Die NBA-Zukunft von Jakob Pöltl liegt 2.318 Kilometer südwestlich von Toronto in San Antonio.
Der 22-jährige Wiener tritt diese Reise allerdings nicht alleine an, sondern mit DeMar DeRozan - beide wurden von den Toronto Raptors zu den San Antonio Spurs getradet (Hier nachlesen!). Im Gegenzug wechseln Danny Green und Kawhi Leonard nach Kanada.
LAOLA1 hat unter die Lupe genommen, auf wen der 2,13 Meter große Jakob Pöltl in Texas treffen wird und wie seine Zukunftsaussichten aussehen.
Eines vorweg: Ein Trade ist für die meisten Spieler keine schöne Angelegenheit, vor allem wenn man sein Schicksal nicht in der eigenen Hand hat. Die erzwungene Änderung des Lebensmittelpunktes kann einiges an Umgewöhnung bedürfen.
Der schöne Nebeneffekt, dass der US-Bundesstaat Texas keine Einkommenssteuer erhebt und sich dieser Wechsel daher positiv auf die Brieftasche des Basketballers auswirkt, ist Pöltl wohl egal, denn seine Zeit in Toronto darf man durchaus als Erfolg betrachten.
Der Österreicher hat sich in der kanadischen Metropole als NBA-Spieler etabliert, die Spurs haben Pöltl nicht umsonst aus dem Fundus an jungen Wilden auserkoren.
"Winning Culture"
In San Antonio erwartet den Wiener ein Team mit großer Vergangenheit. Die Spurs spielen in ihrer aktuellen Form seit 1976 in der NBA. Der Zeitraum von 1999 bis 2007 kann getrost als Blütezeit der Franchise angesehen werden. Vier ihrer fünf NBA-Titel holten die Texaner in diesen neun Jahren. 2014 konnten die Spurs ihre letzte Championship feiern. MVP in den Finals gegen die Miami Heat war damals ein gewisser Kawhi Leonard.
Maßgeblichen Anteil am Erfolg der Spurs hat ein Mann: Trainer Gregg Popovich. Der 69-Jährige ist der Arsene Wenger des Basketballs, denn auch er trat seinen Posten im Jahr 1996 an. Unter seiner Ägide gewannen die Spurs alle ihre fünf Titel.
Der ausgesprochene Trump-Kritiker verpasste nur in seinem ersten Jahr in San Antonio die Playoffs. Seitdem stehen 13 Division-Titel und sechs Finalteilnahmen zu Buche.
Popovich betreute die Spurs in bisher 2015 NBA-Spielen, davon konnte er 1364 gewinnen, ein Schnitt von 68 Prozent. Dass Popovich einer der besten Trainer aller Zeiten ist, belegt auch die Tatsache, dass er 21 Spielzeiten in Folge eine positive Saisonbilanz vorweisen kann, kein anderer kommt auf einen solchen Wert.
Doch den Erfolg nur "Pop" zuzuschreiben, wie der in Interviews legendär kurz angebundene Coach liebevoll genannt wird, wäre zu kurz gegriffen. 1997 drafteten die Texaner den schüchternen Tim Duncan an erster Stelle. Der zukünftige Hall of Famer verbrachte seine gesamte Karriere in San Antonio, beendete diese im Jahr 2016. Ihm zur Seite standen Manu Ginobili und Tony Parker, zusammen bildeten sie über viele Jahre das Fundament der Spurs, die sogenannten "Big Three". Dieses könnte in der nächsten Saison komplett wegbrechen. Parker hat die Spurs nach 17 Jahren in Richtung Charlotte verlassen, Ginobili ist sich über die Fortsetzung seiner Karriere noch nicht im Klaren.
Dass die Spurs aber nach dem Karriereende Duncans an alte Erfolge nahtlos anschließen konnten, ist der alleinige Verdienst des legendären Coaches. Pöltl kann sich glücklich schätzen, dass er Teil einer Organisation sein darf, die als beste in der gesamten NBA bezeichnet wird. Der junge Österreicher ist Teil eines stabilen Schiffes mit großartiger Führung.
Eine Führung, die auch mit der Zeit geht. 2014 wurde Becky Hammon in den Trainerstab der Sprus aufgenommen. 2015 gewann sie mit dem Summer-League-Team der Spurs den Titel in der Las Vegas Summer League. Sie ist die erste Frau, die als Head Coach eines Summer-League-Teams fungiert und damit auch die erste Frau, die den Titel gewinnen konnte. Im vergangenen Sommer war sie eine der Anwärterinnen auf den vakanten Posten in Milwaukee, im Anschluss an diese Saison wurde sie von Popovich zur Haupt-Assistentin bestellt.
Ähnliches System wie in Toronto
Pöltl wird seinen Spielstil in San Antonio nicht sonderlich umstellen müssen. Die Spurs verfolgen eine ähnliche Philosophie wie die Raptors. Die Defensiv-Qualitäten des Wieners werden auch in Texas im Vordergrund stehen.
Während seine Konkurrenz um Spielzeit in Toronto Serge Ibaka und Jonas Valanciunas waren, so ist diese in San Antonio LaMarcus Aldridge und Pau Gasol. Aldridge kam im Jahr 2015 aus Portland nach San Antonio. Der gebürtige Texaner nimmt die Starter-Rolle als Power Forward ein.
Als Center gesetzt ist der Spanier Pau Gasol. Der Veteran hat eine lange NBA-Karriere hinter sich. 2009 und 2010 gewann der heute 38-Jährige die Championship mit den Los Angeles Lakers.
Positiv für Pöltl: Die Karriere des Mannes aus Barcelona wird nicht mehr lange andauern. Der Vetrag von Gasol läuft noch bis 2020, möglich ist aber, dass Gasol seine Karriere vor Vertragsablauf beendet. Statistisch gesehen hat Gasol eine seiner schlechtesten Saisonen hinter sich. Seine 10,1 Punkte pro Spiel und ein Block pro Spiel sind Karriere-Tiefstwerte. Mit durchschnittlich 23,5 absolvierten Minuten pro Partie kam der Spanier in seiner gesamten Karriere nie auf weniger Spielminuten.
Nichtsdestotrotz wird das Projekt Pöltl wohl eher ein langfristiges. In Toronto war der Wiener eine wichtige Stütze von der Bank. Diese Rolle wird er auch in San Antonio einnehmen, auch wenn ihm seine starke Defensivarbeit Minuten mit den Startern bescheren könnte.
Wer hat den Trade gewonnen?
Für beide Teams birgt der Trade ein gewisses Risiko. Die Spurs geben mit Kawhi Leonard ihren Superstar ab. Allerdings fühlte sich der 27-Jährige schon länger nicht mehr wohl in San Antonio. Noch dazu nagt eine langwierige Verletzung am Small Forward. Seine Mitspieler baten ihn in einem Meeting im März mit Nachdruck darum, dass er wieder auf den Court zurückkehren möge. Ab diesem Zeitpunkt war das Tischtuch zwischen den Parteien wohl endgültig zerschnitten. Leonard absolvierte verganene Saison nur neun Spiele, sein letztes am 13. Jänner.
Außerdem bleibt abzuwarten, wie sich DeRozan und Pöltl bei den Spurs einfügen. Ein fitter und gewillter Leonard ist wohl eine Stufe über DeRozan zu stellen. Dazu kommt, dass DeRozan nicht sonderlich glücklich darüber ist, dass er getradet wurde. Der All-Star fühlt sich laut Medienberichten von den Raptors belogen, da diese ihm im Rahmen eines Treffens bestätigt hätten, dass er die Kanadier nicht verlassen müsse. Auf Instagram veröffentlichte der Ex-Raptor einen Post mit den Worten: "In diesem Spiel gibt es keine Loyalität".
Der Erstrunden-Pick, den die Spurs bekommen, ist im nächsten Jahr geschützt. Die Texaner erhalten diesen nur, wenn er ab Position 20 ist. Sollte der Pick unter Position 20 sein, dann erhalten die Spurs ein Jahr später zwei Zweitrunden-Picks.
Ein viel größeres Risiko tragen allerdings die Toronto Raptors. Leonards Vertrag läuft nach der nächsten Saison aus. Die Spatzen pfeifen von den Dächern, dass der US-Amerikaner keine Lust hat für die Raptors zu spielen, sein Verbleib über die nächste Saison hinaus ist mehr als ungewiss. Ähnlich wie DeRozan ist auch Leonard über den Trade unglücklich.
Der Neo-Raptor spielt mit dem Gedanken das Mini-Camp der Nationalmannschaft sausen zu lassen. Übungsleiter des Camps? Gregg Popovich.
Die Lieblings-Destination des 27-Jährigen wären nämlich die Los Angeles Lakers. Leonard hat viele Gründe für einen Wechsel in die Stadt der Engel. Dass der Basketballer dort geboren ist und ein gewisser LeBron James für die Lakers aufläuft sind Argumente, die Toronto nicht liefern kann. Unabhängig davon, dass ihm bei einer Vertragsverlängerung in Toronto mehr Geld winken würde, als bei einem Vertragsabschluss in Los Angeles.
Für die Raptors wäre zu hoffen, dass sich GM Ujiri mit diesem Trade nicht die Finger verbrannt hat.
Danny Green hingegen ist kein großer Risiko-Faktor: Der 31-Jährige ist ein akribischer Arbeiter, der den Raptors defensive Stabilität verleihen kann.
Vorteil Raptors, möglicherweise
Die Erfolgsaussichten der Raptors stehen in der kommenden Saison besser als die der Spurs. Nach dem Abgang von LeBron James Richtung Los Angeles ist der Osten so offen wie schon lange nicht mehr. Die Boston Celtics und die Philadelphia 76ers werden die Favoritenrolle in der Eastern Conference einnehmen, die Raptors können ihren Divisions-Rivalen aber Stirn bieten - vorausgesetzt Kawhi Leonard ist fit und motiviert. Die nächste Saison steht und fällt mit der Performance des 27-Jährigen.
San Antonio wird es heuer wohl wieder in die Playoffs schaffen. Der Weg ins Finale wird aber auch in diesem Jahr wieder von den Golden State Warriors blockiert sein. Die Konkurrenz ist jedoch auch ohne die Männer aus der Bay Area hoch. In der Western Conference werden sich in dieser Saison zehn Anwärter um acht Playoff-Plätze streiten.
Alles in allem kann Jakob Pöltl positiv in die Zukunft schauen. Er schließt sich einem Team mit großer Vergangenheit und stabiler Führung an. Sportlich hat er sich zwar nicht verbessert, langfristig kann er aber vom Tauschgeschäft profitieren.
— San Antonio Spurs (@spurs) 18. Juli 2018