Football auf der Größe eines Eishockeyfeldes, begrenzt durch Banden und auf die ultimative Show getrimmt – wenn am Samstag die erste Arena Bowl in der Albert-Schultz-Halle steigt, wird ein beliebtes Konzept aus Übersee nach Wien getragen.
Die besten Spieler der Austrian Football League werden im Fight Acht gegen Acht für jede Menge Unterhaltung sorgen und ein neues Gesicht des Sports zeigen. Mit dabei ist auch Aleksandar Milanovic, der nach fünf Jahren USA wieder in Österreich spielt.
Der Traum von der NFL ist für den 2,03-Meter-Hünen vorerst ad acta gelegt. Nach seiner College-Zeit wurde der Wiener nicht gedraftet und zu keinem Team eingeladen.
Ein neuer Karriereweg musste gesucht werden. Der Wechsel nach Australien zerschlug sich, denn der Start dieser Liga wird noch ein Jahr auf sich warten lassen. So wird man den Offensive Tackle nächste Saison wieder im Trikot seines Stammvereins, den Vienna Vikings, sehen.
Mit LAOLA1 hat sich der bald 25-Jährige vor der Arena Bowl über sein neues Engagement, seine Zeit in den Staaten und die NFL-Aussichten europäischer Spieler allgemein unterhalten.
LAOLA1: Nach Ende deiner College-Zeit war eigentlich der Wechsel in die neue australische Semi-Profiliga die erste Option. Warum die Rückkehr zu den Vienna Vikings?
Aleksandar Milanovic: Ich bin im Frühsommer aus den USA zurückgekommen und wurde schon gefragt, ob ich in den AFL-Playoffs mitmachen würde. Da stand aber die Vorbereitung auf Australien auf dem Plan. Mitten in dieser Vorbereitung ist die Nachricht gekommen, dass aus der Liga nichts wird. Von allen beteiligten Gruppen war die australische Regierung letztlich die unprofessionellste. Die hat die notwendigen Kapazitäten nicht verstanden, die es braucht, um über 500 Arbeitsvisen zu beschaffen. Sie wollten das binnen zwei Wochen nachholen, aber es war zu spät. Wir hätten die Saison verschieben müssen, aber die großen Fußballstadien waren schon angemietet. Das Projekt ist nur eingefroren, nicht eingestampft. Im Februar beginnt die Rekrutierungsphase auf ein Neues.
LAOLA1: Dann hat es einfach eine Alternative gebraucht.
Milanovic: Chris Calaycay (Vikings-Coach, Anm.) hat mich binnen zwölf Stunden angerufen. Dann hatte ich die Wahl: Will ich gleich zum Bundesheer gehen oder versuchen, in das Heeressportprogramm zu kommen? Ich habe mich informiert und beworben. Ich bin optimistisch, und wenn alles gut geht, komme ich im Jänner ins Programm. Dann beginnt bis Juli die nächste Phase, wo ich mich auf nichts anderes konzentrieren muss, als meine zwei Trainings am Tag und die Vikings.
LAOLA1: Aber es war eigentlich der Plan B?
Milanovic: Naja, man adaptiert. Ich habe mir gedacht, ich gehe mal zum Bundesheer, weil ich nicht untauglich sein will. Aber Zivildienst interessiert mich nicht, in Sachen Karriere sieht es besser aus, wenn man gedient hat. Als Heeressportler hätte ich die Möglichkeit, einen Gamefilm mit den Vikings aufzubauen und mich aufzutrainieren, weil man super gefüttert wird. Drei super Buffets am Tag sind genau das, was ich brauche. Mit Training geht man dann auf.
LAOLA1: Und deine Pläne mit dem Team?
Milanovic: Die Vikings haben sich in den letzten Jahren immer neu erfunden. Wir haben uns mal hingesetzt und gesagt: Erfinden wir uns einmal "alt". Es geht nur um Siege. Es ist egal, ob wir weniger Ressourcen oder Sponsoren als früher haben. Mach das Beste aus dem, was du hast. Es muss eine gewisse Mentalität reingebracht werden. Schlussendlich sind die Amis tougher und trainieren härter. In diesem Militärdrill kannst du keine Schwäche zeigen. Alles kommt durch Disziplin und harte Arbeit. Diese Mentalität haben wir jetzt im Verein.
LAOLA1: Du willst also eine Art Vorbild dafür sein?
Milanovic: Ja, und wenn jemand aufmuckt, will ich schauen, ob etwas dahinter ist und er Eier in der Hose hat. Aber wenn nur heiße Luft rauskommt, werde ich ihn zurechtweisen. Wenn du den Plan, die Philosophie unserer Trainer nicht mitmachen willst – du weißt, wo die Türe ist. Das ist dieser neue frische Wind, auch die Trainer haben neue Ideen. Ich freue mich wirklich drauf. Das Allerwichtigste wird sein, mir den Spaß am Football wieder beizubringen. Den habe ich in den USA verloren. Dieser Drill ist letztlich auch Psychoterror. Es hat mich abgehärtet und zu der Persönlichkeit gemacht, die ich jetzt bin, aber es nimmt dir auch den Spaß. Daher freue ich mich, dass jetzt kein Stipendium mehr dahintersteht, keine Uni, keine Noten, kein Leistungsdruck. Sondern einfach nur Gaudi.
LAOLA1: Das Thema USA ist somit für dich abgeschlossen?
Milanovic: Ja, ich war fünf Jahre am College und habe meinen Bachelor in Politikwissenschaften gemacht. Eine Indoor-Liga hat mich angeschrieben, aber für das bisschen Cash wollte ich nicht wieder rüber. Außerdem habe ich Verpflichtungen als österreichischer Staatsbürger. Fahnenflüchtig will ich nicht sein. Aus der NFL hat sich einfach niemand gemeldet. Aber der Zug ist nicht abgefahren, ich muss mich nur körperlich auf der Höhe halten.
LAOLA1: Und natürlich ist auch Australien nicht vom Tisch.
Milanovic: Wer weiß, was noch passiert. Auch aus der Canadian Football League hat sich ein Scout gemeldet, ebenso wie Teams aus Deutschland und dem restlichen Europa. Aber da habe ich gemeint, wenn ich ins Heeressportprogramm komme, mache ich das nur in meiner Heimatstadt Wien. Back to the Roots, wo alles angefangen hat.
LAOLA1: Du hast erst im letzten Jahr das College gewechselt, von Sacramento State zu Adam State. Wie fällt dein Resümee über diese Entscheidung aus?
Milanovic: Es war nicht der richtige Schritt. Ich habe viel auf der linken Seite gespielt, war dadurch nicht erfüllt, weil mir die Chance gefehlt hat, zu zeigen, wie viel besser ich rechts sein kann. Obwohl eigentlich der Plan war, mein Talent auf beiden Seiten zu beweisen. Aber die Umstellung war schwer, es ist eine Automatisierung der Muskeln auf die andere Schrittfolge dabei. Es war frustrierend, wenn mich ein Spieler, der nicht so talentiert ist, in meiner eigenen Schlamperei schlägt.
LAOLA1: Überhaupt waren die fünf Jahre am College…?
Milanovic: Fünf Jahre meines Lebens, die mich als Persönlichkeit geprägt haben. Englisch ist nun meine beste Sprache, ich habe Essays geschrieben, da kommt die Perfektion. Und ich habe die Street Language gelernt, die man als Europäer sonst gar nicht mitbekommt. Ich kenne jetzt die ganze Kultur und Lebensweise – positiv wie negativ. Aber wenn es nicht für einen enormen Profivertrag wäre, würde ich nie mehr in die USA ziehen. Ich will in diesem Land nicht freiwillig leben und damit nichts zu tun haben.
LAOLA1: Harte Worte, was hat dich so gestört?
Milanovic: Da könnte ich jetzt loslegen… Erstens: Die soziale Unruhe. Hier in Österreich herrscht ein Friede wie sonst nirgends. Zweitens: Die Kluft zwischen Arm und Reich, die uns durch Filme und Serien nicht gezeigt wird – nur ein Amerika, das gar nicht existiert. Ich habe im Jahr 2015 Armut gesehen, wie ich sie in Bosnien 1996 nach dem Krieg nicht gesehen habe. Drittens: Viele US-Amerikaner haben ihren Heimatstaat noch nie verlassen, noch nicht einmal die ganze USA gesehen. Teilweise herrscht eine solche Ignoranz. Irgendwann habe ich für mich beschlossen, dass Religion und Politik zwei Themen sind, die man am Esstisch nicht anbringen wird.
LAOLA1: Du hast scheinbar viele negative Erfahrungen gesammelt.
Milanovic: Ich habe mich in meiner Wohnung nur wohlgefühlt, weil ich gewusst habe, dass meine beiden Mitbewohner Waffen unter ihren Betten haben. Auf einer Party wurde ein Mädchen angeschossen und ist halb verblutet. Ich habe mich mit dem CSI Sacramento zusammensetzen und erklären müssen. Und es gab noch mehr, vielleicht schreibe ich mal ein Buch. Die Lebensqualität in den USA ist super, wenn man reich ist. Dann kann man sich von dem ganzen Blödsinn abspalten, sich nur mit reichen Leuten abgeben, und reiche Leute sind untereinander sehr nett, sie müssen ja nichts neidisch sein. Aber sonst? Vergiss es. Du kannst dort nicht leben. Und: Ich habe noch nie eine rassistischere Gesellschaft gesehen. Ich habe Gott dafür gedankt, groß und weiß zu sein. Es macht alles um so vieles leichter. Manchmal widert es dich an. Ein hart arbeitender Mensch mit toller Lebenseinstellung und Charakter, aber er hat keine Chance, weil er Gonzalez heißt.
LAOLA1: Was ist deine Meinung zur Agenda Colin Kaepernick?
Milanovic: Er hat bewiesen, was falsch in diesem Land läuft. Viele sagen, das hat in der NFL nichts verloren, und das mag auch stimmen. Sogar ich wurde gewarnt, keine politischen Postings auf Facebook zu machen, und darauf aufzupassen, was ich sage. Ich würde die sportliche Bühne nie dafür verwenden, meine politischen oder religiösen Ansichten durchzusetzen. Das hat sich der Sport nicht verdient. Aber wenn ich mir ansehe, was in diesem Land abgeht… Ich habe großen Respekt, denn er hat seine Karriere riskiert. Die NFL verzeiht nicht. Es ist ein Weg, diese Message rauszubringen, aber ich würde diesen nicht gehen. Wir werden erst Jahre später sehen, ob man für sowas als Held gefeiert wird. Ich finde es nicht gut und nicht schlecht.
LAOLA1: Auch aus sportlicher Sicht sind die USA für Europäer eine andere Welt.
Milanovic: Ich habe gleich gesehen, dass jeder dort schneller, stärker und explosiver als ich ist. Ich musste den europäischen Ruf verteidigen und beweisen, dass ich kein Softie bin. Da verdanke ich meinem ersten Coach Conor Riley aus North Dakota State sehr viel. Eine toughe Sau, ein echter Nebraska Cowboy, der mich in meinem ersten Jahr abgehärtet hat. Ich fürchte mich im Leben vor keiner Herausforderung mehr. Ich nehme alles als Motivation. Gib mir die Aufgabe, und ich werde sie lösen. Das ist meine Einstellung. Obwohl dieser ganze Psychoterror schlimm ist, macht er dich zu dem, was du bist. Es ist ein tougher Sport für toughe Männer. Du kannst ihn nicht halbherzig machen.
LAOLA1: Würdest du sagen, dass es für Europäer realistische Chancen gibt, ein Star in der NFL zu werden?
Milanovic: Wenn, dann überhaupt nur als Liner. Alles, was wir in Europa haben, sind Liner. In den USA habe ich genetische Freaks gesehen, wie noch nie zuvor: 1,80 Meter groß, Schuhgröße 50, riesige Hände, macht die 280-Kilogramm-Kniebeuge mühelos und hat in seinem Leben noch keinen Protein-Shake gesehen. Dort gibt es einen genetischen Pool, den wir in Europa nicht haben. Wir sind über Generationen Genussmenschen, immer das Bier nach dem bisschen Fußball spielen. Dort ist der Sport oft der einzige Ausweg, und sie pushen sich. Als Offensive-Liner musst du nur deppert genug sein und dir am Feld nichts gefallen lassen. Es ist wie ein Straßenkampf. Du gehst nicht hin, um Spaß zu haben – der Andere ist da, um dir auf die Goschen zu hauen, und du lässt dir das sicher nicht gefallen. Die Mentalität ist dort eine andere. Es ist wie ein Krieg am Feld, die Hierarchie einer Mannschaft ist wie eine Diktatur, der Head Coach ein Diktator. Auch wenn er nicht recht hat, das ist nicht dein Problem. Hierzulande ist so viel Kritik dabei. Aber der Spieler ist kein Coach. Du hast eine Rolle, verstehe sie und mach das Bestmögliche, um dem Team zu helfen. Um die Frage zu beantworten: Die NFL-Chance für einen Europäer ist da. Es ist ein harter Weg, du bist weit weg von der Familie und auf dich selbst gestellt. Trotzdem kann es sein, dass du am College kaum spielst. Ich war vier Jahre Starter und hatte dabei sehr viel Glück.
Das Interview führte Johannes Bauer