Tom Brady im Trikot der Tampa Bay Buccaneers: Was zuletzt noch surreal schien, wird in den nächsten zwei NFL-Saisonen Realität sein.
Der "GOAT" entschied sich - wahrscheinlich schon zum Ausklang seiner Karriere - zum ersten Mal nach 20 Jahren bei den New England Patriots für ein neues Abenteuer und hat es in Florida gefunden.
Bei einer notorisch erfolglosen Franchise, die aber speziell in Sachen Offensive interessanten Nährboden für den 42-Jährigen bietet.
Kann Brady hier seinen siebten Super-Bowl-Titel erringen? Wie sehen die Voraussetzungen aus? LAOLA1 hat zusammengetragen, was es über die Buccaneers zu wissen gibt - insbesondere die Stärken und Schwächen:
Das sind die Tampa Bay Buccaneers
Die Tampa Bay Buccaneers sind nicht gerade ein Team, bei dem der Erfolg beheimatet ist: Zwar holten sie 2002 mit einem 48:21-Erfolg über die Oakland Raiders in Super Bowl XXXVII eine Vince-Lombardi-Trophy nach West-Florida, die Playoff-Teilnahmen in der 44-jährigen Franchise-Geschichte lassen sich aber mit zehn genau an zwei Händen abzählen. Zwölf Jahre ohne Postseason markieren auch die zweitlängste aktuelle Durststrecke hinter den Cleveland Browns, die fünf Jahre länger warten müssen. Seit 2010 wurde nur eine Saison (2016, 9-7) mit einem positiven Record abgeschlossen.
Beheimatet sind die "Bucs" in der NFC South, gemeinsam mit den New Orleans Saints, Atlanta Falcons und Carolina Panthers - allesamt Teams, die seit der letzten Playoff-Teilnahme Tampa Bays schon in der Super Bowl standen. Die Saison 2019 beendeten die Buccaneers mit sieben Siegen und neun Niederlagen auf Rang drei der Division.
Gecoacht wird Tampa Bay seit letzter Saison von Bruce Arians, selbst am College Quarterback und als Assistant Coach 2005 sowie 2008 mit den Pittsburgh Steelers zweifacher Super-Bowl-Sieger. 2012 machte er sich bei den Indianapolis Colts zum ersten Interims-Trainer, der zum "Coach of the Year" gewählt wurde, ehe er von 2013 bis 2017 seinen ersten "richtigen" Posten bei den Arizona Cardinals annahm.
Das Team ist übrigens in Besitz der Glazer-Familie - der auch Manchester United gehört. Und Brady hat sich einen interessanten Zeitpunkt zur Ankunft ausgesucht: Die nächste Super Bowl steigt im Raymond-James-Stadium der "Bucs". Noch nie bestritt ein Team eine Super Bowl im eigenen Stadion...
Die Stärken der Buccaneers
Stärken und Schwächen des Teams sind natürlich unter Vorbehalt zu betrachten: Die Free Agency der NFL hat erst begonnen, auch der Draft steht noch bevor. Die Buccaneers verfügten vor der Verpflichtung von Tom Brady über den dritthöchsten freien Cap Space, haben also finanziellen Spielraum. Das Gesicht der Mannschaft kann und wird sich noch ändern - besonders im Hinblick auf Bradys Bedürfnisse.
Statistisch betrachtet führten die "Bucs" kurioserweise eine Tabelle sogar an, die durch Brady stärker werden sollen soll: Jene der Passing-Yards. In Tampa Bays Pass-Offensive war 2019 "Hollywood" angesagt: 302,8 Yards pro Spiel ließen keine Wünsche offen. Mit 630 Attempts (Nr. 4 der NFL) stützen sie sich auch sehr auf das Spiel in der Luft. Mit 5.109 Yards führte Bradys Vorgänger, Jameis Winston, die Liga sogar an, 30 Touchdowns machen ihn in diesem Ranking zur Nummer zwei.
Das hat auch einen Grund: Mit Chris Godwin (NFL-Nr. 3 in Sachen Yards und Touchdowns) und Mike Evans haben die "Bucs" gleich zwei der gefährlichsten Wide Receiver in ihren Reihen.
Defensiv gut präsentierten sich die Buccaneers gegen den Lauf: Auch hier führten sie die NFL in einem Aspekt an, weniger als die 1.181 Yards Rushing des Gegners konnte kein anderes Team bewerkstelligen. Auch die 47 Sacks - siebtbester Wert der Liga - sind ein Indiz dafür, dass die "erste Reihe" der Defensive aus Line und Linebackern brauchbar aufgestellt war bzw. ist. Auf Shaq Barrett wurde sogar der Franchise Tag angewendet, um diese Stärke zu halten. Das Problem: In diesem Bereich gibt es mit Carl Nassib auch einen schmerzhaften Abgang, Ndamukong Suh könnte noch folgen.
Die Schwächen der Buccaneers
So gut sich Jameis Winstons Produktion in Sachen Yards und Touchdowns liest: Jene der Interceptions war ebenfalls einsame Liga-Spitze. Gleich 30 Mal warf der 26-Jährige den Ball zum Gegner, dem zweitschlechtesten Quarterback in dieser Statistik (Baker Mayfield/Cleveland Browns) passierte dies nur 21 Mal. Das schmälert die guten Zahlen der Passing-Offense.
Ein Mitgrund dafür: Winston fand sich oft unter hohem Druck. 47 Sacks musste er einstecken, nur drei andere Quarterbacks um je einen mehr. Die Offensive Line der Buccaneers muss dringend aufgefrischt werden, aber viele Teams brauchen hier Verstärkung. Wie geht Brady mit diesem Problem um, sollte er vor ähnlichen Schwierigkeiten wie Winston stehen? In New England war der Routinier stets gut geschützt, und Winston ist prinzipiell schneller zu Fuß.
Das Laufspiel fand sich mit 1.521 Yards (3,7 im Schnitt) nur im hinteren Drittel der NFL, Leader Ronald Jones schaffte es nicht in die Top-30 der Running Backs. Peyton Barber, Nummer zwei im Roster, wurde schon ziehen gelassen. Hier braucht es eindeutig Verstärkung.
Defensiv lässt sich festhalten: So gut es gegen den Rush funktioniert, so schlecht läuft es in der Secondary: Gegen den Pass markierten 4.322 Yards den drittschlechtesten Wert. So resultierten auch durchschnittlich 28,1 Punkte des Gegners aus dieser Kategorie.
Darum wollten die Buccaneers Brady
Brady soll vor allem eines: Weniger Fehler als Winston und damit die Pass-Offensive endgültig zur ultimativen Waffe der Buccaneers machen. Bruce Arians setzt auf einen sehr aggressiven Ansatz, hier braucht es einen erfahrenen und präzisen Spielmacher.
Nach fünf Jahren der insgesamt gescheiterten Philosophie mit einem jungen, mobilen Quarterback probieren die Bucs damit eine Kurs-Änderung. Mit Bradys Verpflichtung liegt der Fokus zuerst darauf, die bisherigen Stärken zu perfektionieren.
Die Überzeugung, dass der 42-Jährige ein Puzzle-Teil ist, der Tampa Bay gleich zum Titel-Anwärter macht, dürfte vorhanden sein: Bei der Verkündung seiner Unterschrift war gleich vom Angriff auf mehrere Super-Bowl-Siege die Rede.
Auch abseits des Feldes wird Bradys Erfahrung von 20 Jahren der Zusammenarbeit mit Bill Belichick und der Organisation der New England Patriots genug Erfahrungswerte liefern, um die "Bucs" auf das nächste Level zu hieven. Die bis zu 29,5 Millionen US-Dollar Jahresgehalt - 25 davon garantiert - sind angesichts des Raums im Cap Space gut investiert. Verstärkungen auf anderen Positionen wird Brady aber nicht obsolet machen.
Darum wollte Brady zu den Buccaneers
Mit Chris Godwin und Mike Evans findet Brady zwei WR-Waffen vor, mit denen er seine Qualitäten ausspielen kann. Sollten Running Backs und Offensive Line noch aufgewertet werden, sitzt der 42-Jährige auf einmal in einer der heißesten Offenses der Liga.
Brady forderte den Berichten zufolge hohe Befugnisse, in der Kader-Zusammenstellung und dem Playcalling ein Wörtchen mitzureden. Gut möglich, dass die zuletzt so erfolglose Franchise weite Zugeständnisse gemacht hat - abseits der finanziellen Forderungen, die ebenfalls annähernd erfüllt wurden. Im Gegensatz zu den Patriots müssen die "Bucs" für weitere Nachbesserungen am Kader auch keine finanziellen Kompromisse eingehen.
So findet der Routinier in Tampa Bay einerseits gute Voraussetzungen vor, um schnell einen Unterschied zu machen, und sich andererseits bei einem bisherigen Nachzügler zum Ausklang seiner Karriere noch einmal deutlich zu profilieren. Ob es mit den Buccaneers wirklich zu einem siebten Titel reicht, bleibt anzuzweifeln - dürfte für Brady allerdings nicht unbedingt notwendig sein, um den Status seiner Einzelperson für ein Team zum Abschied zu unterstreichen.