Durchwachsen? "Nein, eigentlich war es ein Schmarren!"
Golf-Ass Bernd Wiesberger ist beim Blick auf seine bisherige Saison selbstkritisch. Österreichs achtfacher Sieger auf der Europa-Tour hat schwierige Monate hinter sich. Von Rang 58 der Weltrangliste zu Beginn des Jahres ist der 36-jährige Burgenländer aktuell auf den 108. Platz abgerutscht.
Dazu kommen Irritationen nach seinem Antreten auf der umstrittenen neuen LIV-Tour. Wiesberger hofft diesbezüglich auf eine Einigung der verschiedenen Turnierserien und tritt diese Woche wie Österreichs neue Nummer 1, der Wiener Sepp Straka, bei den 150. British Open auf dem legendären Old Course in St. Andrews in Schottland an.
Und das erstmals mit einem so genannten Broomstick-Putter.
Diese "Besenstiele" sind deutlich länger als herkömmliche Putter, den speziellen Schlägern für das Spiel auf den Grüns. Der Wechsel auf das neue Gerät war Wiesbergers Reaktion auf mentale Probleme rund um das und auf dem Grün.
"Da war schon ziemlich lange eine Verunsicherung da. Aber es dauert halt immer einige Zeit bis du dir eingestehst, dass du ein Problem hast", erklärt der in Bad Tatzmannsdorf lebende Pro des Reiters Reserve.
Bernhard Langer hat den "Broomstick" einst berühmt gemacht
Die heute 64-jährige deutsche Golf-Legende Bernhard Langer hat den "Broomstick" einst bekannt gemacht, aktuell nutzen unter anderem auch auch der Australier Adam Scott oder der Südafrikaner Charl Schwartzel den langen Putter.
Das Nummer-1-Thema derzeit im Weltgolf ist aber die von Greg Norman vorangetriebene und von einem Saudi-Staatsfonds finanzierte Super Golf League "LIV" -steht für 54, die Zahl der auf drei Runden gespielten Löcher.
Die Profis werden mit Millionengagen von der europäischen DP World Tour sowie der US-PGA-Tour anlockt und abgeworben. Die Verantwortlichen der zwei Top-Serien für die Golf-Profis reagierten zunächst mit Strafen und Sperren für abtrünnige Spieler, musste aber auch schon wieder zurückrudern.
Er habe nach Betrachtung seiner aktuellen und zukünftigen Positionierung in der Golfwelt beschlossen, Teil des exklusiven Tourfeldes zu sein, erklärte Wiesberger vor den "Open" der APA - Austria Presse Agentur.
Charl Schwartzel kassierte für seinen LIV-Sieg 4,75 Mio. Dollar
Auf seine Anfrage um eine Freigabe habe es aber nicht einmal eine Reaktion gegeben. Die Teilnahme an der LIV ist äußerst attraktiv. Im ersten Jahr stehen sieben mit jeweils 25 Mio. Dollar dotierte Turniere sowie ein doppelt so hoch dotiertes Finale auf dem Programm.
Weil es bei den Drei-Tages-Events keinen Cut gibt, nimmt jeder Teilnehmer pro Veranstaltung zumindest 120.000 Dollar fix mit. Der 37-jährige Schwartzel, Sieger des ersten Events in London und aktuell die Nummer 125 der Welt, sackte bei der Auftakt-Veranstaltung satte 4,75 Mio. Dollar ein.
Wiesberger ist sich der neuen und attraktiven Spielmöglichkeiten bewusst. "Natürlich sind durch die neue Tour viele Leute vor den Kopf gestoßen worden, und auch für die Spieler ist es Neuland, mit dem man sich erst identifizieren muss."
Für viele Golfprofis - wie er selbst allesamt Einzelunternehmer - sei die neue Tour aber auch eine einzigartige Chance und Ergänzung zu den traditionellen Touren. "Als Sportler und Geschäftsmann muss man seine Entscheidungen treffen. Das ist im Profifußball nicht anders."
LIV-Golf sorgte auf jeden Fall sofort für eine gewaltigen Ruck in der Szene. Überall werden gerade die Preisgelder angehoben, so auch um 22 Prozent bei den Open in St. Andrews auf 22 Millionen.
Top-10 im "Race to Dubai" erhalten Startplatz auf US PGA-Tour
Die PGA erhöhte ihre Anteile an der DP World Tour und will künftig den Top Ten des "Race to Dubai" (=Geldrangliste der DP World Tour) sogar Startplätze in Amerika geben.
"Schon verwunderlich, wie schnell und was alles geht, sobald Konkurrenz da ist", staunt auch Wiesberger, der stets ein leidenschaftliches Mitglied der Europa-Tour und einige Jahre auch im Players Board war.
Die Top Ten mit PGA-Karten auszustatten, würde die Europa-Tour eher noch weiter ausdünnen, sorgt sich der Burgenländer daher.
Wiesberger bestreitet den finanziellen Anreiz der LIV keineswegs, würde trotzdem aber auch auf der DP World Tour spielen und hätte sich zu weit mehr Teilnahmen als die vorgeschriebene Anzahl an Turnieren verpflichtet. Deshalb hofft er, "dass die Kommunikationsfelder offen bleiben, es zu einem Konsens kommt und die Touren koexistieren können. Denn eine Schlammschlacht bringt am Ende keinem etwas."
Die weitere Saison-Planung ist bei Wiesberger unklar, es stehen weitere Strafen und Sperren im Raum. Alles Dinge, die belasten und ablenken.
"Gut, dass ich mich jetzt ganz auf St. Andrews freuen kann", blickt Wiesberger deshalb lieber dem vierten und letzten Saison-Major, bei dem 290.000 Besucher im schottischen "Home of Golf" erwartet werden, entgegen.
Mithelfen soll dort der neue Langstiel-Putter, der vielfach auch bei der Golfer-Krankheit "Yps" (Zucken) eingesetzt wird.
Langstiel-Putter erfordert komplette Umstellung der Technik
"Es erfordert eine komplette Umstellung der Technik. Aber mit dem neuen Schläger bin ich schon auf dem Weg zum Grün entspannter", so Wiesberger. Zuletzt sei er nicht wirklich kompetitiv gewesen.
"Den Kurs in St. Andrews kenne ich aber sehr gut, fühle mich extrem wohl im Wind und weiß, was mich erwartet." Links-Golf habe aber stets seine eigenen Regeln. "Und in einer Major-Woche kann sowieso immer alles passieren."
Ebenfalls diese Woche findet mit den EURAM Bank Open im Adamstal das heuer neben der Legends-Tour am Murhof höchstdotierte Profiturnier der Europa-Tour in Österreich statt.
Das Preisgeld für das Challenger Event im niederösterreichischen Alpenvorland nahe Hainfeld wurde nämlich auf 250.000 Euro angehoben. Größte heimische Hoffnung im spektakulären Golfclub Adamstal von EX-ÖGV-Präsident und Rallye-Legende Franz Wittmann ist der Steirer Niklas Regner.