletzt schien noch kein Käufer für das gesamte Team und die Übernahme der Belegschaft gefunden. Es wären 18 Fulltimejobs und etliche von Freelancern weg.

 

Porsche

Porsche bleibt in der Formel E
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Der Werksmotorsport wird 2021 auf die Formel E und die Langstrecken-WM (GTEPro) reduziert. Aus der IMSA stieg man Ende 2020 aus. Der relativ große Werkfahrerkader wurde um sechs Piloten, darunter Le-Mans-Gewinner, reduziert.

Erfreulich aus österreichischer Sicht: Richard Lietz ist in seiner 15. Saison als Werkfahrer und wird mit Gian-Maria Bruni wieder das WEC inklusive Le Mans bestreiten. Und Thomas Preining (22) wurde vom "Young Professional" zum jüngsten Werkfahrer hochgestuft, ist aber nicht mehr Formel-E-Ersatzpilot (den Platz brauchte man für den zurückgestuften Neel Jani).

In der Langstrecken-WM wird es in der LMDh-Kategorie eine Stufe "unter" den Hypercars 2023 einen Wiedereinstieg geben, wo auch erstmals Synergien mit Konzernschwester Audi eingegangen werden.

 

Volkswagen

VW: In der WRC weltmeisterlich
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Nach über 50 Jahren ist die in Hannover angesiedelte Sportabteilung Geschichte. VW hat alle Motorsportaktivitäten, die sich zuletzt auf Prestigeprojekte mit dem Elektrorenner I.D.R (Pikes Peak-Sieg 2018 mit Streckenrekord durch Romain Dumas) beschränkten, beendet. In den Formel-V-Boliden begann für ganze Rennfahrer-Generationen die Sportkarriere, in der Rallye war VW Weltmeister, in Dakar wurde triumphiert, jahrelang siegte der Formel-3-Motor in vielen Ländern.

Ein früherer VW-Motorsportdirektor steigt indessen weiter auf der Karriereleiter: Jost Capito, unter dem vier Rallye-WM-Titel in Folge gefeiert wurden, ist neuer Geschäftsführer bei Williams F1.

 

Sonstiges

Aus Pink wurde "British Racing Green"

In der Formel 1 gibt es 2021 einen Ein- und Ausstieg. Infiniti, die Nobelmarke von Nissan, die aus dem europäischen Markt nach gerade mal zehn Jahren wieder abgezogen wird, gab ihr Engagement als Renault-Partner (seit 2016) auf. Von 2011 bis 2015 war Infiniti zuerst kommerzieller und dann auch technischer Partner von Red Bull Racing-Renault.

Die Einsteiger sind auf Namensänderungen zurückzuführen: Aus Racing Point wurde Aston Martin, aus Renault F1 Alpine. Zur Erinnerung: Aston Martin bestritt zuletzt 1959/60 sechs Große Preise ohne Punktgewinn, am Steuer saßen Roy Salvadori, Carroll Shelby und Maurice Trintignant.

Die große Zeit von Alpine im Motorsport war in der Rallyeszene der 1960er und 1970er: 1973 ging der erste Marken-WM-Titel an Alpine nach sechs Siegen für Thérier, Darniche, Nicolas und Andruet in 13 Bewerben. 1978 folgte der umjubelte Le-Mans-Heimsieg für Alpine mit Pironi/Jaussaud. Und zuletzt war eine Signatech-Alpine in der LMP2-Klasse des WEC u.a. mit zwei WM-Titeln erfolgreich.

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