Das lange Warten der österreichischen Football-Fans wird in Kürze ein Ende haben.
Bernhard Raimann wird als erster Österreicher über den Draft Einzug in die NFL halten, daran herrscht kein Zweifel. Ein Meilenstein für den heimischen Football, der auch in den USA keine komplette Randnotiz bleiben wird.
Weniger wegen der Herkunft des Wieners, der im Kindesalter nach der Trennung seiner Eltern mit der Mutter ins Burgenland abwanderte, aber weiterhin in die Hauptstadt pendelte, um bei den Vienna Vikings die ersten Schritte zu machen. Die ersten von vielen, die ihn nun auf die größtmögliche Bühne bringen.
Als eines der besten Talente auf der Quarterback-Beschützerposition des Offensive Tackles ist der 24-Jährige in den Mock Drafts fast durchgehend als Erstrunder eingeschätzt. Also als eine der 32 hoffnungsvollsten NFL-Zukunftsaktien dieses Jahrgangs überhaupt.
Damit würde Raimann sein Team schon in der Nacht auf Freitag (erste Runde ab 2:00 Uhr) kennen. Jene Franchise, die mit einem Schlag einen Haufen rot-weiß-roter Fans dazugewinnen wird.
Ein Meilenstein auch ohne Schlagzeilen
Mit der heimischen Popularität der NFL im Rücken trägt Raimann viele Erwartungen auf ebendiesem. Zwar gab es schon österreichische Spieler, das aber ausschließlich auf der Kicker-Position und in grauer Urzeit, als in Europa noch keinerlei Notiz vom Sport genommen wurde.
Mit Sandro Platzgummer und Bernhard Seikovits kratzte ein Duo in den letzten Jahren über das International Pathway Program an der NFL und arbeitet bei den New York Giants und Arizona Cardinals weiter auf die Chance hin.
Raimann bewegt sich aber in einer anderen Sphäre. Als früher Draftpick ist die Chance da, vom ersten Spieltag an eine tragende Rolle bei seinem Team zu spielen.
Da wird es auch egal sein, dass er sich "nur" in der Offensive Line bewegt, die normalerweise nicht die große Aufmerksamkeit genießt. Zumindest nicht beim nur gelegentlich an Football interessiertem Publikum.
"Die ganze Offense beginnt an der O-Line. Leute, die an Football interessiert sind, wissen, wie wichtig sie ist. Auch wenn ich nicht in jeder Schlagzeile stehen werde, glaube ich, dass ich den Sport in Österreich voranbringen kann", ist sich Raimann auf Nachfrage von LAOLA1 sicher.
Ein größerer Traum erwacht
"Am Anfang testet man seine Grenzen aus. Manchmal übergibt man sich, das ist Teil des Jobs. Von Woche zu Woche musste ich ausprobieren, wie viel ich meinen eigenen Körper pushen kann."
Dass er so groß auf dem Radar aufscheint, ist auch dem Weg zu verdanken, den der Wahl-Burgenländer einschlug. Den "klassischen" - über die High School und das College.
Ein Weg, über den alle Football-Türen offen stehen. Die Möglichkeit, ihn zu gehen, haben nur wenige Österreicher.
Es gab ein Schlüsselerlebnis. Als Gymnasiast bekam Raimann die Chance, im Rahmen eines Schüleraustauschs auf die High School zu gehen. Da packte ihn ein größerer Traum.
"Die NFL schien bis dahin nie greifbar. Ich wollte nur eine coole Erfahrung sammeln und dann zurückkommen. Aber wir sind zu College-Spielen gegangen und dann habe ich realisiert, dass das alles noch viel cooler wäre, als 'nur' auf einer High School", erinnert er sich zurück.
Essen, Essen, Essen
Die Tür ging auf. Allerdings sahen die "Amis" etwas anderes in Raimann, als er selbst.
Noch in den ersten beiden Uni-Jahren bekleidete der Zwei-Meter-Koloss eine andere Position: Jene des Tight Ends. Da sah er zwar Bälle, aber in der Block-Arbeit dürfte der Österreicher mehr überzeugt haben.
Die Folge: Eine Positions-Umstellung auf Left Tackle. Die goldrichtige Entscheidung, wie sein Draft-Status beweist.
Das war für Raimann aber mit Arbeit verbunden. Seine 110 Kilo waren für diese Position einfach zu schmächtig. Rund 20-25 Kilo kamen in den letzten zwei Jahren an Körpergewicht hinzu.
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Mit Genuss hatte das Essen dann nicht immer was zu tun, obwohl die Diät auch gesünder wurde.
"Es kommt auf deine Willenskraft an. Du musst dein Essen durchstrukturieren und alle drei Stunden zumindest einen kleinen Snack zu dir nehmen, die Portionen auch vergrößern. Das fängt mit Kleinigkeiten an: Größere Teller und Gabeln zu verwenden, mehr Protein-Shakes zu trinken", erklärt Raimann.
Dem Körper ist das nicht immer recht gewesen: "Am Anfang testet man seine Grenzen aus. Manchmal übergibt man sich, das ist Teil des Jobs. Von Woche zu Woche musste ich ausprobieren, wie viel ich meinen eigenen Körper pushen kann."
Österreichs Grundlagen-Ausbildung wichtig
Und Raimann genießt seine neue Rolle: "Einen Defensive End zum Verzweifeln zu bringen, weil er nicht um dich herum kommt, ist etwas sehr cooles". Auch "Pancakes" werden gern verteilt. Blocks, bei denen der Gegenspieler letztlich am Hosenboden landet: "Eines der schönsten Dinge, die man als O-Liner machen kann!"
Football sei für Österreichs NFL-Hoffnung auch ein Ventil für Stress und Frustrationen. Ein "Outlet", um in der Freizeit jene Entspanntheit an den Tag legen zu können, die aus den Interviews bekannt ist.
Welche Position er bekleidet, spielt für Raimann daher nur eine untergeordnete Rolle. Auf höchster Ebene ein unwahrscheinliches Szenario: Aber bei einer entsprechenden Anfrage würde er wieder seine Rolle wechseln.
Dass dies auf österreichischer Amateur-Ebene nötig ist und zu einer breiten Grundausbildung führt, habe Raimann ein Fundament gelegt und enorm weitergeholfen: "Das hat mich als Athlet weiterentwickelt."
Vielleicht ein Mitgrund, warum immer mehr Österreicher auf verschiedenen Wegen zumindest an der NFL anklopfen. Raimann hofft, dass sein Weg über High School und College in Zukunft noch mehr Landsmännern offen steht.
Draft-Vorhersage schwierig
Doch bei welchem Team landet der Burgenländer jetzt eigentlich?
"Das langfristige Ziel wäre, so viele Super-Bowl-Ringe wie möglich zu sammeln und ein All-Pro-Tackle zu werden."
Voraussagen sind schwer. Die erste Runde ist vom Niveau ausgeglichen wie selten, schon vor Raimann - der sich bei den Mock Drafts in der Regel zwischen den Positionen 20 bis 32 finden lässt - wird es einige Überraschungen geben. Was den weiteren Verlauf bis zu seinen realistischen Pick-Positionen unvorhersehbar macht.
Das drückt sich auch in den vielen Mock-Varianten aus, die sich zu Raimann finden lassen. Die er versucht, bestmöglich auszublenden.
"Es ist auf allen Networks (Fernsehsendern, Anm.) und kommt immer wieder auf. Es gibt jeden Tag hunderte verschiedene. Allerdings lese ich es dann trotzdem durch, man sieht es ja trotzdem", ist die Sache mit dem Entzug nicht so leicht.
Ihm selbst sei es eigentlich egal, wo es hingeht. Kontakt gab es in den stressigen Wochen vor dem Draft aber mit allen Teams (Raimann berichtete>>>).
"Ich hatte mit ein paar Teams bessere Interviews als mit anderen. Manche haben mir auch gesagt, dass sie dieses Jahr gar keinen O-Liner draften werden. Da muss ich immer schmunzeln, wenn ich bei einem Mock Draft dann dort lande."
Super-Bowl-Ringe - in der Mehrzahl
Ob er bei einem "Contender" oder einem Team im Neuaufbau lande, spiele für seine Situation als Rookie auch keine Rolle. "Beweisen muss ich mich trotzdem noch. Vielleicht habe ich mit einem Team, das nicht so gut abgeschnitten hat, noch ein bisschen Extra-Motivation, dieses Jahr besser zu werden."
Wird es wie prognostiziert eine Position spät in der ersten Runde, wäre eine bessere Franchise als Station die Folge. Etwa die Cincinnati Bengals, die die LAOLA1-User in ihrem Mock Draft als Destination für Raimann auserkoren haben (HIER nachlesen>>>). Dort gäbe es auch eine persönliche Vergangenheit mit dem O-Line-Coach, der zu Raimanns Anfängen am College von Central Michigan dort coachte.
Das Ziel ist vielmehr langfristig angelegt. Und äußerst ehrgeizig. Über Super-Bowl-Ringe wird schon in der Mehrzahl gesprochen.
"Eine Football-Karriere ist schwer vorauszusagen, aber das langfristige Ziel wäre, so viele Super-Bowl-Ringe wie möglich zu sammeln und ein All-Pro-Tackle zu werden!"
Wo diese Mission startet, ist in Kürze klar. Dann wird Raimann schon etwas geschafft haben, was vor ihm keinem Österreicher gelang. Alles weitere wird Draufgabe sein.