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Matthias Zollner: "Bin näher am Puls der Zeit"

ÖBV-Coach Matthias Zollner über WM-Quali, junge Coaches und Jakob Pöltl.

Matthias Zollner: Foto: © GEPA

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Zwei Meistertitel, ein Cup-Sieg – ein unbeschriebenes Blatt ist Matthias Zollner im österreichischen Basketball wahrlich nicht.

Das Engagement des 36-Jährigen endete im Februar 2016 so unsanft, wie es wenig später dem ganzen Verein der Güssing Knights passieren sollte. Finanzielle Gründe waren es, die das Gastspiel des Deutschen beendeten.

Nun ist Zollner wieder da – als Coach des österreichischen Nationalteams. Und er soll den ÖBV in die letzte Phase der WM-Qualifikation für China 2019 führen.

Die Herausforderung für einen Nationalcoach hat sich grundlegend geändert: Anstelle eines großen Fensters, in dem alle Spiele samt der Vorbereitung anstehen, gibt es neuerdings mehrere kurze und über das Jahr verteilte Abschnitte.

Darüber hinaus hat Österreich mit Vize-Welt- und Europameister Serbien, Deutschland und Georgien eine harte Gruppe erwischt. Los geht es am 24.11. in Serbien, am 27.11. folgt das Heimspiel gegen Deutschland.

Wie Matthias Zollner seine Aufgabe anlegen will, was die Vor- und Nachteile eines jungen Coaches sind und welche Rolle Jakob Pöltl aus seiner Sicht für Österreichs Basketball spielt, verrät der Neo-Teamchef im Interview mit LAOLA1.

LAOLA1: Herzlichen Glückwunsch zur neuen Aufgabe! Wie ist Ihr Engagement zustandegekommen?

Matthias Zollner: Der ÖBV ist in den letzten sechs Wochen auf mich zugekommen. Nachdem ich über meine Tätigkeit in Güssing und darüber hinaus gute Beziehungen nach Österreich habe, ich mich immer in dem Land wohlgefühlt habe und auch glaube, mit dieser Mannschaft einiges erreichen zu können, habe ich mich für den ÖBV und der ÖBV sich für mich entschieden.

LAOLA1: Was hat Sie an dieser neuen Aufgabe besonders gereizt?

Zollner: Das Team ist sehr interessant. Ich kenne einige Spieler aus Güssing, einige aus der Liga und einige aus europäischen Wettbewerben. Zudem war ich 2012 schon für die deutsche Nationalmannschaft tätig, eine sehr interessante Aufgabe und etwas komplett anderes als bei einem Verein. Dieser Herausforderung wollte ich mich wieder stellen.

Matthias Zollner im Gespräch mit LAOLA1-Redakteur Johannes Bauer

LAOLA1: Im letzten Jahr waren Sie nicht als Coach tätig, sondern haben in Frankfurt ein Dienstleistungsunternehmen für Vereine und Sportler geleitet.

Zollner: Das habe ich hauptsächlich aus familiären Gründen gemacht. Ich hatte einige Angebote aus dem Ausland, aber wir haben entschieden, dass wir im deutschsprachigen Raum leben wollen und unsere Kinder hier groß werden sollen. Hier gab es aber keine Aufgabe, die mich gereizt oder die ich bekommen hätte. Ich habe den Basketball trotzdem immer verfolgt, viele Fortbildungen gemacht, für die FIBA Europe, für den Deutschen Basketball-Bund, habe auch als TV-Experte für die ABL gearbeitet und hatte immer das Ziel, wieder etwas im Basketball-Bereich zu machen.

LAOLA1: Welche Erfahrungen haben Sie im Business-Bereich sammeln können, die Sie im Trainergeschäft vielleicht weiterbringen?

Zollner: Das Thema Menschenführung ist eines, das grundsätzlich in den Bereichen der Wirtschaft und des Sports ähnlich ist. Natürlich kommt es im Sport viel intensiver zum Tragen. Hier kann man sich immer weiterentwickeln.


Der LAOLA1-Wordrap mit Matthias Zollner:

(Text wird unterhalb fortgesetzt)


LAOLA1: Sie sind jung ins Trainergeschäft eingestiegen – der Altersunterschied zu den Spielern ist nicht immer so groß. Ist das ein Vor- oder Nachteil?

Zollner: Es gibt Vor- und Nachteile. Ich bin vielleicht ein bisschen näher am Puls der Zeit, wobei ich festgestellt habe, dass die 5-10 Jahre Vorsprung, die ich meistens habe, schon irrsinnig viel ausmachen. Speziell im Bereich Kommunikation. Ich bin immer noch jemand, der das Wort spricht und nicht per WhatsApp kommuniziert. Es gibt natürlich auch einige Nachteile. Ich habe schon genug Erfahrungen gesammelt, aber 40 Jahre Trainergeschäft, wie manche Kollegen, habe ich nicht am Buckel. Der Trend geht in allen Sportarten zu jüngeren Trainern, überhaupt, wenn man sich ansieht, wer in letzter Zeit die EuroLeague gewonnen hat oder welche Trainer mit ihren Nationen bei der Europameisterschaft ganz vorne waren. Da gibt es kaum Coaches über 45.

LAOLA1: Wie intensiv haben Sie das ÖBV-Nationalteam zuletzt beobachtet?

Zollner: Sehr intensiv! Ich war im Sommer in Schwechat, habe mir ein Spiel live angesehen, und war natürlich mit meinen ehemaligen Spielern Thomas Klepeisz, Moritz Lanegger und Sebastian Koch in Kontakt. Dann gab es immer Aufeinandertreffen mit meinem Heimatland, Österreich-Deutschland hat ja mittlerweile richtig Tradition!

Ich bin vielleicht ein bisschen näher am Puls der Zeit, wobei ich festgestellt habe, dass die 5-10 Jahre Vorsprung, die ich meistens habe, schon irrsinnig viel ausmachen. Speziell im Bereich Kommunikation. Ich bin immer noch jemand, der das Wort spricht und nicht per WhatsApp kommuniziert.

Matthias Zollner über geringen Altersunterschied zu Spielern

LAOLA1: Also lassen sich durchaus Stärken und Schwächen, die aktuell vorliegen, etwas abstecken?

Zollner: Stärken kann man auf jeden Fall verraten, die sind kein Geheimnis. Ich glaube, dass die Österreicher ein sehr gutes Team haben, eine Mannschaft aus Spielern, die schon sehr lange zusammenarbeiten – teilweise schon mit der U20 B-Division-Europameister geworden sind. Dass da ein Kern gewachsen ist, ist sicher eine große Stärke. Außerdem glaube ich, dass bei fast allen Spielern eine große Bereitschaft da ist, das Land zu vertreten. Eine hohe Identifikation mit der Nationalmannschaft – das ist nicht in allen Ländern so.

LAOLA1: Mit welcher großen Herausforderung sehen Sie sich durch die Umstellung auf die kürzeren Nationalteam-Fenster konfrontiert?

Zollner: Die Arbeit ist von einem Projektgeschäft zu einer mittelfristigen Angelegenheit geworden. Man kann nicht mehr sagen: "Ich mache jetzt vier Wochen Vorbereitung, dann steht die Mannschaft und ich spiele die 6-8 Spiele, bevor es wieder erledigt ist." Es ist nun ein Prozess. Das ist eine große Herausforderung, speziell aufgrund der Heterogenität der Mannschaft. Manche Spieler spielen bei Top-Klubs in Europa, andere in nicht so professionellen Vereinen, und man muss schauen, die alle in dieser kurzen Zeit auf einen Nenner zu bekommen.

LAOLA1: Ist diese Änderung eine gute Idee gewesen?

Zollner: Grundsätzlich ist die Idee sehr gut, dass man sagt, die Nationalmannschaft sollte zu mehreren Zeitpunkten im Jahr präsent sein. Nicht immer nur im Sommer. Problematisch sehe ich die Umsetzung. Wir haben im Basketball vier große internationale Verbände, die nicht immer an einem Strang ziehen.

LAOLA1: Kann man als Teamchef in so kurzer Zeit überhaupt noch etwas Sinnvolles mitgeben?

Zollner: Das hoffe ich schon, sonst würde ich den Job nicht machen. Die Frage wird sein: Wie viel kann man in einem einzelnen Fenster bewegen? Wie viel muss man versuchen, zwischen den Fenstern zu bewegen, durch individuelle Arbeit, Gespräche und Aufgaben, die man den Spielern mitgibt? Und wie viel ist Entwicklungsarbeit, die Schritt für Schritt passiert? Da wird man beim ersten Mal sicher einige Kompromisse eingehen müssen. Aber die wiederholte Arbeit wird sicher Vorteile im Vergleich zu der früheren, einmaligen Arbeit liefern.

LAOLA1: Apropos Vorteile – ist es ein solcher, in der WM-Qualifikation mit dem Auswärtsspiel in Serbien gleich die schwerste Aufgabe zum Auftakt zu haben?

Zollner: Das ist sicherlich kein Vorteil. Mir wäre es lieber, wir hätten Luxemburg als Auftaktgegner bekommen. Aber das lässt sich nicht ändern und wir nehmen die Aufgaben, wie sie auf uns zukommen. Die Gruppe ist generell sehr schwer: Wir haben zwei traditionelle Basketball-Nationen sowie das bevölkerungsstärkste Land Europas als Gegner. Es ist sicher eine Hammergruppe.

Ich glaube, dass solche Aushängeschilder unglaublich wertvoll sind. Aber es geht nichts über eine erfolgreiche Nationalmannschaft. Wir haben neben Jakob auch sehr gute Spieler, die europäisches Top-Niveau spielen können.

Matthias Zollner über Jakob Pöltl

LAOLA1: Und schon im zweiten Spiel gegen Deutschland zu spielen? Den Gegner kennen Sie sehr gut.

Zollner: Ach, die Gegner kennen wir alle gut. Es ist prinzipiell egal, in welchem Fenster man gegen welche Mannschaft spielt. Was vielleicht ein kleiner Vorteil sein kann, aufgrund der Komplikationen zwischen EuroLeague und FIBA: Dass einige Spieler, die in der EuroLeague viele Spiele haben, nicht kommen können.

LAOLA1: Wie groß sehen Sie die Chancen, diese Runde zu überstehen?

Zollner: Drei zu Vier – wir haben die gleichen Chancen, wie alle anderen Mannschaften auch (Die ersten drei Teams der Vierergruppe qualifizieren sich für die letzte Phase, Anm.).

LAOLA1: Österreichs Basketball hat mit Jakob Pöltl, dem ersten Spieler in der NBA, einen wichtigen Schritt gemacht. Wie wichtig ist so ein Vorzeige-Athlet für die Sportart?

Zollner: Das kann extrem helfen. Ich glaube, dass solche Aushängeschilder unglaublich wertvoll sind. Wir haben das in Deutschland mit Dirk Nowitzki selbst erlebt. Nichtsdestotrotz muss ich sagen: Ich bin auch 1993 Zeuge geworden, als Deutschland überraschend im eigenen Land Europameister wurde – ohne Detlef Schrempf, der damals der Superstar war – und da war der Boom wesentlich größer als bei Nowitzki. Einzelne Personenmarken sind wichtig, aber es geht nichts über eine erfolgreiche Nationalmannschaft.

LAOLA1: Möglicherweise steht er für die letzten WM-Qualifikationsspiele kommenden Sommer wieder zur Verfügung. Ist es schwierig, so einen herausragenden Spieler in eine Mannschaft zu integrieren?

Zollner: Individuelle Qualität zu integrieren, ist die leichteste und angenehmste Aufgabe, die der Trainer haben kann. Wir haben neben Jakob auch sehr gute Spieler, die europäisches Top-Niveau spielen können. Die Aufgabe wird eher sein, aus allen Spielern ein Kollektiv zu bilden, denn der moderne Basketball wird nicht von einem Spieler entschieden, sondern von fünf, sechs oder gar zehn.

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