„Dear Basketball“, so hat Kobe Bryant Ende November seinen Abschiedsbrief an den Sport, dem er sein Leben gewidmet hat, begonnen. Geschlossen hat er ihn mit den Worten „Love you always, Kobe.“ Dazwischen die Liebeserklärung eines Superstars. „Wir haben uns gegenseitig alles gegeben, was wir haben.“
Vor nicht ganz vier Jahren war Schluss. Einer der ganz Großen trat ab. Bryant hatte das Spiel nicht neu erfunden, aber er hat ihm jahrelang seinen Stempel aufgedrückt, er hat es dominiert. Er war ein Spieler, der alles konnte. In der Offense Spektakel, in der Defensive harte und solide Arbeit. Komplett nennt man solche Basketballer.
Nun ist er tot. Im Alter von nur 41 Jahren ist die Basketball-Ikone bei einem Helikopter-Absturz tödlich verunglückt. Alle Infos >>>
Das Gesicht der Lakers
20 Jahre lang hat die „Black Mamba“ das Trikot der Lakers getragen. Über 1.500 Mal ist der 37-Jährige in der NBA auf dem Parkett gestanden – immer für das Team aus Los Angeles. Nur Ex-Mavs-Star Dirk Nowitzki hat mehr Saisonen für eine Mannschaft bestritten.
Wer L.A. Lakers sagt, denkt längst nicht nur an Magic Johnson, Kareem Abdul-Jabbar, Wilt Chamberlain, Elgin Baylor und Shaquille O’Neal. Kobe war zumindest genauso das Gesicht dieser Franchise, wenn nicht sogar noch mehr als einige der vorhin genannten.
Dass es so kommen würde, konnte rund 25 Jahren freilich niemand vorhersehen. Wer kann schon eine derartige Karriere vorhersehen? Doch in der NBA, wo Teams Jahr für Jahr der Reihe nach die größten Talente auswählen, kann man zumindest die damalige Erwartungshaltung nachvollziehen.
Hinter Kittles und Fuller
Im Draft von 1996 – nebenbei gesagt neben 1984 und 2003 einer der drei stärksten der Geschichte, drei MVPs und insgesamt elf spätere All-Stars waren gemeldet – wurde Bryant als 13. Spieler gepickt. Unter anderem haben sich Teams gegen ihn und für Lorenzen Wright, Kerry Kittles, Samaki Walker, Erick Dampier, Todd Fuller und Vitaly Potapenko entschieden. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Steve Nash sogar nur als 15. gewählt wurde.
Kobes Fall war damals aber durchaus speziell. Immerhin war der Guard damals erst 17 Jahre alt, seine Eltern mussten beim ersten NBA-Vertrag mitunterschreiben. Und er kam direkt aus der Highschool, was zuvor nur vier Mal der Fall war (Reggie Harding, Darryl Dawkins, Bill Willoughby und Kevin Garnett). Ohne den Teenager davor auf ordentlichem College-Niveau beobachten zu können, stellte der Pick Kobe Bryant durchaus ein gewisses Risiko dar.
Letztendlich waren es die Charlotte Hornets, die den Jungen, der bis dahin einen beträchtlichen Teil seines Lebens in Italien, wo sein Vater professionell Basketball gespielt hatte, aus der Lower Merion Highschool holten.
Dass er für die Hornets spielen würde, stand aber nie zur Debatte. Kobe wollte immer nach Hollywood, zu den Lakers. Und die Lakers wollten ihn. Schon vor dem Draft hatte das Team aus Los Angeles mit den Hornets einen Deal ausverhandelt: Ihr bekommt Vlade Divac, wir bekommen euren Erstrunden-Pick und sagen euch kurz davor, wen ihr wählt.
Mit Brandy am Abschlussball
Es war Kobe. Der Junge, der kurz davor mit einer gewissen Brandy Norwood am Abschlussball erschienen war. Die junge Dame, angeblich immer nur platonische Freundin, hatte zu diesem Zeitpunkt schon drei Grammy-Nominierungen und Vierfach-Platin für ihr erstes R&B-Album in der Tasche. Mittlerweile kräht kein Hahn mehr nach Brandy, Kobe hingegen ist eine Ikone, eine Legende.
Doch die Eingewöhnung in die beste Basketball-Liga der Welt war für den später 18fachen All-Star nicht so einfach. Während Nummer-1-Pick Allen Iverson die Liga mit seiner roughen Art zwar spaltete, sportlich aber im Sturm eroberte und folgerichtig zum Rookie of the Year gewählt wurde, durfte Kobe im Schnitt nur etwas mehr als 15 Minuten pro Spiel ran und brachte es auf 7,6 Punkte pro Spiel.
Die andere Seite der Medaille: Bryant war zu diesem Zeitpunkt der jüngste Spieler der Geschichte, der jüngste Starter der Geschichte und der jüngste Slam-Dunk-Champion der Geschichte. Am Ende der Saison schieden die Lakers in den Playoffs gegen die Utah Jazz aus. Kobe hatte im entscheidenden Spiel vier Airballs geworfen. „Er war der Einzige, der zu dieser Zeit die Eier hatte, diese Würfe zu nehmen“, sagte Shaq nach dem Spiel.
Zwischen unschlagbar und untrainierbar
Zwei Jahre später war Kobe in der Starting Five gesetzt. Und als Phil Jackson 1999 die Lakers übernahm, war er bereit. Kobe Bryant und Shaquille O’Neal – ein Duo, das nicht zu stoppen war. Drei Mal in Folge holten die Lakers die Meisterschaft. Der „Three-peat“ war der erste große Schritt in den Basketball-Olymp.
Doch mit den Erfolgen wuchsen auch die Egos. Die Partnerschaft zwischen Kobe und Shaq wurde mehr und mehr zur offenen Rivalität, Coach Jackson bezeichnete Bryant in seinem Buch später als „untrainierbar“. In den darauffolgenden Jahren heimste der Shooting Guard zwar Rekord für Rekord ein – unter anderem das Spiel gegen die Raptors mit 81 Punkten – die Lakers enttäuschten in den Playoffs aber regelmäßig.
Überhaupt war das Image des Superstars angekratzt. Nicht zuletzt ein Vergewaltigungsvorwurf, der später zurückgezogen wurde, warf Schatten auf Kobes Karriere. Doch die schwarze Mamba schlängelte sich zurück an die Spitze. 2009 und 2010 gewannen die Lakers unter Kobes Führung zwei weitere Meisterschaften, beide Male war er der Finals MVP. 2008 hatte er seinen ersten und einzigen MVP-Titel feiern dürfen.
Es war nicht mehr seine Liga
Es folgten weitere persönliche Rekorde. Doch der Zahn der Zeit nagte in den vergangenen Jahren merklich an Kobe. Sein Körper schien gegen die jahrelangen Strapazen regelrecht zu rebellieren. Ein gerissene Achillessehne, ein gebrochener Schienbeinkopf, eine schwere Schulterverletzung – ab 2013 war mehr Reha als Basketball angesagt.
Wenngleich Bryant in seiner letzten Saison weit davon entfernt war, nur noch als lebendes Maskottchen auf dem Parkett zu stehen, sondern mit der einen oder anderen Vorstellung durchaus Ausrufezeichen setzen konnte, war es nicht mehr seine Liga, die er 2016 verließ.
Das Spiel hatte sich verändert. Die Zeit der Isolation Plays war vorbei. Steph Curry und seine wahnwitzige Dreier-Gang dominierten die Liga. Mit Kobe Bryant ging einer der Allerletzten einer goldenen NBA-Ära. Und wahrscheinlich auch ihr bester.
Nun ist der zweifache Olympiasieger aus dem Leben gerissen worden. Viel zu früh. Nicht einmal seine logische Berufung in die Hall of Fame durfte er erleben.