Jakob Pöltl wird in seiner achten NBA-Saison auch als Gestalter gefordert sein.
Österreichs Basketball-Aushängeschild nimmt im Offensivsystem des neuen Toronto-Raptors-Trainers Darko Rajakovic eine zentrale Rolle ein. Primäres Ziel ist das Erreichen der Playoffs. Pöltl will sich aber in Geduld üben, sollte es mit dem Aufbau eines Teams mit echten Titelchancen in der nordamerikanischen Profiliga noch ein paar Jahre dauern.
Auf dem Zenit sieht sich der 28-Jährige noch nicht. "Ich komme langsam in ein Alter, in dem es Richtung Höhepunkt der Karriere geht", sagte Pöltl vor dem Saisonstart am Mittwoch (1:30 Uhr MESZ in der Nacht auf Donnerstag) gegen die Minnesota Timberwolves zu österreichischen Journalisten. "Ich habe aber auf jeden Fall noch Luft nach oben."
Pöltl wird zum "Spielmacher"
Durch die Unterschrift unter seinen mit 19,5 Mio. Dollar (18,4 Mio. Euro) jährlich dotierten Vierjahresvertrag ist der Wiener zu einem der 100 Bestverdiener der Liga aufgestiegen.
Seinen mannschaftsdienlichen, auf Defensive ausgelegten Spielstil will er deswegen nicht ändern. "Es wird Leute geben, die andere Erwartungen an mich haben", meinte Pöltl. "Ich habe mir den Vertrag aber mit einer gewissen Spielweise verdient. Ich habe vor, auch weiterhin so zu spielen."
Bei den Raptors schätzt man seine Qualitäten an der Seite von All-Star Pascal Siakam. Das System von Rajakovic sei zudem stark auf Zusammenspiel und Ballbewegung ausgerichtet.
"Das liegt mir sehr. Da kommen ein bisschen die europäischen Wurzeln auch durch", sagte Pöltl über den 44-jährigen Serben, den erst zweiten NBA-Cheftrainer der Geschichte, der außerhalb Nordamerikas geboren und aufgewachsen ist.
"Es läuft auch sehr viel über mich als Spielmacher", erklärte Pöltl. Beim amtierenden Meister Denver Nuggets gibt mit Superstar Nikola Jokic bereits ein Center den Gestalter. Bei Pöltl wird das zumindest in bestimmten Spielsituationen der Fall sein. "Das ist eine interessante Rolle, ich fühle mich gut darin. Aber natürlich ist es auch eine Challenge."
Teamchemie "ein bisschen besser"
Der Abgang von Fred VanVleet zu den Houston Rockets schmerze. Mit Dennis Schröder erhielt Pöltl einen neuen Aufbauspieler zur Seite gestellt.
"Ich verstehe mich sehr gut mit ihm - auch basketballerisch", sagte der 2,13-Meter-Mann über den deutschen Weltmeister. "Er ist ein sehr intelligenter Spieler, und auch ich kann das Spiel ganz gut lesen - also sehe ich das positiv."
Die Teamchemie bezeichnete Pöltl als "ein bisschen besser" als in der vergangenen Saison. Damals waren die Raptors im Play-in-Turnier an den Chicago Bulls gescheitert. "Das Ziel ist auf jeden Fall besser abzuschneiden als letztes Jahr", betonte der Österreicher.
Pöltl will in zwei, drei Jahren um die Meisterschaft spielen
Irgendwann will er um eine Meisterschaft spielen. Der Erfolg müsse sich aber nicht sofort einstellen.
"Ich glaube, dass wir durchaus die Zeit haben, um über die nächsten zwei, drei Saisonen eine wirklich gute Mannschaft zu bauen", sagte Pöltl.
"Mir ist es lieber, wir spielen dann wirklich in den Conference Finals oder in den Finals ganz oben mit - anstatt wir kommen jetzt in die Playoffs und reißen dort eh nichts, weil wir den kurzfristigen Erfolg gesucht haben."
"Wir haben auf jeden Fall das Potenzial"
Den Raptors-Kader lobte Pöltl als sehr talentiert.
"Viele Hauptleistungsträger sind noch verhältnismäßig jung. Die meisten sind entweder genau in der besten Phase ihrer Karriere oder kommen gerade dorthin. Wenn wir den richtigen Weg finden und bei ein paar kleinen Details den Code knacken, kann es sehr gut ausschauen. Wir haben auf jeden Fall das Potenzial."
Für eine Titelchance bedürfe es primär Zeit - und möglicherweise noch den einen oder anderen Rollenspieler. "Es muss nicht unbedingt ein Superstar sein, der da daherkommt und das Team rausreißt", meinte Pöltl. "Ich glaube an die Mannschaft so, wie wir sie jetzt haben."
Torontos Stärke sei nach wie vor die Defense. "Unsere Offense schaut aber auch schon runder aus, als es letztes Jahr war."
Pöltl von Wembanyama beeindruckt
Die Raptors haben alle ihre vier Testspiele gewonnen, Pöltl verpasste krankheitsbedingt zwei davon.
Bei seinem Ex-Klub San Antonio Spurs brillierte in der Vorbereitung das französische Wunderkind Victor Wembanyama - für viele das größte Talent seit LeBron James.
"Er scheint sich sehr schnell an das NBA-System zu gewöhnen", sagte Pöltl über den 19-Jährigen. "Wenn es weiterhin so schnell bergauf geht, kann er schon in seinem ersten Jahr sehr effektiv sein."
"In-Season-Tournament" eine interessante Innovation
Neu ist neben Wembanyama auch das "In-Season Tournament", eine Art Cupbewerb, dessen Spiele fast alle zur regulären Saison zählen.
NBA-Chef Adam Silver hat sich dabei am Fußball orientiert. Die Raptors greifen am 17. November gegen die Boston Celtics ein, das Finale steigt am 9. Dezember in Las Vegas.
Pöltl: "Das ist eine ganz interessante Sache." Möglicherweise werde die Innovation aber noch ein, zwei Jahre brauchen, bis sie zu 100 Prozent ausgereift sei.