Wien. Alte Donau. Jakob Pöltl strahlt. Die lange Saison in der Bubble hat auch den rot-weiß-roten NBA-Export die Freuden des Lebens besonders in Erinnerung gerufen.
Seinen Heimaturlaub nützt er für Familien-Treffen, Besuche bei Freunden und Fußball schauen - etwa in der LAOLA1-EM-City. Wer von einem relaxten Urlaub spricht, der vergisst jedoch, dass Pöltl täglich auch seine Trainingsstunden am Court seines Ex-Klubs Vienna Timberwolves absolviert.
In Abstimmung mit den San Antonio Spurs ist genau geregelt, wann, wie oft und wie viel der 2,13-Meter-Hüne in der Offseason schuften muss. "Das Feedback war sehr positiv. Mir persönlich ist es am Anfang noch sehr schwer gefallen, die Saison positiv zu sehen. Nach einer sehr starken ersten Halbzeit der Saison hatten wir gegen Ende hin dann Schwierigkeiten. Mit dem Ausscheiden tut es immer weh, die positiven Seiten zu sehen. Je mehr Zeit vergangen ist, desto mehr konnte ich auch die Entwicklungsschritte sehen, die ich während der Saison gemacht habe, die ich gegen Ende hin schon fast als Selbstverständlichkeit hingenommen habe", hat Pöltl das Aus im Play-In noch nicht ganz verdaut.
"Für mich persönlich war es eine Höhen- und Tiefensaison. Aber alles in allem bin ich eigentlich ganz zufrieden mit der Entwicklung." Vor allem ist der Stellenwert des Centers mehr und mehr gewachsen - er ist zum Starter geworden. Mittlerweile ist sein Feedback auch bei den Spurs gefragt, die Mutation vom Youngster zum Routinier ist damit geglückt.
"Natürlich ändert sich dadurch der Stellenwert"
Als Starter und immer besserer Scorer stieg auch sein Ansehen, seine Rolle hat sich verändert. Mittlerweile zählt der 25-Jährige längst nicht mehr zu den Rookies, sondern zu jenen Spielern, die mit Rat und Tat vorangehen.
"Natürlich ändert sich dadurch auch der Stellenwert, das habe ich schon gespürt. Mit mehr Minuten steigt die Verantwortung im Team. Die Leute schauen auch mehr zu mir auf, meine Meinung zählt ein bisschen mehr. Es gibt auch mehr Austausch mit den Coaches - nicht nur in den Timeouts, was mir auffällt, sondern auch zwischen Spielen und in der Offseason bin ich mehr involviert, was das Team angeht", schildert Pöltl seinen neugewonnenen Status in San Antonio.
Jakob Pöltl über seine neue Rolle und Entwicklung:
(Text wird unter dem Video fortgesetzt)
Die Saison bedeutete für den Wiener in jeglicher Hinsicht Neuland. Die Corona-Pandemie hat ihren Teil dazu beigetragen, dass die Spielzeit alles andere als normal war. Sportlich hat er mit der Umwandlung zum Starter auch Umstellungen akzeptieren müssen, die ihm nachhaltig nützen sollen.
"Das geht sehr schnell, man wächst in diese neue Rolle hinein. Am Anfang ist es noch ein bisschen ungewohnt. Es gibt eine andere Rotation, mehr Spielminuten, ich war dadurch mit anderen Teamkollegen am Feld, als ich es davor gewohnt war. Nach ein, zwei Wochen kommt es einem normal vor", beschreibt Pöltl die "Beförderung".
"Ich bin noch mehr involviert in das Spurs-Projekt"
Genau diese Rolle spielt aber auch in seiner Entwicklung einen entscheidenden Faktor. "Ich bin fast noch mehr involviert in das Spurs-Projekt", erzählt der Basketball-Export von Sommergesprächen mit Führungsspielern wie Dejounte Murray oder Derrick White im Hinblick auf die nächste Saison und Verbesserungspotenzial.
Sportlich hat Pöltl seine Stats nach oben geschraubt, aber auch hier musste alles Schritt für Schritt passieren. Was nun auf ihn zukommt, kann Pöltl schwer in Steps einteilen. "Ich habe das Gefühl, dass ich mich ein bisschen zurückgehalten habe, vor allem offensiv als ich auch schon als Starter unterwegs war. Das ist dann besser geworden. Das war am Anfang sicher Gewohnheitssache, dass ich mit mehr Minuten auch offensiv aggressiver sein sollte. Daran habe ich nach der Saison schon in San Antonio und jetzt in Wien viel gearbeitet. Ich schaue, dass ich mit mehr Selbstvertrauen in die Sache reingehe, an vielen Sachen offensiv arbeite und facettenreicher agieren kann."
Zu altern ist für den 25-Jährigen kein Problem. Mit seiner Erfahrung anderen zu helfen, macht durchaus Spaß. Die Ups and Downs sind in einem jungen, unerfahrenen Team, wie es die Spurs haben, nachzuvollziehen. Viel mehr gilt es jedoch, den nächsten Entwicklungsschritt zu setzen, denn Pöltl glaubt an sein Team.
"Ich sehe es sehr positiv. Ich denke, wir können da auf etwas aufbauen. Wir haben in der Bubble gut gearbeitet. Es wird eine Zeit lang dauern, aber wir haben auf jeden Fall eine gute Basis, auf der wir aufbauen können."
NBA-Finale gibt Pöltl Hoffnung für Spurs
Das nun feststehende NBA-Finale zwischen den Milwaukee Bucks und den Phoenix Suns kommt für Pöltl überraschend. Gleichzeitig ist es aber auch ein gutes Omen, um als No-Name mit guter Arbeit ganz nach oben zu kommen.
Eine ähnliche Entwicklung kann er sich auch beim vor Potenzial strotzenden Spurs-Roster vorstellen. "Es ist cool, dass frischer Wind drin ist. Das sind junge Teams, die ganz oben mit dabei sind. Das macht Hoffnung, dass neue Generationen reinkommen und oben mitspielen können."
"Jetzt wurde der Resetknopf gedrückt, um sich mit einem jungen Team nach oben zu arbeiten. Es ist auf jeden Fall ein Ziel von mir, früher oder später eine NBA-Championship zu gewinnen."
Aufgrund der erfolgreichen Vergangenheit der Spurs ist die Erwartungshaltung in San Antonio dementsprechend groß. Unvergesslich bleiben die insgesamt fünf NBA-Titel und Stars wie Tim Duncan, Tony Parker oder Manu Ginobili.
"Es ist eine lange Reise zurück ins Finale. Natürlich gibt es hohe Ansprüche in San Antonio, die letzten 20 Jahre waren sehr erfolgreich. Für uns ist es das Ziel, mit einer jungen, recht unerfahrenen Mannschaft zurück in die Playoffs zu kommen. Wenn man sich Teams wie Phoenix oder Atlanta anschaut - die hatten ein paar toughe Jahre, und jetzt stehen sie im Finale oder Semifinale. Oder die Bucks haben wir mit den Raptors damals in der ersten Runde rausgehaut, jetzt sind sie nach vier, fünf Jahren im Finale. Das ist ein Prozess, der länger dauert. Wir sind recht committed, und ich hoffe, wir haben das Zeug dazu, uns dort hinzuarbeiten."
"Ist ein Ziel von mir, eine NBA-Championship zu gewinnen"
Pöltl hat schon viel erreicht, sich von Wien-Donaustadt in die NBA gespielt und sehr viel richtig gemacht. Trotzdem kommt auch der Hüne ins Schwärmen, wenn er auf ein mögliches NBA-Finale als Ziel angesprochen wird.
"Natürlich ist das ein Ziel von mir und wohl das Ziel von fast jedem NBA-Spieler. Es ist ein bisschen ein Grind, da steckt viel harte Arbeit und ein bisschen Glück dahinter, dass alles zusammenpasst. Es ist für mich ein bisschen ein Neustart. Jetzt wurde der Resetknopf gedrückt, um sich mit einem jungen Team nach oben zu arbeiten. Es ist auf jeden Fall ein Ziel von mir, früher oder später eine NBA-Championship zu gewinnen."
Davor bereitet sich Pöltl vorerst in Wien aber auf die kommende Saison vor. Die Teilnahme an den Pre-Qualifiern für die WM wurde vom ÖBV überraschend abgesagt, es ist jedoch gut möglich, dass der Superstar beim Nationalteam-Trainingscamp Anfang August dabei ist. "Ich habe mich auf einen Kaffee mit dem Headcoach zusammengesetzt. Ich wäre gerne dabei, aber ich muss ich auf die Freigabe von den Spurs und der NBA warten - das sollte die nächsten Tage passieren. Ich kann mir gut vorstellen, etwas für die Zukunft aufzubauen, an unserem Teamplay zu arbeiten und wieder mit allen zusammen in der Halle zu stehen. Das Nationalteam hat mir in der Vergangenheit immer viel Spaß gemacht."
Pöltl ist Pöltl, ein Star zum Angreifen. In den USA erkennt man ihn schon lange, beim Wien-Besuch muss er sich auch mittlerweile zurückhalten. "Ich spüre es jeden Sommer mehr und mehr. Beim Fußballschauen mit Sportbegeisterten erkennen mich mehr Leute als auf den Straßen. Aber ich spüre, dass ich oder der Basketball in Österreich größer und bekannter wird."
Auch in dieser Form eine neue Rolle, die Pöltl zum Scherzen veranlasst: "Ich bin eher ein Typ, der unter dem Radar unterwegs ist, was eh nicht so leicht ist mit meiner Größe." Spätestens als NBA-Champion würde sich das Leben aber radikal ändern - zu wünschen wäre es ihm aber trotzdem.