Sandro Platzgummer geht bei den New York Giants in sein zweites Jahr und hofft auf erste NFL-Einsätze, Bernhard Seikovits hat heuer den Sprung über das International Pathway Program zu den Arizona Cardinals geschafft.
Es ist aber sogar ein Trio, das auf die beste Football-Liga der Welt hoffen darf. Und Thomas Schaffer hat einen anderen Weg bestritten, ehe er seinen Vertrag bei den Chicago Bears unterschreiben durfte.
Nach Jahren am Spitzen-College Stanford hoffte der 24-Jährige vergeblich darauf, als erster Österreicher gedraftet zu werden. Doch die Bears waren überzeugt genug, den Defensive End als "Undrafted Free Agent" zu signen.
Und der Wiener, der mit seinem Akzent und seiner Herkunft so manche Erinnerung an den "Terminator" bei US-Amerikanern weckt, ist von mehreren Dingen überzeugt: Er wird es ins Team schaffen.
Denn Chicago ist nicht nur eine zweite Heimat, sondern die Bears auch noch ein "perfect fit" für den 2,02 Meter großen, 136 Kilo schweren Koloss. In Lake Forest, einer Kleinstadt nördlich von Chicago, hat der frühere Nachwuchsspieler der Rangers Mödling nach seinem Wechsel in die USA von 2013 bis 2016 die Highschool besucht.
Tom Schaffer spricht nach seinem NFL-Vertrag über...
...die Abläufe am Draft Day
Ich habe den Anruf der Bears schon in der sechsten Draft-Runde (von sieben, Anm.) bekommen. Daher habe ich gewusst, dass sie mich nehmen werden, bevor der Draft vorbei war. Sie rufen den Agenten an, der redet natürlich mit mir. Du bekommst etwa die Infos über das Gehalt. Mein Bruder hat die Nachricht schon in den Familiengruppen-Chat gestellt, bevor ich überhaupt was sagen konnte. Eine Freundin aus der Mittelschule hat mir geschrieben: Gratuliere den Bears! Mir wurde gesagt, ich darf das noch niemandem erzählen, dann war es schon im Internet.
...(fehlenden) Ärger, nicht gedraftet worden zu sein
In der sechsten, siebten Draft-Runde ist das Gehalt schon relativ wurscht. Das richtige Geld verdient man im zweiten Vertrag. Es ist, was es ist. Ich bin einfach nur froh, es geschafft zu haben. Es ist besser so, als gedraftet zu werden, um ein "Buddy" im Camp zu sein, der doch keine Chance auf das Team hat. Bei den Bears war ich erste Wahl, ihr Lieblingsspieler für die Position Defensive End. Es ist schön zu sagen, man ist gedraftet worden. Aber spät gedraftet oder gar nicht, das ist für mich egal.
...die Gefühlswelt
Während des Drafts geht sehr viel im Kopf vor, vor allem Nervosität. Was ist, wenn ich nichts bekomme, was ist mein nächster Schritt? All die Jahre, die Ups and Downs sind da, die ganze Arbeit, die ich reingesteckt habe. Dann ist der Anruf gekommen. Die Euphorie war da - aber jetzt ist wieder im Kopf, wie wenig Zeit ich habe, um mich komplett vorzubereiten. Etwas weniger als drei Monate, um in der besten Form meines Lebens zu sein. Und ich bin keiner, der das Team schaffen, sondern starten will. Was sind die nächsten Steps, wie kann ich besser werden? Es ist ein sehr fliehender Moment. Wann ich mich das erste Mal komplett freuen werde: Wenn ich den Anruf bekomme, dass ich im Team bin. Bis dahin heißt es für mich: Kopf runter und arbeiten. Ich fühle, dass ich gegen die Konkurrenz, gegen die ich gespielt habe, am besten vorbereitet bin. Ich habe gegen First Rounder gespielt und mich gut gegen sie angestellt. Ich freue mich schon, das auf’s Tape zu bringen – und dass sich alle fragen: Wie haben wir den im Draft übersehen?
(Text wird unterhalb fortgesetzt)
...die Zeit vor dem Draft
Ich hatte viel Kontakt mit Teams. Aber die meisten wissen schon alles über dich. Anscheinend wurde ich schon seit dem Freshman-Year beobachtet, obwohl man sich immer denkt: Die sind nicht für mich da. Es wird alles über jeden Spieler aufgeschrieben, der nach irgendetwas aussieht. Die Interviews drehen sich nur mehr um Charakterfragen, weil sie sonst schon alles wissen. Aber die Zeiten der komischen Fragen sind vorbei, es gibt Regeln. Sie können etwa nur fragen nach meiner Freundin stellen, sobald ich selbst gesagt habe, dass ich eine habe. Das ist gut für den Spieler, aber der lustige Part ist draußen. Ich habe mich im letzten College-Spiel verletzt und wurde operiert, daher hatte ich keinen Pro Day. Das ist schade, aber ich habe ihn nicht gebraucht, wie man sieht. Das Tape hat überzeugt.
...die Chicago Bears
Schon in der Woche zum Draft hin hab ich mit dem Defensive-Line-Coach der Bears geredet. Er hat klar gesagt: Ich bin ihr Number-1-Guy. Es ist einfach klar gewesen, dass das der beste Platz für mich ist. Ich habe auch sehr gute Chancen, die Defense hat das gleiche System wie jene, in der ich fünf Jahre in Stanford gespielt habe. Wir schauen schon seit Jahren Bears-Filme. Es ist ein perfekter Fit. Die Bears haben sich in mich verliebt, und sie haben auch gewusst, dass sie mich billig, also ungedraftet bekommen können. Ich bin ein spezieller Typ Defensive Liner, passe perfekt rein, bin prototypisch, groß, athletisch und lang. Das ist perfekt für dieses System. Jetzt muss ich der ganzen NFL beweisen: Dass sie mich nicht geholt haben, da haben sie einen Fehler gemacht.
...trotz alter Affinität zu den Green Bay Packers...
Ich bin ein früherer Fan von den Packers. Jetzt bin ich ein Bears-Fan. So funktioniert das. Ich freue mich auch schon, gegen die Packers zu spielen, und gegen Spieler wie Aaron Rodgers. Spieler, die ich fast zehn Jahre lang bewundert habe. Ich habe es früher immer sehr genossen, ein Packers-Fan in Chicago zu sein. Dass ich jetzt ein Bear bin, macht es noch besser.
...Chicago als zweite Heimat - schon jetzt
Es ist wirklich lustig, wie klein die Welt ist. Chicago ist meine zweite Heimat, dort habe ich drei Jahre gelebt. Und nicht einmal die Straße runter von meiner Highschool, die ist gleich neben der Bears-Facility: Ein Feld und ein Hügel, mehr ist nicht dazwischen. Alle meine Freunde sind super extatisch. Weil die Bears ihr Heimteam sind.
...seine Mentalität nach einigen Jahren USA
Ich habe diese ehrgeizige Mentalität schon immer gehabt. Mein Bruder ist zwei, mein Cousin drei Jahre älter als ich. Die hatten diese Mentalität auch, und mit denen bin ich aufgewachsen. Da hatte ich immer sehr viel Competition, wollte immer besser werden. Ich bin immer der Meinung, dass ich als Spieler schlechter bin, weil ich aus Europa komme. Ich glaube immer, ich muss mehr als die US-Amerikaner investieren. Dabei habe ich das Gefühl: Physisch bin ich noch nicht einmal nah an dem, was ich tun kann. Also will ich das rausholen, so gut ich das kann, so schnell wie möglich. Eben weil ich diesen Ehrgeiz habe, als Europäer gegen Amerikaner bestehen zu müssen. Ich habe noch nicht einmal gewusst, was Football ist, bis ich etwa 13 war. In Amerika spielen die mit sechs Jahren schon.
...den Weg in den nächsten Monaten
Am 12. Mai fliege ich nach Chicago. Dort ist dann ein Mini-Camp für zwei Tage, um das Playbook zu lernen, Physicals mit dem Doktor zu machen und alles auschecken zu lassen. Ich schaue erst, ob ich dort bleibe und dort trainiere oder zurückkomme. In der dritten Juli-Woche reporten wir zum eigentlichen Camp. Die Rookies schon eine Woche vorher. Dann werden wir sehen, wie es weitergeht.