Wie wäre es, wenn du einen Lautsprecher bei dir hättest, der dich als einen der Allergrößten, die es jemals geben wird, ankündigt? Immer. Überall. Egal, wohin du gehst.
Ungefähr so muss sich das Leben von Lonzo Ball anfühlen. Sein Lautsprecher ist sein Vater. Und der erklärt allen Leuten, die es hören wollen – nein, das ist ihm eigentlich egal – allen Leuten, die es hören können, dass sein Sohn einer der besten Basketballer aller Zeiten wird. Vielleicht sogar überhaupt der Beste.
Und wenn nicht er, dann einer seiner beiden Brüder. „Irgendwer muss besser sein als Michael Jordan. Warum nicht du?“, impfte LaVar Ball seinen Söhnen von klein auf ein. Mit Lonzo betritt nun sein Erstgeborener die ganz große Bühne.
Der 19-Jährige wurde nach nur einem Jahr am College (UCLA) beim NBA Draft 2017 als Nummer 2 gepickt. Von den Los Angeles Lakers. Der junge Mann war vorbereitet darauf. Natürlich, sein Vater hatte doch schon jahrelang angekündigt, dass es so kommen würde, dass sein Sohn mal für den 16-fachen NBA-Champ spielen würde.
Schuhe für fast 500 Dollar
Also schlüpfte der junge Mann, kurz bevor NBA-Commissioner Adam Silver die Wahl der Lakers bekanntgab, aus seinen schwarzen Schuhen und in ein Paar mit den Teamfarben Gold und Violett. Die Marke: Big Baller Brand. Der Schuhname: ZO2. Ja, die Familie Ball hat eine eigene Sportartikel-Firma. Für absurde 495 US-Dollar (rund 440 Euro) kann man die Schuhe kaufen. Wer noch 200 Dollar drauflegt, bekommt ein von Lonzo höchstpersönlich signiertes Exemplar.
Die Szene schüttelt den Kopf, wenn sie nicht gerade spottet oder offen Kritik an der fragwürdigen Preispolitik übt, wie etwa Legende Shaquille O’Neal. Wer es billiger haben will, kann sich auch ein Shirt von Big Baller Brand um 50 Dollar kaufen. Die Badeschlapfen für 220 Dollar wurden mittlerweile aus dem Programm genommen.
Wie Earvin „Magic“ Johnson darüber denkt, ist nicht bekannt. Die Lakers-Legende ist seit Februar „president of basketball operations“ bei den Lakers. Und voll des Lobes für die Neuerwerbung. Lonzo sei „das neue Gesicht der Lakers, der Typ, der uns dorthin zurückbringen wird, wo wir hinwollen“.
Neun Legenden-Trikots mit Nummern, die nicht mehr vergeben werden, hängen am Hauptfeld des Lakers-Trainingszentrums. Wilt Chamberlains 13, Elgin Baylors 22, Gail Goodrichs 25, Magic Johnsons 32, Kareem Abdul-Jabbars 33, Shaq O’Neals 34, James Worthys 42, Jerry Wests 44 und Jamaal Wilkes‘ 52.
"Brich nicht alle meine Rekorde!"
"Windeln hatte keiner von ihnen an. Ich habe sie mitten in der Nacht aufgeweckt und aufs Klo gesetzt."
Als Magic seinen Draft-Pick daran vorbeiführte, zeigte er mit dem Finger hinauf auf die Dressen und sagte: „Ich mache dir mal ein bisschen Druck. Wir erwarten, dass eines Tages ein Ball-Trikot dort oben hängt. Alles klar? Gut.“ Wenig später legte er noch einen drauf: „Lass‘ mir ein oder zwei meiner Rekorde, okay? Brich nicht all meine Rekorde!“
Um das zu verdeutlichen: Johnson holte mit dem Team aus Los Angeles fünf Meistertitel, wurde drei Mal MVP, drei Mal Finals-MVP und führt die ewigen Lakers-Ranglisten bei Assists, Steals und Defensiv-Rebounds an.
Doch der Glanz vergangener Tage ist abgebröckelt, die Franchise vom Sunset Boulevard hat zuletzt vier Mal in Folge die Playoffs verpasst. Das ist noch nie passiert. 2010 wurde die letzte Meisterschaft geholt, mittlerweile sind sogar die Clippers besser. Das ist so, als würde plötzlich 1860 den FC Bayern überflügeln.
Es scheint der richtige Moment für den Heilsbringer aus der Nachbarschaft. Rund 30 Meilen von Downtown L.A. aufgewachsen, war das Leben des Lonzo Ball genau auf diesen Moment ausgerichtet.
Die Träume des Herrn Papa
„Ich wusste immer, dass ich mehr als einen Sohn bekomme. Ich mache keine Mädchen. Ich bin der Alpha-Hund in unserer Familie“, gibt Papa LaVar gegenüber „ESPN“ zum Besten. Lonzo und seine beiden kleinen Brüder LiAngelo und LaMelo – beide spielen derzeit an der Highschool und werden künftig auch am College für UCLA auf dem Parkett stehen – konnten im Alter von acht Monaten gehen und mit zehn Monaten gingen sie aufs Töpfchen.
„Ich habe ihnen einen Schal unter die Arme gegeben und sie so gehalten, damit sie Balance lernen. Und Windeln hatte keiner von ihnen an. Ich habe sie mitten in der Nacht aufgeweckt und aufs Klo gesetzt“, berichtet er.
Das Familien-Oberhaupt selbst hat es als Sportler nie zu großem Ruhm gebracht. Als Footballer unterschrieb er zwar 1995 einen Vertrag bei den New York Jets und spielte für die London Monarchs, doch in der NFL blieb ihm der Durchbruch versagt – auch bei den Carolina Panthers, mit denen er lange trainieren durfte.
Seine Söhne sollen seine Träume leben. Als LaMelo, der jüngste des Trios, vier Jahre alt war, begann das tägliche Training. „Ich mache das, weil ich es kann. Ich habe drei Jungs und sie sind alle Monster“, sagt der Mann, das das Regime führt.
Die Lakers-Abordnung rund um Magic Johnson, die die Balls vor dem Draft besuchte, um sich Lonzos Umfeld genau anzusehen, staunte nicht schlecht als sie das Training beobachtete – Gewichte wurden gestemmt, Hügel hinauf gesprintet, Hunderte Würfe genommen. „Ich wollte ihnen zeigen, dass ich nichts zu verstecken habe. Ich wollte ihnen zeigen, was ich jeden Tag tue“, so der Youngster.
"Sightseeing ist Zeitverschwendung!"
"An irgendeinem Punkt wollen sie alle nicht mehr trainieren. Aber Lonzo war das Gegenteil."
Der 1,98 Meter große Lonzo selbst gilt, ganz anders als der exzentrische Herr Papa, als ruhiger, zurückhaltender Zeitgenosse. Seit der Highschool ist er in einer Beziehung mit Denise Garcia, Fußballerin am Riverside College. Dass sein Leben aber voll und ganz auf seine Basketball-Karriere ausgerichtet ist, beweist eine Anekdote aus seinem College-Jahr bei UCLA.
Mit seinen Studien-Kollegen besuchte er Australien. „Wir sind mit dem Rad gefahren, auf eine Brücke geklettert und waren vermutlich in zehn verschiedenen Zoos. Viel Herumlaufen, viel Sightseeing. Ich mag das nicht. Das ist Zeitverschwendung. Man kann ja ins Internet gehen und sich das ansehen. Ich bleibe gerne im Hotel und schaue mir Filme an bis das Training wieder beginnt.“
Auf dem Court stellt der Point Guard sein Ego gerne in den Dienst der Mannschaft. „Er hat einen großartigen Charakter und ist ein toller Teamkollege. An irgendeinem Punkt wollen sie alle nicht mehr trainieren. Aber Lonzo war das Gegenteil. Er hat alles getan, was wir von ihm verlangt haben“, sagt sein UCLA-Coach Steve Alford.
Die großen Pläne der Lakers
Die Lakers haben D’Angelo Russell, 2015 ihr Nummer-2-Pick, nach Brooklyn ziehen lassen, um auf der Spielmacher-Position Platz für Ball zu schaffen. „Wir danken D’Angelo für das, was er getan hat, aber ich brauchte einen Leader. Ich brauchte jemanden, der die anderen besser machen kann“, sagt Magic Johnson. Darüberhinaus erwies sich das Talent nicht nur als exzellenter Passgeber und Verteidiger, sondern auch als ausgezeichneter Werfer. Wenngleich seine Wurfbewegung reichlich unorthodox wirkt, trifft Ball auch gerne mal seine Dreier einen oder zwei Meter hinter der Linie.
Rund um Ball und Small Forward Brandon Ingram, der im Vorjahr von den Lakers als Nummer zwei gedraftet wurde, sollen die neuen Lakers aufgebaut werden. Und im nächsten Sommer, wenn das Team im Salary Cap Platz für zwei Free Agents als absolute Top-Verdiener hat, soll endgültig angegriffen werden. Immerhin dürften dann Superstars wie LeBron James, Paul George, Russell Westbrook und DeMarcus Cousins zu haben sein.
Dass es aber schon in der neuen Saison wesentlich besser wird, daran hat LaVar Ball freilich keinen Zweifel. „Lonzo wird die Lakers im ersten Jahr in die Playoffs führen“, posaunte er unmittelbar nach dem Draft hinaus. „Aktuell hoffe ich, dass Lonzo uns zu ein paar Siegen in der Summer League führt. Dann werden wir weitersehen“, steigt Lakers-Coach Luke Walton auf die Bremse. Mit einem Triple-Double (11 Punkte, 11 Rebounds, 11 Assists) im zweiten Summer-League-Spiel hat der Rookie jedenfalls schon mal aufgezeigt.
Der Lakers-Coach hatte selbst ein Vater-Problem
Der Mann weiß mit übermächtigen Vätern umzugehen. Immerhin ist er der Sohn von Bill Walton, ein Hall of Famer, der zwei Meisterschaften gewonnen hat und 1978 zum MVP gekürt wurde. Luke selbst hat mit den Lakers ebenfalls zwei Titel gefeiert. „Als ich ein junger Spieler war, hatte ich auch eine Zielscheibe auf meinem Rücken wegen der Dinge, die mein Vater gesagt hat“, meint der Trainer.
Das Wichtigste sei, dass LaVar laut Lonzo immer großartig mit ihm umgegangen wäre, immer für ihn da gewesen sei und ihn immer unterstützt habe, so Walton. Nachsatz: „Offensichtlich liebt er ihn und das ist es ja, was man von seinem Vater will.“
"Wer will schon die Schuhe eines Losers tragen?"
Ruhiger werden die Balls, wenn es um Mutter Tina geht. Sie hat selbst nie ein Spiel ihrer Söhne verpasst, bei den meisten Trainings zugesehen. Doch ein Schlaganfall vor einigen Monaten hat die Situation der Familie erschwert. LaVar versucht, die Sorgen von seinen Söhnen fernzuhalten, das Thema öffentlich kleinzureden.
Ungewöhnlich für den Mann, der auch schon behauptet hat, sein Sohn sei jetzt schon besser als Steph Curry.
Nun muss Lonzo beweisen, dass der Hype echt ist, dass er die vollmundigen Versprechen seines Vaters einlösen kann. Denn: „Wer will schon die Schuhe eines Losers tragen? Ich würde das nicht tun.“
Dropping dimes. Drilling threes. @zo2_ was a human highlight reel in 2016-17.
— Pac-12 Network (@Pac12Network) 22. Mai 2017
Where do you think he'll take his game next? #NBADraft pic.twitter.com/2QCXoXiWB2